Lieber Heiliger Vater,

man kann sich kaum vorstellen, was gerade alles auf Sie einströmt: die Fragen nach der richtigen Kleidung, ihrer Wohnung, ihrer ersten Reise und tausend andere Dinge sind zu klären. Vor allem aber werden schon aus allen Ecken der katholischen Welt Erwartungen an Sie gestellt: Was für eine Art von Papst Sie sein werden, was Sie gegen die schwindenden Kirchenmitgliederzahlen in Europa ausrichten können, wie sehr Sie den Vorstellungen der Laien in Deutschland entgegenkommen, ob Sie einen substantiellen Beitrag für den Frieden in der Welt leisten können.

Auch ich weiß noch nicht so genau, wie man Sie einschätzen soll. Aber, und da geht es mir wie vielen anderen Katholiken, ich habe ein gutes Gefühl. Auch wenn Sie sich bislang nicht als Anti-Trump positioniert haben, dazu sind Sie ohnehin viel zu diplomatisch – Ihre ersten Worte als Papst, aber auch Ihre ganze Vita deuten darauf hin, dass Sie dem US-Präsidenten und dem Chaos, das er verbreitet, etwas entgegensetzen können.

Das sind keine Zölle, keine Wirtschaftssanktionen, die Mittel eines Papstes befinden sich mehr im symbolischen Bereich. Aber sie können doch etwas bewirken und sei es nur, dass Sie den Menschen Hoffnung machen, die angesichts der Weltunordnung, des Werteverfalls in den internationalen Beziehungen, des rücksichtslosen Umgangs mit den Schwachen ihren Mut verlieren.

Dass Sie das können, dass Sie im Umgang mit den Mächtigen den Konflikt nicht scheuen, haben Sie beispielsweise gezeigt, als Sie JD Vance via X eine kleine Lehre in Sachen Nächstenliebe erteilt haben. Ihre erste Rede und die erste Predigt als Papst lassen sich auch als Antwort auf die menschenverachtende Politik des US-Präsidenten im Umgang mit Armutsmigranten lesen.

Vielleicht, und jetzt komme ich schon wieder mit einer Hoffnung an Sie, kann ein amerikanischer Papst den Amerikanern am besten klarmachen, dass man die Ruchlosigkeit Trumps nicht hinnehmen muss und darf.

Sie gelten als Brückenbauer, einer der mit den Progressiven, aber auch mit den Konservativen kann, ein Mann der Mitte. Es ist zu vermuten, dass Sie beide Seiten auch enttäuschen werden. Zumindest aber werden Sie beiden Seiten zuhören – Ihre Fähigkeit diesbezüglich ist jedenfalls schon in aller Munde. Nicht die schlechteste Begabung in einer Zeit, in das Senden im Vordergrund steht.

„Denke daran, dass Du sterblich bist“ – der Satz, den dem frischgekürten Papst traditionell zugeflüstert wird, hat ja auch eine tröstliche Botschaft: keiner ist perfekt, nicht einmal der Pontifex maximus. Ihnen kann der Gedanke daran auch Mut machen: den hohen Erwartungen Ihre Menschlichkeit entgegenzusetzen und Ihre Schwäche. An Ihrem Vorgänger, Franziskus, könnten Sie sich auch in dieser Hinsicht ein Beispiel nehmen!

Sei der Friede, den Sie uns wünschen, auch mit Ihnen!