Pro: Es deutet wenig darauf hin, dass das seiner Partei nutzt, so die Meinung von Politikredakteur Dominik Dose

Friedrich Merz mag die AfD und ihren Menschenhass nicht: Diese Wahrheit muss man als Kritiker des CDU-Chefs anerkennen. Dass Friedrich Merz jedoch seinen lange Zeit recht klaren Abgrenzungskurs zu den Rechtspopulisten verloren hat – das darf man auch anerkennen, wenn man es gut mit Merz meint.

Man sieht das an Merz‘ eigenem Handeln, das teils in klarem Widerspruch zu früheren Aussagen steht. Und man sieht es in seiner Partei, etwa an Julia Klöckner, die schrieb: Wenn man das wolle, was die AfD will, könne man direkt CDU wählen. Sie löschte das schnell, aber: Jenseits von Brandmauer-Begriffen scheint es mit der Trennung nicht mehr recht zu klappen.

Wenig deutet darauf hin, dass Merz‘ scharfe Ausrichtung seiner Partei nutzt. Wähler gewinnen könnte die CDU eher in der Mitte, nicht am rechten Rand, sagt Allensbach-Chefin Renate Köcher. Umfragen deuten keineswegs darauf hin, dass die Merz-Taktik der AfD Stimmen abjagen würde. Siehe auch Österreich, mit einer nach rechts rückenden ÖVP, die erst recht von der FPÖ überholt wurde.

Selbst die Kirchen, sozusagen die Hüter des C in der CDU, wenden sich ungewohnt deutlich gegen die Merz-Ideen. Man darf fragen: Warum riskiert Merz es überhaupt, dass die AfD mit ihm stimmt? Warum sagte er den Menschen im Land nicht einfach: Das planen wir, stimmen Sie für uns, wir organisieren nach der Wahl eine saubere Mehrheit. Bürger verstehen, dass Demokratie so funktioniert. Und noch viel besser durchschauen sie es, wenn einer nur auf Showeffekte aus ist.

Contra: An der Asylwende werden die Unterschiede zwischen Union und der Rest-Regierung wieder klar, meint hingegen Politikredakteur Alexander Michel

Ist unser Staat in Fragen der öffentlichen Sicherheit handlungsfähig oder nicht? Das fragen sich die Bürger jetzt – und viele sind der Meinung: Nein. Friedrich Merz liefert darauf mit dem faktischen Aufnahmestopp zwar eine rigide wie simple Antwort. Aber schaden wird das der Union nicht, denn auch ihre Wähler stellen fest: Mit Olaf Scholz ist keine Asylwende zu machen, die diesen Namen wirklich verdient. Denn die SPD setzt weiter darauf, die Überforderung der Kommunen zu verwalten anstatt das Ruder umzulegen.

Natürlich kann man Merz das Etikett des ruppigen Polit-Zockers umhängen. Aber wenn die Union endlich und deutlich den Vorwurf entkräften will, sie verharre immer noch in der alten Merkel‘schen GroKo-Romantik, dann musste der CDU-Kanzlerkandidat nach den Morden von Aschaffenburg handeln und zur Offensive übergehen. Jetzt werden die Unterschiede wieder klar: SPD und Grüne wollen im Grunde weitermachen wie bisher, die Union setzt auf Kontrolle und Steuerung. Ein Wahlkampf heißt auch: Farbe bekennen.

Merz damit ein Ranrobben an die AfD zu unterstellen, ist billig. Die Rechtspopulisten wollen nicht nur gar keine Zuwanderung, sondern sie wollen auch keine Integration, denn sie leben im 19. Jahrhundert. Merz riskiert, wie kritisiert wird, die Sympathien der Mitte. Aber welche Mitte ist das? Ist Mitte gleich Unentschlossenheit oder will man in Anbetracht der jüngsten Bluttaten auch hier mehr als das, womit sich die Rest-Regierung aus der Affäre zieht? Vermutlich trifft das Zweite zu.