Die Geschichte der Boule-Bahnen Mantelkopf geht Jahrzehnte zurück. Mindestens zurück bis in die 1980er-Jahre, als eine Clique Jugendlicher vom Westbad an den Mantelhafen wechselte. Ihren Ambitionen, das Spiel rund um die großen Kugeln und die kleine Kugel zu meistern, reichte der Boden des Strandbads nicht mehr aus.

Patrick Bourrel erinnert sich noch: „Ich war etwa 16 Jahre alt und wir haben uns jeden Dienstag getroffen.“ Sein Vater Serge war französischer Meister in der Boule-Disziplin Lyonnaise, einer Spielart mit größeren Kugeln, erzählt Bourrel. Als Soldat in Konstanz stationiert, lernte dieser dort Monika kennen, die Mutter Bourrels. Deren Mutter Margarete lebte wiederum in Überlingen. Als schließlich der kleine Patrick zur Welt kam, besuchte er sie immer wieder in Überlingen. Vor allem als Jugendlicher war er regelmäßig in den Sommerferien dort.

Patrick Bourrel in Überlingen. Seine Großmutter lebte hier. In den 1980er-Jahren brachte er einigen Überlinger Jugendlichen das ...
Patrick Bourrel in Überlingen. Seine Großmutter lebte hier. In den 1980er-Jahren brachte er einigen Überlinger Jugendlichen das Boulespielen bei. Heute lebt er in Belgien. | Bild: Patrick Bourrel

Mit seinen Kugeln und denen seines Vaters spielte, feierte und lachte die Gruppe um Patrick Bourrel bis in die Nacht am Mantelhafen: „Manchmal waren wir von 18 bis 23 Uhr dort, es war beleuchtet“, schildert der heute 57-Jährige. Zu dieser Gruppe gehörte auch Ernst Kellermann. Heute ist er der zweite Vorsitzende der Boule-Freaks Überlingen und erinnert sich bis heute an die Partien im Westbad und im Mantelhafen: „Wir haben sicher die eine oder andere Kugel im See versenkt“, erzählt er.

Ernst Kellermann, Dirk Olejnik und Rainer Regenscheit auf dem Gelände der Boule-Freaks Überlingen. Seine Anfänge nahm der Verein an den ...
Ernst Kellermann, Dirk Olejnik und Rainer Regenscheit auf dem Gelände der Boule-Freaks Überlingen. Seine Anfänge nahm der Verein an den Bahnen am Mantelhafen. | Bild: Rasmus Peters

Erst Spielzeug, dann Metall

Folgt man Kellermanns Ausführungen, scheinen die Bourrels überhaupt der Ursprung einer Boule-Kultur in Überlingen zu sein. Zumindest fast: Als Teil der französischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg waren es die französischen Soldaten, die ihren Volkssport auch in Deutschland spielen wollten, erzählt Kellermann und führt fort: „Wir haben damals falsch gespielt, ohne Regeln, und jeder warf seine Kugeln hintereinander – er hat uns gezeigt, wie es richtig geht.“

Vereinsvorsitzender der Boule-Freaks Überlingen, Dirk Olejnik, setzt mit einem Lächeln hinzu: „Wir spielten frei, auch daher der Name Boule-Freaks.“ Auch Olejniks Vater war Teil der Gruppe um Bourrel junior und später Gründungsmitglied des Vereins.

Dirk Olejnik, Vereinsvorsitzender der Boule-Freaks Überlingen, visiert sein Ziel an.
Dirk Olejnik, Vereinsvorsitzender der Boule-Freaks Überlingen, visiert sein Ziel an. | Bild: Rasmus Peters

Doppelstaatsbürger Patrick Bourrel schildert weiter: „Sie hatten Spielzeugkugeln. Als sie besser wurden, kauften sie Kugeln aus Metall.“ Und damit war dann auch der Wechsel vom Schwimmbad an den Hafen eingeläutet. „Die Bahnen dort waren viel besser“, schildert Ernst Kellermann. Auch heute, nachdem die Bahnen am Mantelkopf erneuert wurden, sagt er anerkennend: „Es gibt nur wenig schönere Bahnen.“ Dennoch setzen die Boule-Freaks auf die vereinseigenen Bahnen, da die zwei Bahnen für ihre Zwecke nicht ausreichend seien. Nur maximal zwölf Personen können dort spielen – vorausgesetzt, sie spielen nach Regeln.

Dreimal die Woche in den Park

Jürgen Vogel aus Überlingen ist ebenfalls leidenschaftlicher Boulespieler. An diesem Tag spielt er zusammen mit Angelika und Uwe Zahn sowie Hanne Schulz am neuen Feld am Mantelkopf. Sie sind Teil einer Gruppe, die je nach Wetter in wechselnder Besetzung dreimal die Woche an den Park am Mantelkopf kommt. „Nomen est omen“ nennen sich die Mantelkopf-Spieler. Sie organisieren sich über eine Chat-App.

Ein Teil der Gruppe der Mantelkopf-Bouler: von links Uwe Zahn, Jürgen Vogel, Angelika Zahn und Hanne Schulz. In wechselnder Besetzung ...
Ein Teil der Gruppe der Mantelkopf-Bouler: von links Uwe Zahn, Jürgen Vogel, Angelika Zahn und Hanne Schulz. In wechselnder Besetzung kommt ihre Gruppe je nach Wetter bis zu dreimal die Woche zu den Boulebahnen am Mantelkopf. | Bild: Rasmus Peters

Um die 20 Mitglieder zählt die Gruppe, sagt Angelika Zahn. Hanne Schulz ist „das Küken in der Gruppe“, wie sie sagt. Vor etwas mehr als einem Monat kam sie dazu. Eine Freundin begeisterte sie für den Sport. Gruppenmitglied Uwe Zahn spielte lange in Bad Saulgau im Verein. Er kennt den Sport aus Südfrankreich. Mit seiner Frau Angelika war er oft dort. Nun widmet sie sich dem Sport vor allem mit den Gruppenmitgliedern.

Aus Italien an den Bodensee

Jürgen Vogel spielt seit mindestens 27 Jahren Boule, schätzt er. In Italien habe er den Sport zum ersten Mal gesehen. „Ich fand es cool“, sagte Vogel, damals war er Mitte 20. Als er kurz darauf am Mantelkopf Menschen hat spielen sehen, fragte er kurzerhand, ob er mitspielen dürfe. Er durfte. So führte eines zum anderen. In Singen ist er im Verein, der Ligabetrieb sei jedoch bereits vorbei. Bleibt mehr Zeit für die Mantelkopf-Spieler – vor allem jetzt, wo der ehemalige Schreiner im Ruhestand ist.

Uwe und Angelika Zahn sowie Hanne Schulz verfolgen die Boule-Partie am Mantelhafen.
Uwe und Angelika Zahn sowie Hanne Schulz verfolgen die Boule-Partie am Mantelhafen. | Bild: Rasmus Peters

Sie mögen die neuen Bahnen, doch ein Manko gebe es ihrer Ansicht nach: Es gibt keinen Schatten. „Im Hochsommer können wir praktisch nicht spielen“, sagt Angelika Zahn. Die Anlage lag noch im Schatten zweier Bäume. Doch hier bemüht sich die Stadt bereits um die Sorgen: „Bei der Neuanlage des Mantelkopfparks haben wir die Ersatzpflanzungen dieser Bäume eingeplant. Die Bäume werden aus nachvollziehbaren baumphysiologischen Gründen nicht im Sommer, sondern erst im Herbst gepflanzt“, schreibt die Stadtverwaltung auf Anfrage.

Manchmal ist es Millimeterarbeit. Mit einem Maßband misst Jürgen Vogel den Abstand von Spiel- und Zielkugel.
Manchmal ist es Millimeterarbeit. Mit einem Maßband misst Jürgen Vogel den Abstand von Spiel- und Zielkugel. | Bild: Rasmus Peters

Während der Mantelkopf neugestaltet wurde, wichen die Boule-Freunde auf den Split vor den Kursaal aus. Ohne abgesteckte Bahnen heiße das „terrain libre“, erläutert Vogel. Und das sei ohnehin ein Trumpf des Boulespiels, dass es so einfach umzusetzen wäre. Was Vogel am Kugelsport fasziniert, ist der Kampf mit sich selbst, sagt er. „Am besten ist man, wenn man den Punkt zwischen innerer Spannung und Entspannung trifft.“

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Löcher, Berge und Täler auf der Bahn

Bevor er wirft, reibt Vogel seine Kugeln sauber, für mehr Haftung und: Er macht ein Loch zu. „Das kann ein Bergchen oder Tälchen sein“, erklärt er, und tritt durch die Würfe und Schritte angehäuften Splitt platt. Es ist der finale Wurf der Partie. Es hat sich gelohnt, er hat ein „carreau“ geschafft. Das heißt, er trifft eine Kugel des gegnerischen Teams und platziert seine an derselben Stelle. Damit gewinnt sein Team.

Mit dem Tuch hält Jürgen Vogel die Kugeln trocken und sauber.
Mit dem Tuch hält Jürgen Vogel die Kugeln trocken und sauber. | Bild: Rasmus Peters

Ernst Kellermann hebt eine Besonderheit des Sports hervor: „Es ist ein Spiel, das du von 6 bis 90 Jahren spielen kannst, alle Altersklassen können untereinander antreten.“ Und ganz in diesem Sinne hebt Patrick Bourrel die Fähigkeiten seiner Eltern hervor: „Mein Vater ist jetzt 88 und meine Mutter 84 – und ich habe verloren.“ Auch wenn die meisten aus der Mantelkopf-Gruppe im Ruhestand sind, an Nachwuchs wäre ihnen sehr gelegen, sagen sie.