Der Widersinn drückt sich auch ganz emotionslos in nackten Zahlen aus. Tötet ein Mann seine Partnerin, wird er lebenslang eingesperrt. Das koste den Staat, finanziert durch die Öffentlichkeit, dann eine Million Euro, sagt Uwe Stürmer, Leiter der Polizeipräsidien Ravensburg und Konstanz.

Wie viel sinnvoller wäre es, das Geld in Prävention zu stecken, um zu verhindern, dass so etwas überhaupt passiert? Doch genau dies geschehe in Konstanz wenig, beklagen Stürmer und Christine Barth vom Leitungsteam des Konstanzer Frauen- und Kinderschutzhauses.

Theoretisch könnte das Team um das Frauenhaus aufatmen. Seit Februar gilt das Gewalthilfegesetz. In diesem ist ein Rechtsanspruch auf Beratung und Schutz verankert. Praktisch hat sich an der unsicheren Finanzierung des Konstanzer Frauen- und Kinderschutzhauses dadurch aber nichts geändert. Nach Angaben von Barth gibt es auch keinerlei Signal, dass dies schnell geschieht: „Unsere Angst ist, dass die Finanzierung nicht ausreicht.“ Das trifft wohl genau das Problem.

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Frauenhaus schlägt Alarm, denn das Geld ist knapp

Eine finanzielle Beteiligung des Bundes ist erst ab 2027 vorgesehen. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration des Landes Baden-Württemberg antwortet auf Anfrage einer SPD-Abgeordneten im April: Das Gewalthilfegesetz stelle zwar einen bedeutenden Schritt zum besseren Schutz vor häuslicher Gewalt dar.

Doch der Bund gebe bei weitem nicht genügend Geld, um die im Gesetz vorgesehenen Aufgaben zu bewältigen. Es handle sich um ein weiteres „Beispiel für eine nicht kostendeckende und lediglich zeitlich begrenzte Anschubfinanzierung durch den Bund.“ Bis Ende 2026 solle eine Bedarfsanalyse entstehen, der Rechtsanspruch soll ab 2032 gelten.

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Das Frauenhaus in Konstanz hat schon jetzt große Schwierigkeiten, alles bezahlt zu bekommen. In Baden-Württemberg fehle eine Basisfinanzierung. Es gebe zwar Fördermittel des Landes, aber im Wesentlichen lebten Frauenhäuser vom Tagessatz. Das heißt, für jede Person, die sie aufnehmen, bekommen sie rund 74 Euro pro Tag (zum Vergleich: ein Tag Gefängnis kommt auf 140 Euro).

Diese Finanzierung ist unkompliziert, wenn die Betroffene Bürgergeld bezieht. In anderen Fällen kann die Suche nach einer Stelle, die die Kosten übernimmt, zeitraubend oder gar erfolglos sein. Das betrifft vor allem Frauen in Rente, Studium, Asylverfahren oder mit Arbeitslosengeld.

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2024 wurden über 400 Fälle im Kreis Konstanz erfasst

Dabei ist das Problem groß, durch den Partner in der eigenen Wohnung traktiert zu werden. Im vergangenen Jahr wurden im Landkreis Konstanz mehr als 400 Fälle von der Polizei erfasst. Diese sind in die Kriminalstatistik eingegangen unter dem Punkt: „Opferzahlen häusliche Gewalt.“ Die Dunkelziffer dürfte riesig sein. Dagegen stehen 30 Plätze im Frauenhaus (zehn in Konstanz, zehn in Radolfzell, zehn in Singen). Lächerlich wenig, stellt Christine Barth fest.

„Man arbeitet an den Symptomen“, sagt Polizeipräsident Stürmer. Man kümmere sich um Frauen, die geschlagen wurden, dabei wäre es notwendig, vorher einzugreifen. „Je besser die Systeme funktionieren, desto eher gelingt es, Taten zu verhindern.“

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Wenn die Polizei zu einem häuslichen Streit mit Gewalt gegen die Frau gerufen wird, könne sie dem Täter einen Platzverweis erteilen. Er muss die Wohnung verlassen, nach dem Prinzip: „Wer schlägt, geht.“ Das gebe der Frau Raum und Zeit, sich weitere Schritte zu überlegen. Dabei müsse sie aber begleitet und beraten werden. Sonst sei der Platzverweis nur ein Strohfeuer.

Behörden und Polizei könnten weiteres machen, aber nur unter bestimmten Bedingungen: „Wir brauchen die Angaben des Opfers.“ Wenn die Gewalt nachgewiesen sei, könne zum Beispiel ein Annäherungsverbot erwirkt werden. Stürmer hält auch das soziale Training für Männer, die in der Partnerschaft Gewalt ausüben, für wichtig. So lernen Gewalttäter beim Projekt Kraft.akt in Ravensburg, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen.

  • Gibt es Warnsignale, die auf die beabsichtigte Tötung einer (Ex-)Partnerin hindeuten? Uwe Stürmer stellt sich seit Jahrzehnten diese Frage. Als Leiter des Polizeipräsidiums Ravensburg war er in ein Forschungsprojekt der Psychologischen Hochschule Berlin und der Deutschen Hochschule der Polizei eingebunden.
  • Das Ergebnis der polizeilichen Gefährdungsanalysen zu Tötungsdelikten in Partnerschaft und Familie bezeichnet er als „ernüchternd.“ Es seien komplizierte Bewertungsbögen entstanden, in denen abstrakte Dinge abgefragt werden. Für das Ausfüllen müssten Personen geschult werden. Das zeitlich aufwändige Verfahren sei sinnvoll, wenn man „Bauchweh“ oder ein „ungutes Gefühl“ habe. Treten deutliche Warnsignale zu Tage, seien Fallkonferenzen mit mehreren Behörden möglich. Man könne den Täter auch ansprechen und signalisieren: „Wir haben dich im Auge.“
  • Das Problem oft: Die Täter seien sozial angepasst. Aber Stürmer sagt: „Sie haben eine obsessive Fixierung auf das Opfer.“ Oft stehe ein archaischer Vernichtungswille dahinter: „Wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie niemand haben.“ Nach der Tat versuchten diese Männer, nichts zu verschleiern: „Die sagen genau, wie es war.“
  • Das kann jeder tun: Deutet eine Person an, sie wolle die Partnerin töten, die Polizei verständigen, am besten den Sachbearbeiter häusliche Gewalt. Tatauslöser können Veränderungen wie eine Trennung sein.
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Barth schildert verschiedene Erfahrungen mit der Polizei

Christine Barth sagt: „Ich habe das Gefühl, es gibt gute Gesetze. Würde man an der Umsetzung feilen, wäre uns viel geholfen.“ Auch wenn Gewalttaten gegen die Frau dokumentiert sind, werde einem Vater zum Beispiel fast nie der Umgang mit seinem Kind untersagt. Dies sei aber gefährlich für eine Frau, die untergetaucht ist. Kinder könnten sich beim Treffen mit dem Papa schnell verplappern, oder die Adresse des Frauenhauses sei in einer Akte nicht geschwärzt.

Sie habe es auch noch nie erlebt, dass ein Gewalttäter als Warnschuss in Haft genommen wurde, was unter bestimmten Voraussetzungen möglich wäre. Überhaupt habe sie unterschiedliche Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Es gebe spezialisierte Sachbearbeiter für Hochrisikofälle, die seien bestens informiert und verständnisvoll. Andere wiesen sie ab: „Ich kriege die Antwort: Wir sind keine Beratungsstelle.“ Barth hat den Eindruck: „Ich gehe denen auf die Nerven.“