Vor der Verhandlung stehen Staatsanwalt, Zeugen, Angeklagter und Verteidiger gemeinsam im Flur des Amtsgerichts Konstanz. Die Stimmung ist angespannt. Nach einer Weile kommt auch das Opfer mit ihren Eltern. Bevor der Prozess losgeht, ist die junge Frau nur ein paar Meter vom Täter entfernt. Von den eigenen Eltern abgeschirmt, versucht sie, in eine andere Richtung zu schauen.

Was wird dem Täter vorgeworfen?

In der Anklageschrift schildert der Staatsanwalt die Tat: Am 18. Mai 2024 soll es bei einem klärenden Gespräch zwischen dem damaligen Paar zu einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung gekommen sein. Diese habe sich in der Wohnung des Angeklagten zugetragen. Der Grund für das Gespräch: Der 23-jährige Angeklagte warf seiner damaligen Freundin vor, dass sie fremdgegangen sei. Vor Gericht stand er nun wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung.

Bevor es zu der Verhandlung kommt, erläutert Gerhard Zahner, Anwalt des Beschuldigten, dass sich das Paar aktuell in einer „On-Off-Beziehung“ befinde. Der Verteidiger habe das Ziel, „beiden die Aussage zu ersparen“, weshalb er eine Verständigung vorschlägt. Da diese nicht zustande kommt, hört Richterin Barbara Fischer-Muermans die Zeugen an.

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Zunächst sagt ein 26-jähriger Polizist aus. Er berichtet, dass sich der Täter nach der Gewalttat nicht beruhigen ließ und ihm gegenüber gestand: „Ja, natürlich habe ich sie geschlagen.“ Da der Vater des Opfers nach einem Anruf seiner Tochter ebenfalls zum damaligen Freund fuhr, war auch er als Zeuge geladen. Mit dem Angeklagten habe er eigentlich ein gutes Verhältnis gehabt. Kurz zuvor sei er an seinem Geburtstag mit ihm und der Familie in einem Restaurant gewesen. Vor Gericht sagt der Vater: „Bei mir braucht er nicht mehr anzukommen. Das ist eine rote Linie für mich.“

Das Opfer tritt in den Gerichtssaal

Als die 23-jährige Frau den Gerichtssaal betritt, wiederholt sie in ihrer Vernehmung den Tatvorgang so, wie er im Laufe des Prozesses bereits beschrieben worden war. Sie wisse nicht, warum der Angeklagte sie am 18. Mai 2024 beschuldigte, ihn betrogen zu haben. Als sie die Vorwürfe bestritt, sei ihr damaliger Freund eskaliert.

Sie erzählt: „Er hat mir ins Gesicht gespuckt, mich gewürgt und zugeschlagen.“ Währenddessen habe er sie wiederholt mit dem Tode bedroht. „Das Ganze fing am Esstisch an, ging auf dem Sofa weiter und endete an der Wohnungstür, wo ich dann zusammengebrochen bin“, sagt die junge Frau. „An dem Tag hätte ich ihm alles zugetraut. Auch, dass er mich umbringt“, so die Betroffene.

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Richterin Barbara Fischer-Muermans fordert die 23-Jährige dazu auf, nachzumachen, wie sie von dem Angeklagten misshandelt wurde. Detailliert werden Gewalttaten wie das Würgen und das Schlagen nachgestellt. Außerdem sagt das Opfer aus, ihr Peiniger habe eine Glastür zertreten und versucht, ihren Kopf in die Scherben zu drücken. Auch das soll sie nachspielen. Während die Richterin das Opfer ausführlich zur mutmaßlichen Tat befragt, atmet der Täter im Gerichtssaal oftmals schwer aus und blickt dabei das Opfer an.

„Inzwischen habe ich Albträume“

In ihrer Zeugenaussage erzählt die junge Frau, dass sich ihr damaliger Freund mehrere Tage nach der Tat bei ihr entschuldigte. „Danach ging er mehrmals zu einem Psychotherapeuten. Ich habe zwar weiterhin versucht, mit ihm zusammen zu sein, doch sobald er lauter wird, kommt die Angst wieder hoch. Inzwischen habe ich Albträume“, sagt sie. Für eine Beziehung mit ihr müsse er erst seine Eifersucht in den Griff bekommen.

Dieses ambivalente Verhältnis zum Täter führt der Verteidiger Gerhard Zahner an. In der Zeugenvernehmung fragt er die Betroffene, warum sie sich nicht gewehrt und aus der Wohnung gerettet habe. Sein Mandant habe ihr doch während der Tat explizit gesagt, dass sie gehen solle, sonst bringe er sie um. Doch sie blieb; und wollte während der Gewaltausübung ihres Partners unbedingt den Namen des vermeintlich anderen Mannes hören. Doch dieser fiel nie.

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Laut der Richterin sei im Polizeibericht zu lesen, dass die Frau geschockt war und schreien wollte, dies aber nicht mehr konnte. Schließlich kommentiert Verteidiger Gerhard Zahner die gesundheitlichen Auswirkungen der Gewalttat und lässt dafür den Arztbericht des Opfers verlesen. Er spricht davon, dass es sich eher um Ohrfeigen gehandelt habe und betont, dass es keine offenen Wunden gegeben habe.

Täter kommt mit Geldstrafe davon

Nach den Zeugenvernehmungen legt der 23-Jährige ein Geständnis ab. Er bestreitet zwar weiterhin Einzelheiten, entschuldigt sich dennoch für sein Verhalten: „An dem Tag war ich von Emotionen überwältigt, die ich so nicht kannte.“ Er wisse, dass er für seine Fehler geradestehen müsse. Für seine Taten fordert die Staatsanwaltschaft mindestens vier Monate Freiheitsentzug.

Die Richterin verurteilt ihn wegen Körperverletzung und Bedrohung zu 90 Tagessätzen zu je 65 Euro (5850 Euro). Außerdem muss er die Gerichtskosten tragen. Zwar glaubt Barbara Fischer-Muermans den Aussagen des Opfers; eine lebensgefährliche Situation lag ihrer Ansicht nach aber nicht vor.

Zugutegehalten wird dem Täter, dass er sich mit dem Opfer bereits vor der Verhandlung auf einen Ausgleich in Höhe von 2000 Euro geeinigt habe. Außerdem ist er nicht vorbestraft und befindet sich derzeit in einem auslaufenden Arbeitsverhältnis.

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Trotz des Urteils sieht die Richterin das Verhalten des Angeklagten „am untersten Rande dessen, wie man sich ein einer Beziehung verhalten sollte“. Die Tat spreche dafür, dass der Täter wenig von seiner damaligen Partnerin halte. Am Ende der Verhandlung richtet sie sich an Verteidiger Gerhard Zahner und sagt in Bezug auf sein Plädoyer: „Der Geschädigten kann kein Vorwurf gemacht werden, die Verantwortung liegt in erster Linie beim Täter.“