Vielleicht sollte man sich in den Unionsparteien wieder an das „globale Dorf“ erinnern. Er scheint dort in Vergessenheit geraten zu sein, sonst käme man nicht auf den Gedanken, die Entwicklungshilfe zu einer Nebensache zu degradieren.
Denn nichts anderes als das wäre es, würde das zurzeit SPD-geführte Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Außenministerium eingegliedert, wie es sich Politiker von CDU/CSU wünschen. Es wäre eine fatale Fehlentscheidung, die angesichts der außenpolitischen Trampeleien der US-Regierung zur Unzeit getroffen würde.
Trumps Entscheidung gefährdet Menschenleben
In seinem rücksichtlosen Furor hat Donald Trump die US-Entwicklungshilfe in aller Welt abgeschaltet. Die Folgen sind bei Hilfsprojekten in Afrika schon jetzt zu sehen und gefährden Menschenleben. Dass sich nun bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union Leute aus deren Reihen dafür stark machen, den Aufwand der Hilfe für den globalen Süden zu kürzen und das dafür maßgebliche Ministerium zu planieren, ist mehr als eine politische Instinktlosigkeit. Es ist verantwortungslos und gefährlich.
Rund zehn Milliarden Euro fließen im laufenden Jahr aus dem Bundeshaushalt in die Zusammenarbeit mit Ländern, die einer komplexen Problemlage ausgesetzt sind. Dazu gehört der Klimawandel, für dessen Ursachen diese Regionen nicht verantwortlich sind; und dazu zählt nach wie vor das Grundübel der politisch verursachten Instabilität von Staaten, die aus eigener Kraft nicht aus der Krise finden und mit der Daseinsfürsorge ihrer Bevölkerung überfordert sind. Das ist primär auf dem afrikanische Kontinent der Fall.
Zusammenarbeit kann Krisen vorbeugen
Diese Menschen aus finanziellen Erwägungen ihrem Schicksal zu überlassen oder Hilfsprojekte nur in die Hand spendenbasierter Organisationen zu legen, kann sich – abgesehen von der ethischen Fragwürdigkeit dieses Vorgehens – als krasse Fehlkalkulation erweisen. Denn Zusammenarbeit wirkt krisenvorbeugend. Investitionen in Bildung und Gesundheit ebnen den Weg zu einer besseren Regierungsführung. Das hilft, Stabilität zu sichern und dient damit auch deutschen und europäischen Interessen.
Daher sind die 112 Euro, die jeder Europäer jährlich im Schnitt für Länder der Dritten Welt aufwendet, eine gute Investition. Denn auf Krisen zu reagieren und ihre Folgen – etwa Massenmigration – zu schultern, kommt um ein vielfaches teurer als ihnen vorzubeugen.
Volkswirtschaftlich betrachtet ein Nebenposten für uns
Der Aufwand dafür ist angesichts der horrenden Ausgaben, die für den Sozialstaat und künftig auch für Verteidigung und Infrastruktur getätigt werden, sehr überschaubar: Vor 53 Jahren, 1972, einigten sich die Vereinten Nationen darauf, dass die Industriestaaten 0,7 Prozent vom Bruttonationaleinkommen für die Entwicklungshilfe aufwenden sollen. Inzwischen liegt diese Quote bei 0,82 Prozent und schließt die Ausgaben aller öffentlichen Stellen in Deutschland mit ein.
Man darf in der ganzen Debatte nicht vergessen, dass Entwicklungspolitik immer auch Interessenpolitik gewesen ist und im Kalten Krieg seit den 50er-Jahren – neben militärischer Aufbauhilfe – durchaus erfolgreich als diplomatische Waffe eingesetzt wurde.
Nach dem Kalten Krieg wurde gespart
Die beiden Blöcke in Ost und West standen sich in einer auf vielen Ebenen erbittert geführten Systemkonkurrenz gegenüber, die nicht nur den forcierten Ausbau des Sozialstaats als Aushängeschild für attraktive Angebote betrachtete, sondern auch das Engagement in der Dritten Welt an Erwartungen von Sympathie und Gefolgschaft band. Dadurch sollte auch die Bundesrepublik seit Konrad Adenauers Kanzlerschaft als verlässlicher und spendabler Partner in der Weltpolitik etabliert werden.
Nachdem der Westen 1989/90 das Rennen schließlich für sich entscheiden hatte, wurde am Geldhahn für die Entwicklungspolitik herumgefummelt. Kurzfristiges Sparen am falschen Ende. Dafür hat China in Afrika seine Claims abgesteckt, und auch Russland macht sich dort wieder breit. Daher ist es auch aus strategischen Erwägungen geboten, die Hilfe für den globalen Süden nicht nur nicht zu kürzen, sondern sogar zu erhöhen. Es ist eine Investition auch in unsere Zukunft und die Europas.