Alt-Kanzler Gerhard Schröder laufen die Mitarbeiter davon, weil er trotz des Krieges weiter für russische Firmen arbeiten will. Die Mitarbeiter seines Bundestagsbüros, das ehemaligen Kanzlern zusteht, schämen sich für die Halsstarrigkeit ihres Chefs und gehen. Zuerst hatte das Medienportal Pioneer die Nachricht vermeldet, die für den amtierenden Kanzler Olaf Scholz delikat ist. Denn laut Pioneer hat Schröders Büroleiter Albrecht Funk ein Rückkehrrecht in das Kanzleramt.
Diese Personalie ließe sich noch leicht lösen, indem Scholz Funk einfach einen Schreibtisch in die Regierungszentrale stellt und Papiere verfassen lässt. Misslich ist für den Kanzler, dass er dem Bericht zufolge entscheiden muss, ob sein Parteifreund und Ex-Chef neue Mitarbeiter bekommt oder nicht.
Opposition verlangt Auflösung von Schröders Büro
Die Kündigungen bei Schröder sind für die Opposition ein gefundenes Fressen. „Die Büromitarbeiter zeigen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine mehr Rückgrat als Herr Schröder“, sagte der CSU-Finanzpolitiker Sebastian Brehm. Er verlangte von Scholz, dem Alt-Kanzler und Gas-Lobbyisten das Büro zu schließen. „Es ist angesichts der Haltung Schröders im Krieg gegen die Ukraine jetzt der richtige Zeitpunkt, dessen Altkanzler-Büro aufzulösen.“

Die SPD-Chefs Saskia Esken und Lars Klingbeil drängen ihren Problemgenossen, auf die Mandate zu verzichten. Der 77-Jährige begründet sein Festhalten damit, dass trotz des Einmarschs in die Ukraine nicht alle Verbindungen nach Russland abgebrochen werden dürften. Der Druck auf die Parteispitze wächst mit jedem Tag, an dem der Krieg weitergeht. Im Internet werden erste Forderungen laut, Schröder aus der SPD zu werfen.
Auch Woidke und Schwesig in Erklärungsnot
Die Genossen haben aber nicht nur Schröder, der in den letzten Jahren in Treue zu Präsident Wladimir Putin stand, sondern eine ganze Riege Parteiprominenter, die sich jetzt in Erklärungsnot winden. Da sind etwa die Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (Brandenburg) und Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern). Schwesig hat zwar das Schweriner Schloss in den blau-gelben Farben der Ukraine anstrahlen lassen und verurteilte den Angriff, sagt aber dennoch: „Ich weiß, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger ein friedliches Zusammenleben mit all unseren Nachbarn im Ostseeraum wünschen. Auch mit Russland.“
Die 47-Jährige hat die Landtagswahl 2021 gewonnen und galt als Frau der Zukunft in der SPD. Doch das war vor dem russischen Angriff. Ihre Russland-Freundschaft könnte unangenehm an ihr hängen bleiben. Sie hatte extra eine von Gazprom gesponserte Klimastiftung gegründet. Geleitet hat sie ihr Vorgänger, Erwin Sellering. Auch er ist in der SPD. Ziel der Stiftung war es, dass die umstrittene Gasröhre Nord Stream 2 in Betrieb gehen kann. Mittlerweile liegen Stiftung und Pipeline auf Eis.
Der Brandenburger Woidke erklärte im Landtag mit belegter Stimme und Tränen in den Augen, dass er falsch lag. „Ich bin tief enttäuscht“, gab er zu und rief Putin auf, den Angriff zu beenden. Wenige Tage vor dem Losschlagen der Russen war es für ihn noch eine „gute Nachricht“, dass die große Raffinerie im brandenburgischen Schwedt vollständig in russischen Besitz übergegangen ist. In Schwedt endet eine Öl-Pipeline, die russisches Erdöl nach Westen bringt. Sie heißt Druschba, zu deutsch Freundschaft.
Mehrere Spitzengenossen haben sich historisch geirrt
Woidkes Vorgänger Matthias Platzeck kümmerte sich in den vergangenen Jahren als Vorsitzender des deutsch-russischen Forums intensiv um diese Druschba. „Nennen Sie es blauäugig, nennen Sie es naiv. (...) Damit muss ich leben“, zeigte sich der frühere SPD-Vorsitzende geknickt. Einen Feldzug Putins hielt er für undenkbar.
Schröder, Schwesig, Woidke, Platzeck haben sich historisch geirrt. Die vier aktiven und ehemaligen Spitzengenossen sind damit nicht alleine in ihrer Partei. Über Ex-SPD-Chef und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel und den früheren Partei-Vize Ralf Stegner haben wir noch gar nicht gesprochen.