Nachdem Bürgermeisterin Susen Katter in der jüngsten Ortschaftsratssitzung in Wahlwies von einer Zuhörerin eine kleine Spende für ein Frauenhaus in Stockach erhalten hatte, hat der SÜDKURIER nachgefragt: Ist tatsächlich ein Frauenhaus für Stockach geplant? Dabei zeigt sich auch, wie wichtig das Angebot für Stockach ist, was Frauen widerfahren ist, die das Angebot annehmen, wieso der Gang ins Frauenhaus vielen schwerfällt und warum es eigentlich mehr Beraterinnen bräuchte.
Die Bürgermeisterin erklärt, es gebe keine konkrete Planung für ein Frauenhaus in Stockach. Die Spende in Höhe von 5 Euro ist auch nicht der Geldsegen, den es dafür womöglich bräuchte. Doch man beobachte die Entwicklungen aufmerksam und setze sich dafür ein, dass betroffene Frauen schnell und unkompliziert Hilfe vor Ort erhielten. Sie verweist auf den Verein „Frauen helfen Frauen in Not“, der seit Anfang 2025 in Stockach zweimal pro Woche Hilfe und Beratung anbietet. Und dort zeigt sich, dass Gewalt gegen Frauen auch in Stockach ein Thema ist.

Im Verein arbeiten vier hauptberufliche Sozialpädagoginnen. Drei sind in Konstanz, Marie Schumann in Stockach. Einmal pro Woche darf sie einen Raum im Rathaus kostenlos für die Beratung von Frauen nutzen, berichtet sie. Marina Steiner, Sachgebietsleiterin Tief-, Wasser- und Straßenbau der Stadt Stockach und ehemaliges Mitglied im Vereinsvorstand, habe sich sehr dafür eingesetzt. Auch die Diakonie stelle kostenlos ein Büro zur Verfügung.
Darum suchen Frauen Kontakt zur Beratungsstelle
Die Gründe, aus denen die meisten Frauen zu ihnen kämen, seien überall ähnlich, so Schumann: häusliche Gewalt, sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung, Belästigung und Nötigung, Machtmissbrauch, starrende Blicke, ungewollte Sprüche im privaten Bereich wie auch am Arbeitsplatz.
Alle Fachkräfte sind für Konstanz und den Landkreis zuständig. Marie Schumann erklärt, sie sei hier, um die Kontaktaufnahme in Stockach und der Umgebung niedrigschwelliger zu gestalten und kurze Wege zu ermöglichen. Singen habe eine eigene Beratungsstelle. Schon jetzt werde deutlich, dass eine Person in der Außenstelle zu wenig sei. Leerlauf gebe es nicht.
Manche Frauen kommen mehrmals
Es seien nicht immer neue Frauen, die kämen. „Die Fälle sind oft sehr komplex. Man berät ein- oder zweimal, dann meldet sich die Frau vielleicht Monate später erneut. Es ist wichtig, Kontinuität zu bieten, um einen Gewaltausstieg zu ermöglichen.“ Sie müsse Vertrauen schaffen, den Beratungsprozess vorbereiten, aufbauen und im Idealfall nachbereiten.
Oft herrsche Zeitdruck, denn bei einer Gewaltbeziehung gehe es auch um viele andere Themen wie Kinder, Wohnungslosigkeit, finanzielle Abhängigkeit, viele Anträge, anwaltliche Unterstützung oder eine Migrationsthematik. „Gewalt und Beziehung stehen oft im Zentrum, aber es gibt riesige Themenblöcke drumherum, die alle berücksichtigt werden müssen.“
Die Stadt Konstanz und der Landkreis finanzierten ihre Arbeit als freiwillige Leistung, erzählt Marie Schumann und fügt hinzu: „Die Beratungsstelle gibt es seit über 30 Jahren, sie hat einen wichtigen Stellenwert. Man sieht den Bedarf jedes Jahr anhand der steigenden Fallzahlen.“
Welche Frauen sind besonders betroffen?
Die Frauen kommen aus allen Gesellschaftsschichten, weiß Schumann, die betont: „Gewalt kennt kein Alter, keine Nationalität, keinen Bildungsgrad und keinen finanziellen Status.“ Das Thema werde aus Scham oft tabuisiert und verschwiegen. Viel passiere hinter den Türen. „Das ist genau das Gefährliche: Häusliche Gewalt ist keine Privatsache. Sie ist ein Delikt und im Strafrecht verankert.“ Die Strategie zur Lösung sei, sie aus der Tabuisierung herauszuholen. „Wenn ich nebenan Gewalt höre, muss ich die Polizei holen. Das geht mich etwas an“, macht sie klar.
Das passiert, wenn die Polizei eingreift
Im Falle eines Polizeieinsatzes bei häuslicher Gewalt hat die Polizei wenige Notplätze, in denen das Opfer kurzfristig unterkommen kann. Falls die Bedrohungssituation nicht zu groß ist, kann die Frau vorübergehend vielleicht auch bei Verwandten oder Freunden bleiben. Wenn sie zu ihrem eigenen Schutz nicht in ihre Wohnung zurückkehren kann, wird sie an ein Frauenhaus vermittelt. Da in der Regel ihre Anonymität gewährleistet werden muss, muss sie dafür den Landkreis oder sogar das Bundesland wechseln.
Marie Schumann erläutert: „Es kommt auch darauf an, wo freie Plätze sind, ob Kinder oder Haustiere mitkommen.“ Auch die Finanzierung muss direkt geklärt werden. „So ein Platz ist nicht umsonst. Die Frauenhäuser müssen sich selbst finanzieren, es gibt Tagessätze. Ist die Frau jobcenterberechtigt, zahlt das Jobcenter. Hat sie gearbeitet, muss sie den Aufenthalt vom Arbeitslosengeld selbst zahlen.“ Falls erst Tage später ein passender Platz frei wird, finanziert der Verein aus Spendengeldern eine Notunterkunft, etwa in einer Pension. Marie Schumann sagt, sie seien daher dankbar für Spenden.
Frauenhaus ist der letzte Schritt
Je nach Situation muss sich die Frau vom Frauenhaus aus woanders ein neues Leben aufbauen und das bisherige hinter sich lassen. Vielen Menschen fehle die Empathie, die Bedeutung dieses krassen Schrittes zu sehen. „Auch den Frauen fällt das schwer. Wenn es nicht zwingend notwendig ist, versuchen wir immer, andere Wege zu finden“, so Marie Schumann.
Sie nennt auch weitere Möglichkeiten: „Die Person, die gewalttätig ist, muss gehen. Dafür gibt es einen polizeilichen Wohnungsverweis für 48 Stunden, den das Ordnungsamt auf zwei Wochen verlängern kann. Nach einem entsprechenden Antrag kann durch das Familiengericht die Wohnungszuweisung an die Frau erfolgen.“
Viele Fälle gehen sehr nah
Die Fälle der von Gewalt betroffenen Frauen lassen niemanden kalt. Marie Schumann sagt, ihr gingen Fälle sehr nahe, in denen das System beim Schutz der Frau ein Stück weit versagt habe. „Wir kämpfen täglich dafür, dass es besser wird.“