Ab Dienstag, 16. September, bricht in der Überlinger Bodensee-Therme ein neues Zeitalter an – zumindest was die Eintrittspreise betrifft. Dann sind die bisherigen Fixpreise – zum Beispiel 22 Euro für drei Stunden Therme, unter der Woche drei Euro weniger – passé. Stattdessen gibt es tagesaktuelle Preise, die je nach Auslastung und Vorausbuchungszeit mal günstiger und mal teurer sind und täglich aktualisiert werden.

Wonach richtet sich der Preis?

Die neue Preissteuerung funktioniert vor allem nach zwei Kriterien. Erstens: Wer früher bucht – maximal sechs Wochen im Voraus sind möglich –, kommt günstiger weg. „Und zwar garantiert“, wie Therme-Betriebsleiter Max Sandreuther sagt. Dass sich der Preis später wieder reduziere, wie es etwa bei Hotels oder Fluggesellschaften öfter passiere, sei ausgeschlossen.

Max Sandreuther, Leiter der Bodensee-Therme in Überlingen.
Max Sandreuther, Leiter der Bodensee-Therme in Überlingen. | Bild: Kleinstück, Holger

Zweites und vermutlich wichtigstes Preiskriterium ist die erwartete Auslastung. Je stärker die Buchungen für einen bestimmten Tag sind, beziehungsweise in der Vergangenheit waren, desto höher steigt der Preis. „Die Preise werden täglich neu berechnet“, sagt Sandreuther, „ändern sich im Tagesverlauf jedoch nicht und können nicht nachträglich sinken.“ So solle das System „transparent und fair“ sein.

Preis steigt, je näher ein Termin rückt

Und wie wird nun der konkrete Tagespreis ermittelt? Dazu habe man das eigene Kassensystem an die Software des Schweizer Dynamic-Pricing-Spezialisten Price Now angeschlossen, sagt Sandreuther – und dieses mit den Buchungszahlen aus den vergangenen zehn Jahren gefüttert. Ein Jahr lang arbeite man bereits daran. Auf Basis dieser Daten berechnet das System nun für jeden Tag einen individuellen Einstiegspreis, der im Online-Buchungssystem dann sukzessive steigt, je näher der Termin rückt. Und zwar vollautomatisch, wie Sandreuther sagt. Ein manuelles Eingreifen sei nur in Ausnahmefällen vorgesehen.

Price Now hat solche dynamischen Preissysteme bislang vor allem für Bergbahnen und Skigebiete eingeführt, etwa für St. Moritz und etliche Bergbahnen im Engadin. Doch auch Freizeitparks und andere Thermen haben bereits Tagespreise eingeführt, etwa der Europapark oder das Badeparadies Schwarzwald in Titisee-Neustadt.

Für Spontanbesucher bedeutet dies, dass sie den für den jeweiligen Tag höchsten Preis zahlen. Wie hoch dieser dann sein wird, ist schwer absehbar. Denn während dem System Mindestpreise vorgegeben wurden, zum Beispiel 15,50 Euro für drei Stunden Baden oder 27,50 Euro für drei Stunden Sauna, bleibt der Maximalpreis dem Algorithmus überlassen. Ein Online-Preischeck vor dem Besuch erscheint somit sinnvoll.

„Das System lernt und wird dadurch immer besser“

Könnte sich der Preis somit in Spitzenzeiten nicht auch mal verdoppeln? In den zu Ende gehenden Sommerferien hat es immerhin mehrere Male sogar Einlassstopps gegeben, weil die Maximalkapazität von 650 gleichzeitig badenden Gästen erreicht war. Der Rekord dieses Jahr lag bei 1.700 Besuchern an einem Tag.

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Sandreuther gibt Entwarnung: „Das System ist so eingestellt, dass die Preise in den allermeisten Fällen in einem Rahmen von plusminus zehn Prozent um die bisherigen Fixpreise variieren.“ Wobei man allerdings auch selbst erst Erfahrung damit sammeln müsse, wie er zugibt. „Das System lernt und wird dadurch immer besser.“ Um Ausreißer zu vermeiden, werde man es in den ersten Monaten täglich überwachen.

Dynamische Preissysteme sind für den Therme-Chef die Zukunft

Auf jeden Fall ist das Ganze für Sandreuther „kein Test“: „Das ist jetzt unser neues Preismodell.“ Ein Zurück gebe es nicht. Für den Experten, von dem auch die Initiative für die Umstellung kam, sind dynamische Preissysteme die Zukunft – nicht nur bei Flügen, Hotels oder der Bahn, sondern auch im Freizeitbereich. „Im Grunde ist das kein neues Thema“, erste dynamische Preissysteme seien schon in den 1980er-Jahren entwickelt worden. „Doch bei uns nimmt das jetzt erst Fahrt auf.“ Auf der Interbad in Stuttgart etwa, der größten Branchenmesse, wachse das Lösungsangebot dazu von Mal zu Mal. „Irgendwann“, ist sich Sandreuther sicher, „werden alle Thermen so arbeiten.“

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Denn alle stünden vor den gleichen Herausforderungen: einer maximalen Platzzahl, die man vergeben könne, einer starken Saisonalität sowie hohen Fixkosten. „Ob 100 oder 1.500 Gäste da sind, wir haben die gleichen Energie- und annähernd die gleichen Personalkosten.“

Was ist das Ziel dieses Preissystems?

Das neue Preismodell soll nun gleich mehrere Dinge erreichen: Es soll einerseits übers Jahr mehr Gäste in die Therme bringen, da man zum Beispiel Überlingern, die nach Feierabend in die Sauna wollten oder Familien, die früh für die Ferien buchten, günstigere Preise bieten könne als bisher. „Das war ja auch immer wieder eine Forderung aus der Bürgerschaft.“

Andererseits soll es den Jahresumsatz steigern, indem man in den Spitzenzeiten die Einnahmen optimiert. „Das brauchen wir, um langfristig wirtschaftlich arbeiten zu können.“ Die bisherigen statischen Preise, da ist sich Sandreuther sicher, hätte man aber nicht viel weiter erhöhen können, ohne dass die Nachfrage zurückgehe.