Die besten Geschichten schreibt ja bekanntlich das Leben selbst und wer Teile der Politik in Berlin verfolgt, der hätte reichlich Stoff für eine neue Netflix-Serie zusammen. Titel: Die Wärmeluftpumpen. Oder das Heizungsdesaster. Oder einfach nur: Die Gestoppten.
Wenn ein Gesetzgebungsverfahren in unserem Land nicht so eine ernste Sache wäre, dann müsste man laut lachen bei der derzeitigen Vorstellung. Was sich rund um das neue Heizungsgesetz in diesem Jahr gezeigt hat, beschädigt nicht nur den Minister und seine Partei, nein, es beschädigt die gesamte politische Landschaft. Und das ist nicht lustig, sondern dramatisch und alarmierend.
Politik soll – gerade in schwierigen Zeiten – Ruhe ausstrahlen, Besonnenheit und Kompetenz. Die Bürger sollen das Gefühl haben dürfen, dass die Richtung stimmt und die Entscheider selbst von ihren eigenen Entscheidungen überzeugt sind. Beim Heizungsgesetz ist das nicht der Fall.
Die FDP mosert an den Plänen seit Monaten munter rum, obwohl sie als Teil der Regierung an den Entwürfen beteiligt war. SPD-Kanzler Olaf Scholz schaut dem Streit in bewährter Art und Weise lange zu und schweigt. Und die Grünen versuchen, ihre Überzeugung mit Wucht gegen den Willen der Bürger durchzusetzen.
Jetzt wurden in der Geschichte der Bundesrepublik schon immer Entscheidungen gegen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung getroffen. Banken wären beispielsweise nicht auf Steuerzahlerkosten gerettet worden, die Bundeswehr nicht an Auslandseinsätzen beteiligt. Und es ist ganz sicher richtig, mit Blick auf das Klima auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen.
Bedenken nicht einfach wegwischen
Der Unterschied zum Heizungsgesetz aber ist der des weitreichenden Eingriffs in die vier Wände der Menschen und damit in ihren Geldbeutel. Dass vor allem der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck diesen Unterschied nicht als wesentlich erkannt und entsprechend durch kluge Kommunikation abgefangen hat, ist mindestens unverständlich.
Von der eigenen Heizung im Keller ist jeder Wähler unmittelbar betroffen, von der Bankenrettung eher nicht. Wer das übersieht, lebt in einer anderen Welt.
Wirtschaftsminister Robert Habeck jedenfalls wischte zahlreiche Bedenken vom Tisch und hatte die Wahl: Innehalten und Neu-Nachdenken, verbunden mit dem Risiko, das als Schwäche ausgelegt zu bekommen. Oder das Projekt Durchziehen mit dem Risiko, wie ein Pokerspieler den höchsten Einsatz geben zu müssen.
Er entschied sich für Letzteres und verlor das Spiel vorm Bundesverfassungsgericht. Jetzt hat Habeck mit seinen Parteifreunden allerdings nicht nur die grüne Pokerrunde verloren, sondern auch reichlich Vermögen anderer verzockt. Das Vermögen des Vertrauens in Politik nämlich, das abermals leidet.
Was hängen bleibt: Um die Heizung im Keller streiten sich die politischen Verantwortungsträger wie die Gas-Kesselflicker, und ähnlich dringende Dinge im Land bleiben liegen. Wie geht‘s bei den Flüchtlingen weiter, wer bekommt die Inflation in den Griff und – wohl am wichtigsten – wie wird die Wirtschaft gestärkt und nicht weiter belastet?
Wer kümmert sich mit der gleichen Leidenschaft eigentlich darum, dass die Unternehmen, die mit ihren Mitarbeitenden wertschöpfend tätig sind und das Land am Laufen halten, eine gute Zukunft haben?
Das Vakuum nutzen die Radikalen
Die Bürgerinnen und Bürger beschleicht langsam, aber sicher das Gefühl, dass die politischen Prioritäten mit Blick auf die Entwicklung unseres Landes falsch gesetzt sind. Die Wirtschaftsdaten verschlechtern sich, wir werden im Bildungsranking durchgereicht, die Digitalisierung bewegt sich im trägen Tempo einer Teermaschine. Das ist deshalb für die Demokratie gefährlich, weil Radikale vor allem von rechts in dieses Vakuum stoßen und bemerkenswerte Zugewinne machen.
Die guten Umfragewerte für die AfD sind deshalb wenig verwunderlich. Natürlich hat die vermeintliche Alternative für Deutschland häufig zu einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen, das aber ist das Privileg der Opposition. Daran muss man sich nicht abarbeiten, sondern einfach selbst seine Aufgaben ordentlich erledigen – gerade in Regierungsverantwortung.
Das Heizungsgesetz ist ein Musterbeispiel dafür, wie es nicht geht. Wenn die Ampelkoalition während der sommerlichen Urlaubspause einen lichten Moment hat, rettet sie das Gesetz nicht nur bis zur zweiten und dritten Lesung in den September, sondern überarbeitet es ganz grundsätzlich. Denn vom unangetasteten Rumliegen wird nichts besser. Ein Heizungsgesetz nicht und auch die Laune der Bürger nicht.