Frau Brockhaus, Ihr neues Buch heißt „Mehr Geld als Verstand“. Haben Sie jemals Geld ohne Verstand ausgegeben?
Ja, ich hatte mit 18 Jahren einen Model-Job und habe für einen Tag Arbeit 1000 Euro bekommen. Bar auf die Hand. Die habe ich sofort investiert in eine Übernachtung im Luxushotel auf der Königsallee in Düsseldorf, eine Gucci-Sonnenbrille und Taxifahrten. (lacht) Das war bezeichnend, weil man daran sieht, dass das Geld für mich keinen Wert hatte. Es war leicht verdient und ich habe es ohne Verstand ausgegeben. In der Woche darauf habe ich dann wieder für acht Euro die Stunde gekellnert – dieses Geld hätte ich nicht so leichtfertig ausgegeben.
Der aktuellen Bundesregierung werfen Sie vor, dass sie ohne Verstand Geld ausgibt. Wo wird Ihrer Meinung nach am meisten verschwendet?
Da sind natürlich die großen Bereiche wie Bürgergeld, Migration und Bürokratie, wo durch bessere Politik Milliardensummen eingespart werden könnten. Für mich ist aber auch die Plakatwerbung der Regierung ganz klar Verschwendung. Da wird Geld derart ohne Verstand ausgegeben, dass es kracht.
Ein Beispiel: Wir haben allein im Haushaltsjahr 2021 für die Corona-Kommunikation 286 Millionen Euro ausgegeben, 2022 nochmal 188,9 Millionen Euro. Was mich besonders stört: Prominente Persönlichkeiten wie Dr. Eckart von Hirschhausen, Howard Carpendale und Uschi Glas wurden für ihre Mitwirkung an Corona-Impf-Werbung mit unserem Steuergeld bezahlt. Dafür hätte es gar keine Plakatwerbung gebraucht.
Auch die horrenden Beraterkosten stören mich. Allein 2023 haben wir unter der Ampel dafür 230 Millionen Euro ausgegeben. Die Ampel hat gleichzeitig 11.500 neue Beamtenstellen geschaffen, wir hatten noch nie so viele Abgeordnete im Bundestag, noch nie so viele Staatssekretäre wie heute und trotzdem steigen die Beraterkosten immer weiter.
Ich würde sie komplett streichen, wir haben genug politisches Personal. Wir sollten anfangen, uns über diese Verschwendung zu ärgern.
Ist diese Art, Geld auszugeben, Ihrer Meinung nach eine Spezialität der Ampelkoalition?
Nein, aber während der Ampelkoalition hat das noch mal ein anderes Ausmaß angenommen, gerade bei den Werbe- und Beraterkosten. Das hat die Große Koalition nicht geschafft, 230 Millionen Euro in einem einzigen Jahr für Berater auszugeben.
Spitzenreiterin ist übrigens Nancy Faeser und da muss ich ganz klar sagen: Die Beraterkosten merkt man dem Innenministerium nicht an … Aber man muss auch bei der Wahrheit bleiben: Nicht nur die Ampel hat Geld ohne Verstand ausgegeben, sondern auch die Große Koalition und andere Koalitionen vorher.
Woran liegt das?
Das Problem ist, dass Politiker nicht haften und dass es nicht ihr Geld ist, das sie ausgeben. Ich bin davon überzeugt, Geld muss einen Wert haben. Als ich gekellnert habe, hatten die acht Euro pro Stunde für mich einen größeren Wert als die 1000 Euro, die ich bekommen habe, weil ich einmal als Model über die Düsseldorfer Königsallee flaniert bin.
Und ich habe das Gefühl, viele Politiker erkennen nicht den Wert der Steuergelder. Sie merken nicht, dass sie darauf aufpassen müssen, anstatt sie zu verprassen. Sie mussten das Geld ja auch nicht selbst hart verdienen, wie sehr viele Bürger in unserem Land.

Sie gehen in dem Buch kritisch mit Politikern ins Gericht, bezeichnen Sie sinngemäß als weltfremd und wünschen sich zum Beispiel mehr Unternehmer in der Politik. Was muss Ihrer Meinung nach der optimale Politiker mitbringen? Berufserfahrung?
Sie bringen es auf den Punkt: Es soll jemand sein, der gearbeitet hat. Ich stehe nicht hinter dem Karrierepfad: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal. Wir brauchen mehr Menschen mit Berufserfahrung im Bundestag: Unternehmer, Handwerksmeister, Kindergärtner, Busfahrer. Schauen wir uns mal den Bundestag an, wie viel Berufserfahrung da besteht. Spoiler: zu wenig.
Ricarda Lang (frühere Bundesvorsitzende der Grünen, Anm. d. Red.) hat nicht mal eine abgeschlossene Berufsausbildung. Ihr Studium hat sie nach sieben Jahren ohne Abschluss beendet. Sie ist eine ungelernte Kraft.
Die Politik in Deutschland folgt dem Prinzip der Negativauslese – das bedeutet, nicht die Besten werden am Ende Minister oder Parteivorsitzende, sondern die, die am längsten dabei sind und schon mit 16 Jahren Plakate geklebt haben. Ich finde aber nicht, dass ein guter Politiker schon mit 16 Jahren wissen muss, dass er eine Partei gut findet und sich politisch engagieren will.
Es kann sich auch jemand erst mit 30 berufen fühlen und trotzdem exzellent sein. Oder sogar mit 50. Aber das ist in unserem Land schwierig. Es muss einen Fast Track geben. Die Parteien können nicht verlangen, dass jeder diese Ochsentour macht. Und die Klüngelei innerhalb der Parteien muss zwingend weniger werden.
Während Ihrer Beschäftigung mit den Staatsfinanzen – was hat Sie am meisten überrascht?
Ich war bei der Recherche eigentlich jeden Tag schockiert, auch über meine eigene Unwissenheit. Dabei wäre es so wichtig, dass die Bürger den Staatshaushalt kennen, wir müssen mündige Bürger sein. Was mich zum Beispiel schockiert hat, war, dass wir mit unserem Steuergeld die Förderung von positiver Maskulinität in Ruanda finanzieren. Hierfür wurden zwischen 2022 und 2025 insgesamt 520.000 Euro eingeplant. Ich weiß, Menschen wird immer Populismus vorgeworfen, wenn sie so etwas sagen …
Auch finanzieren wir mit viel Geld chinesische Studenten in Deutschland. Was die Entwicklungshilfe betrifft, war ich bei meinen Recherchen konstant schockiert. Das Entwicklungsministerium muss schnellstmöglich überarbeitet werden, da gibt es ein sehr großes Einsparpotenzial. Die Fahrradwege in Peru, die im Netz kursieren, sind bloß ein Sandkorn des Schlamassels.

Wo sollte beispielsweise noch der Rotstift angesetzt werden?
Wir geben Millionen für die Förderung von Computerspielen, das ist völliger Wahnsinn! Aber auch das ist nur der Anfang. Ich bin überzeugt, dass man locker 20 Prozent des Staatshaushalts einsparen könnte – und ich glaube, dass die Bürger das fordern müssen. Ich weiß, viele finden Finanzen nicht sexy. Aber nach meinen Recherchen finde ich sie inzwischen sehr sexy. (lacht)
Das Problem sind, wenn ich Sie richtig verstehe, nicht die Einnahmen. Deshalb fordern Sie auch Steuersenkungen. Aber wie kann es dem Staat gelingen, mit weniger Einnahmen trotzdem weiter zu investieren?
Mit einer klugen Ausgabenpolitik. Deutschland ist wie ein Dinosaurer, an den sich keiner rantraut, weil die Dinge ja schon immer so waren. Deswegen wünsche ich mir für Deutschland jemanden wie Elon Musk in USA – aber eben nicht die Person Elon Musk, denn er ist natürlich schwierig und extrem.
Aber ein Ministerium, in dem Leute, die nicht aus der Politik kommen, sich vor allem die Ausgaben anschauen und verbessern. Dieses Gremium muss natürlich ohne Bezahlung arbeiten. Aus Liebe zum Land. Sonst entstehen wieder neue Kosten. Wir brauchen Disruption und ich glaube nicht mehr, dass die Bürokratie von der Politik aus abgeschafft werden kann. Das traue ich keiner Partei zu. Die CSU in Bayern hat sich immerhin die Abschaffung von 100 Vorschriften vorgenommen.

Viele Menschen sind unzufrieden, aus den verschiedensten Gründen. Geld ist nur einer davon. In welchem Zustand ist Deutschland?
Deutschlands aktueller Zustand ist desolat, die Wirtschaft leidet, viele Menschen haben Angst um ihre Arbeitsplätze. Es geht uns nicht gut. Und ich verstehe den Ansatz vieler Politiker, die vor der Wahl auf Zuversicht setzen und sagen: Wir machen keinen Populismus. Aber ich meine, dass wir mit der Schönfärberei aufhören sollten. Man muss benennen, was schlecht läuft, sonst wird die AfD immer stärker.
Die Leute sehen die Probleme im Land, und wenn die AfD die einzige Partei ist, die sich traut, die Probleme anzusprechen, auf populistische Weise, dann ist das schwierig. Populismus ist per se übrigens nichts Schlechtes, wenn es komplizierte Botschaften verständlich macht, so dass sich auch einfache Bürger mit Politik auseinandersetzen.
Gibt es etwas, worin Deutschland trotz allem gut ist?
Ja, klar! Worin wir super sind, das ist die gesellschaftliche Teilhabe. Es geht immer noch besser, aber ich habe gemerkt, dass es manchmal gut ist, sein Land mit den Augen Außenstehender zu sehen. Das ging mir so bei der Begegnung mit einer italienischen Familie im Schwimmbad in Düsseldorf.
Die waren begeistert, dass wir in Deutschland für relativ wenig Geld in ein schönes Freibad gehen können. In Italien sei das ganz anders. Sie haben wir vor Augen geführt, wie großartig es ist, was den Bürgern geboten wird. Wir haben kostenfreie Wildparks für Kinder, Spielplätze, Grünanlagen. Und das ist zum Beispiel etwas Großartiges an unserem Land.
Nach fünf Sachbüchern wollen Sie jetzt einen Liebesroman schreiben. Werden wir bald die Nachricht „Nena Brockhaus auf Platz 1 der Belletristik-Bestseller“ in der Zeitung lesen?
Ganz ehrlich? Ich will gar nicht mehr auf Platz eins der Bestseller-Liste kommen, weil mein Vater vergangenes Jahr gestorben ist und wir diesen ehrgeizigen Traum immer gemeinsam hatten. Bei dem Roman geht es mir auch gar nicht um die Bestseller-Liste. Ich bin sonst sehr karrierebewusst und ich hoffe natürlich auch, dass “Mehr Geld als Verstand“ in die Top Ten der Spiegel-Bestseller-Liste einsteigt.
Aber den Roman schreibe ich ausschließlich für mich selbst, auch als Ausgleich zu meiner Rolle als politische Kommentatorin. Wenn jemand stirbt, der einem sehr nahe war, verändern viele Leute ja etwas, und der Tod meines Vaters hat für mich viel verändert. Ich will diesen Roman schon seit Jahren schreiben, fand aber bisher, dass er nicht zu meinem Profil als Politik- und Wirtschaftsjournalistin passt.
Das ist jetzt nicht mehr so?
Nach dem Tod meines Vaters habe ich gemerkt, dass es mir eigentlich völlig egal ist, ob das zu mir passt oder nicht, und ob die Schlagzeile „Nena Brockhaus schreibt Kitschroman“ mir vielleicht die Glaubwürdigkeit nimmt. Ich mache das jetzt einfach, weil ich denke, dass man am Ende das bereut, was man nicht getan hat. Sehen wir mal, wo der Roman mich hinbringt. (lacht)