Gerhard Schröder gilt als Putin-Versteher, im Ortsverband der SPD in Konstanz aber kann man über den Altkanzler nur den Kopf schütteln. Inakzeptabel, starrsinnig, parteischädigend – die Nachfragen bei den vier Stadträten, dem Ortsverbandsvorsitzenden Frank Ortolf und der Bundestagsabgeordneten Lina Seitzl fallen identisch aus. Am liebsten, so lässt es sich zusammenfassen, möchte man ihn loswerden.
Bei der allgemeinen Wahrnehmung gibt es dabei eine erstaunliche Parallele zu seinem Freund Wladimir Putin. Dem russischen Staatslenker hat man schon vor dem Überfall auf die Ukraine so einiges zugetraut, den jetzigen Krieg aber hielt in dieser Form kaum jemand für denkbar. Ebenfalls überrascht ist man von Gerhard Schröder und seine anhaltende Verbundenheit mit Wladimir Putin. Dabei hätte man es besser wissen können – wenn denn genauer wahrgenommen worden wäre, was beide in den vergangenen Jahren von sich gegeben haben.
Schröder und „die Quittung für die Fehler der Vergangenheit“
Was den Altkanzler anbelangt, so erschien im Januar 2021 ein von ihm zusammen mit dem Historiker Gregor Schöllgen verfasstes Buch mit dem Titel „Letzte Chance: Warum wir jetzt eine neue Weltordnung brauchen“. Allein der Klappentext lässt sich aus heutiger Sicht als Erklärungsansatz für das Verhalten des Altkanzlers verstehen. Demnach liegt nach Ansicht von Schröder „der Westen im Koma“.
Europäer und Amerikaner seien angesichts der weltweiten Krisen, Kriege und Konflikte paralysiert und apathisch. Der Grund: „Die Staaten der westlichen Welt, die es so gar nicht mehr gibt, sitzen in überlebten Strukturen fest und bekommen jetzt die Quittung für die Fehler der Vergangenheit.“ Die Autoren kommen daher zu dem Ergebnis, dass die weltpolitischen Rollen Europas und der Nato, Russlands und Chinas sowie nicht zuletzt die Rolle Deutschlands neu definiert werden müssten.
Das hat sich bewahrheitet, die Weltordnung ist perdu. Aber dass es so kommen musste?
Schröder hält offensichtlich an seiner Rolle als Putin-Versteher fest – und das stört die SPD-Stadträtin Zahide Sarikas seit Jahren. „Ehrlich? Den hätten wir schon seit Langem aus der Partei werfen sollen“, sagt sie. Dabei geht sie nicht von einem spezifischen SPD-Problem aus, sie hat generell Schwierigkeiten mit dem Selbstverständnis einer bestimmten Schicht der herrschenden Klasse.

Sarikas geht beim Problemgenossen von Gier und bei Putin von einem zynischen Menschenbild aus. Die Kommunalpolitikerin, die für ihr Ehrenamt im Gemeinderat eine überschaubare Aufwandsentschädigung erhält, hätte im Übrigen nichts dagegen, wenn dem Altkanzler angesichts seiner Einnahmen aus den Putin-Posten seine aus Steuergeldern finanzierte Pension gestrichen würde.
„Schröder muss sich entscheiden: Entweder SPD oder Putin“
Weniger emotional, aber in der Sache ebenso klar erklären sich die Fraktionskollegen Alfred Reichle und Jan Welsch. Reichle hat kein Verständnis für die Wandlung des Gerhard Schröder vom Sozialisten zum Kapitalisten und steht deshalb „persönlich uneingeschränkt“ hinter einem Parteiausschluss. Einfach so Knall auf Fall aber will er nicht vorgehen, die SPD müsse sich an die rechtlichen Möglichkeiten halten.

Und was das anbelangt, ist ein Parteiausschluss nach Erfahrung seines Genossen Welsch schwierig. Der Jurist hält die hohen Hürden für einen Parteiausschluss für berechtigt, weil eine Partei in einem demokratischen System eben auch einiges auszuhalten habe. Politisch und moralisch ist für ihn die Sache aber klar. „Schröder muss sich entscheiden: Entweder SPD oder Putin.“
Weniger emotional, aber in der Sache ebenso klar erklären sich die Fraktionskollegen Alfred Reichle und Jan Welsch. Alfred Reichle hat kein Verständnis für die Wandlung des Gerhard Schröder vom Sozialisten zum Kapitalisten und steht deshalb „persönlich uneingeschränkt“ hinter einem Parteiausschluss des Alt-Kanzlers. Einfach so Knall auf Fall aber will er nicht vorgehen, die SPD müsse sich an die rechtlichen Möglichkeiten halten.

Und was das anbelangt, ist ein Parteiausschluss nach Erfahrung seines Kollegen Jan Welsch sehr schwierig. Der Jurist hält dabei die hohen Hürden für einen Parteiausschluss für berechtigt, weil eine Partei in einem demokratischen System eben auch einiges auszuhalten habe. Politisch und moralisch ist für ihn die Sache aber klar. „Gerhard Schröder muss sich entscheiden: Entweder SPD oder Putin.“
Die SPD sollte nicht zu „inquisitorischen Mitteln greifen“
Für Lina Seitzl käme der Rücktritt Schröders von den lukrativen Putin-Posten allerdings zu spät. Die SPD-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Konstanz hatte bereits bei der Ukraine-Friedenskundgebung auf dem Münsterplatz am Samstag die Meinung geäußert, dass der prominente Genosse die letzte Gelegenheit verpasst hat. Spätestens als der Überfall auf die Ukraine am 24. Februar bekannt wurde, hätte er „die Ämter als Lobbyist von Putins Russland niederlegen müssen“. Das ist auch die Meinung von Jürgen Ruff.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Gemeinderat ist „total wütend“, plädiert gleichwohl für ein nüchternes Vorgehen. Parteiausschluss und Pensionsstreichung – die SPD sollte nicht zu „inquisitorischen Mitteln greifen, sonst wird daraus so was wie bei den Grünen und Boris Palmer“. Er warnt ferner vor gedanklichen Kurzschlüssen: „Er ist der Lobbyist eines Unternehmens und ein Freund Putins“, sagt er, „aber mir geht es zu weit, wenn man ihn deshalb als den Lobbyisten eines Kriegsverbrechers einstuft.“
Dieselbe Differenzierung nimmt Frank Ortolf vor. Der Vorsitzende des SPD-Ortsverbands, der rund 350 Mitglieder zählt, will Schröder die Möglichkeit einräumen, sich zu besinnen und die Ämter von Putins Gnaden abzugeben. Erfolge dies nicht, sollte er die Konsequenzen tragen und von sich aus die Partei verlassen. Nach einem Ultimatum von ein bis zwei Wochen befürwortet Ortolf wegen des „definitiv parteischädigenden Verhaltens“ ein Parteiausschlussverfahren.