Der Einstieg ins Rutengehen scheint kein Hexenwerk zu sein. „Das hier ist eine sogenannte Winkelrute“, sagt Steffen Schweikardt und zeigt in seinem Seminarraum auf zwei schlichte Aluminiumstäbe, die zu einem L gebogen sind. „Daumen nach außen, Hand leicht geöffnet und den Metallstab locker zwischen Daumen und Zeigefinger legen“, lautet die Anleitung vom Profi.

Die Spitzen der beiden Stäbe zeigen nach außen. Nach den ersten Schritten in Richtung Wand zittert der rechte Stab der Wünschelrute leicht. Das ist alles. Schweikardt übernimmt und läuft auf dem gleichen Weg. Die beiden Ruten legen sich bei ihm an einer Stelle im Raum über Kreuz aufeinander und gehen dann wieder auseinander. Der Aspirant soll es noch einmal versuchen: Und siehe da: Jetzt schlägt die Rute auch beim Anfänger aus. Gegenprobe auf der anderen Raumseite: nichts passiert.

Was ist hier los? Die Wirkung von Erdstrahlen? Magie? Selbsterfüllende Prophezeiung? Oder einfach Hokuspokus? Nein, sagt Schweikardt. Unter dem Seminarraum befindet sich ein mit Wasser gefüllter Riss im Gestein. Also das, was Radiästhesisten – also Rutengänger – üblicherweise als Wasserader bezeichnen. Wenn man eine solche findet, kann man sie nutzen – etwa um einen Brunnen zu bauen. Oder aber, man betrachtet sie als Störzone und vermeidet, an dieser Stelle im Haus ausgerechnet sein Bett aufzustellen. So oder so könne man die wasserführende Stelle erspüren und sich von einer Wünschelrute anzeigen lassen, sagt Schweikardt.

Auf das Material kommt es nicht an

„Die Rute ist dabei ein Werkzeug wie Hammer oder Zange“, so der Geologe und Rutengänger. Sie habe den einzigen Zweck, Körperreaktionen anzuzeigen. „Eine Wünschelrute ist kein Detektor.“ Auch sei sie keine Antenne für übersinnliche Wahrnehmungen. Im Prinzip könne ein Rutengänger auch ohne Werkzeug auf die Suche gehen. „Auf das Material kommt es nicht an.

Er selbst arbeitet am liebsten mit einer selbst gebauten Rute aus zwei Teilen Polyamid. Aber auch Haselzweige funktionieren. Andere verwenden die Winkelrute, Bauarbeiter nutzten oft auch einfach zusammengebogene Drähte, erzählt Schweikardt. Andere funktionierten einen Drahtkleiderbügel um.

Die Wünschelrute hat ausgeschlagen.
Die Wünschelrute hat ausgeschlagen. | Bild: Brigitte Gisel

Schweikardt ist 52 Jahre alt und seit vielen Jahren Rutengänger in Hattenhofen im Kreis Göppingen. Die Rutengängerei ist sozusagen ein Familienerbstück. Schon Anfang der 1990er-Jahre begleitete er seinen Vater, der im Alter zur Rute gekommen war. Anstoß gab der Schwiegervater seines Nachbarn, ein Baggerfahrer, der dem Malermeister nahegelegt hatte, der Ursache seiner Schlafstörungen auf diese Weise auf den Grund zu gehen.

Vater und Sohn waren beeindruckt, dennoch zog es den Sohn zunächst in die Wissenschaft. Er ist promovierter Geologe. Später setzte er noch eine Ausbildung zum Heilpraktiker drauf und wurde Vorsitzender des Rutengänger-Vereins Süd, in dem seit 1994 rund 90 Mitglieder organisiert sind. Dort bietet er auch Seminare an, um den Umgang mit der Wünschelrute zu lernen. 80 Prozent seiner Seminarteilnehmer zeigten sich empfindlich für die Rute, erzählt er. Nur manchmal stehe sich ein Mensch selbst im Weg. „Ein Elektrotechnikingenieur hat sich einmal so unter Druck gesetzt, dass gar nix mehr ging.“

Die Hintergründe der Wünschelrute

Aber was kann man mit einer Wünschelrute nun eigentlich ausrichten? Schweikardt erzählt, dass er als Rutengänger oft mit Brunnenbauern zusammenarbeitet. Da kommt ihm seine erste Profession als Geologe sehr gelegen. Die meisten Wassertiefen, die er mit der Wünschelrute austestet, liegen zwischen 5 und 40 Meter unter der Erde. „Doch ich kenne Leute, die Brunnen mit Tiefen von über 400 Metern ausgetestet haben.“

Schweikardt fährt dabei zweigleisig. Zur Vorbereitung nutzt er geologische Karten und Informationen vom Landesamt für Geologie, Rohstoff und Bergbau in Freiburg. Für die Feinarbeit kommt die Rute ins Spiel.

Erklären konnte es noch keiner

Auf der Wiese seines Nachbarn demonstriert Schweikardt, wie wasserführende Schichten in der Nähe eines Brunnen seine Ruten in Schwingung versetzen. Ein paar Meter entfernt vom Brunnen liegt die Rute ganz entspannt in seiner Hand. Je mehr er sich der Fassung nähert, desto stärker biegt sich die Polyamid-Rute nach unten. Bewegt er sich weg vom Brunnen, kehrt die Rute wieder in den Ruhezustand zurück.

Aber warum reagiert die Rute? „Eine gute Frage“, sagt Schweikardt. Es gebe dazu verschiedene Theorien. „Aber genau erklärt hat es noch keiner.“ Als Geologe kann er gut erläutern, wie das mit Aufschlüssen im Erdreich funktioniert und es visuell darstellen. Wie sich diese auf Menschen auswirken, und was sich da mit einer Wünschelrute anzeigen lässt, darauf hat aber auch er keine abschließende Antwort.

Steffen Schweikardt mit einer Rute aus Polyamid. Auch sie zeigt eine Wasserader an.
Steffen Schweikardt mit einer Rute aus Polyamid. Auch sie zeigt eine Wasserader an. | Bild: Brigitte Gisel

Für die Mehrzahl der Wissenschaftler ist die Sache dagegen klar: Sie sehen keine Evidenz dafür, dass Wünschelrutengänger bessere Ergebnisse erzielen als es die Statistik erwarten ließe. Professoren haben bei einer Direktorenkonferenz der geologischen Landesämter schon 1950 erklärt, dass ein Zusammenhang zwischen Wünschelruten-Ausschlag und Untergrund nicht erwiesen, „ja noch nicht einmal wahrscheinlich gemacht worden ist“. Bereits im 19. Jahrhundert verwiesen Kritiker auf den Carpenter-Effekt: demnach löst schon das Denken an eine bestimmte Bewegung die Tendenz zur Ausführung ebendieser Bewegung aus.

Suche nach dem guten Schlafplatz

Rutengänger suchen aber nicht nur nach Wasseradern, um Brunnen zu bauen, sie bieten auch Hilfe gegen vermeintlich krankmachende Strahlen aus der Tiefe an. Da geht es dann um den gesundheitlichen Aspekt von Erdstrahlen, Wasseradern und Störzonen.

Schweikardt verfolgt in dieser Frage einen eigenen Ansatz: Er bietet Hilfe bei der Suche nach „guten Plätzen“ an und beruft sich dabei auf die Tradition der österreichischen Lehrerin und Rutengängerin Käthe Bachler. Er sucht in solchen Fällen nicht das, was im Untergrund stört, sondern die Orte, an denen nichts das Wohlbefinden beeinträchtigt. Wasser, das in Gesteinsaufbrüchen fließt, sorgt in den Augen der Rutengänger für Störzonen. Wer auf so einer „Wasserader“ schläft, schläft womöglich schlechter.

Manche Schulen der Wünschelrutengänger sagen auch, dass man davon richtig krank werden kann. Schweikardt geht an diesem Punkt bewusst zu einem Teil der Wünschelrutengänger-Szene auf Distanz. „Ich verkaufe keine Abschirmeinrichtungen“, sagt er. Auf seiner Homepage wird er noch deutlicher: „Es gibt keinen wirkungsvollen Erdstrahlen-Schutz – es ist alles frei erfundene Geschäftemacherei.“

Kein Wunder, dass der Streit über Sinn und Unsinn des „Mutens“ mit der Wünschelrute erbittert ausgetragen wird. Das kann schon mal die Qualität von Glaubenskriegen annehmen. Da wird erbittert darüber gestritten, ob es die Gitterlinien, die nach Ansicht von Rutengängern die Erde überziehen, nun wirklich gibt oder nicht. Beweisführungen sind in diesem heiklen Metier schwierig.

Schweikardt beispielsweise ärgert sich immer wieder über die Arbeitsweise der Kritiker. Den Wünschelrutengänger als Scharlatan zu überführen, weil er einen im Haus versteckten Wassereimer mit seiner Rute nicht entdeckt hat, hält Schweikardt für einen zu simplen Trick. „Das Wasser ist am Effekt der Wasserader unschuldig und ein wassergefüllter Eimer daher keine rutengängerische Störzone.“