Es ist der erste Besuch bei der Bundeswehr seit seinem Amtsantritt als Kanzler, geplant schon vor Wochen. Doch durch den Krieg in der Ukraine lädt sich der Termin beim Einsatzführungskommando der Truppe in Schwielowsee bei Potsdam zwangsläufig mit Bedeutung auf. Mit ernster Miene steht der SPD-Politiker inmitten der Generäle, die ihn nicht in Paradeuniform empfangen, sondern im Flecktarn. Es sind gefährliche Zeiten, das zeigen die Kampfanzüge.
Doch wer hier das Sagen hat, daran lässt die selbstbewusste Körpersprache des Kanzlers keinen Zweifel: Er, Olaf Scholz. In den ersten rund zweieinhalb Monaten seiner Kanzlerschaft oft als zu wenig präsent gescholten, geht der 63-Jährige jetzt in die Offensive. Scholz erklärt seine Politik viel konsequenter als zuletzt, wird klarer in seinen Aussagen und setzt dabei auf die Macht der Bilder. An diesem kalten Morgen in Brandenburg zeigen die Fernsehaufnahmen der Nation das Bild des Staatslenkers, der mit den Spitzen des Militärs die Lage erörtert. Oberbefehlshaber der Bundeswehr ist der Regierungschef laut Grundgesetz zwar erst im Verteidigungsfall, der glücklicherweise nicht eingetreten ist; formell hat seine Parteifreundin, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht die Befehls- und Kommandogewalt. Doch Scholz‘ Auftritt soll klarmachen: Er ist der Chef der Ministerin, der ganzen Streitkräfte, er gibt den Kurs vor. Angesichts des Kriegs wandelt sich ein Politiker, der oft als nüchterner Technokrat beschrieben wurde und mitunter zu zögerlich wirkte, zum beherzten Krisenmanager.
Scholz greift zu Maßnahmen, die kurz vorher undenkbar schienen
In der Henning-von-Treschkow-Kaserne erinnern Steinsäulen an die 115 bei Auslandseinsätzen getöteten Angehörige der Bundeswehr. Still geht der Hamburger, der selbst den Kriegsdienst verweigert hat, durch diesen „Wald der Erinnerung“. Dass deutsche Soldaten auch in der Ukraine kämpfen, schließt Scholz erneut aus. „Wir sind nicht Teil der militärischen Auseinandersetzung, die dort stattfindet, und werden es auch nicht werden“, sagt er. Man werde aber auf diplomatischem Wege alles für einen Waffenstillstand tun.

Noch keine Woche ist es her, dass Scholz in einer Sondersitzung des Bundestags eine „Zeitenwende“ verkündet hat, die auch die Ertüchtigung der Bundeswehr für die gewaltige Summe von 100 Milliarden Euro einschließt. Ausführlich abgesprochen hat er das nicht, weder in der SPD noch bei den Koalitionspartnern. Bei linken Sozialdemokraten und vielen Grünen kommt der Schritt nicht gut an. Doch Scholz weiß, dass er sich zermürbende Debatten derzeit nicht erlauben kann. Lange genug haben ihn die Nato-Partner dafür gescholten, dass er bei der westlichen Reaktion auf Putins Drohgebärden auf der Bremse stand. Unter Druck hat Scholz dann doch geliefert und zu Maßnahmen gegriffen, die noch vor kurzem völlig undenkbar schienen: Waffenlieferungen an die Ukraine durchgewunken, sich zu deutlich höheren Verteidigungsausgaben bekannt.
Kritik an Schröder für Gazprom-Engagement
Lange um klare Worte gedrückt hatte sich Scholz auch gegenüber seinem Parteifreund und Vor-Vorgänger im Amt. Gerhard Schröder verbindet mit dem russischen Präsidenten Putin eine langjährige Freundschaft. Er ist Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG und damit quasi Chef-Lobbyist für die Gas-Pipeline Nord Stream 2, die Scholz nun auf Eis gelegt hat. Zudem ist Schröder den russischen Energiekonzernen Rosneft und Gazprom eng verbunden, will diese Drähte in den Kreml aber trotz des Angriffs auf die Ukraine nicht kappen. In der Talkshow von Maybritt Illner rechnet Scholz mit dem Problem-Genossen ab. „Ich finde nicht richtig, dass Gerhard Schröder diese Ämter wahrnimmt“, setzt er an. Es sei ihm wichtig, dass der Ex-Kanzler sich von diesen Ämtern zurückzieht. Als einstiger Kanzler trage Schröder weiter Verantwortung, müsse sich vor der Öffentlichkeit rechtfertigen.
Seine stoische Ruhe hat sich Olaf Scholz bewahrt, doch seine gestanzt wirkenden Sätze sind Worten und Entscheidungen gewichen, die klar und manchmal kühn wirken. Dabei fragten in den Wochen vor der Eskalation in der Ukraine zahlreiche Medien: „Wo ist Scholz?“. Unter dem Druck der Ereignisse entschied sich der Kanzler nicht wie zuvor so oft für den zaghaften Kurswechsel, sondern eine Kehrtwende mit „Wumms“. Das kommt offenbar an: Laut Infratest Dimap stieg der Anteil der Bürger, die mit Scholz „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ sind, zuletzt um 13 Punkte auf 56 Prozent.
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