Queer und religiös – hierin besteht nicht nur für viele Gläubige innerhalb großer Religionsgemeinschaften ein Widerspruch. Auch nichtreligiöse Menschen stellen sich wohl mitunter die Frage, weshalb queere Personen Teil von Traditionen und Gemeinschaften sein wollen, die über Jahrhunderte hinweg eher konservative bis streng dogmatische Vorstellungen von Identität und Sexualität vertraten und vielerorts noch immer vertreten.

Vor diesem Hintergrund gab es eine Ausstellung in der Lutherkirche in Singen, zu deren Abschluss eine moderierte Gesprächsrunde stattfand. Mit queeren Personen, die offen über ihre Lebensrealitäten, Herausforderungen und Hoffnungen berichteten. Beide Veranstaltungen wurden maßgeblich von Vikar Kevin Hosmann gestaltet, der in einer Predigt auch sehr persönlich wurde.

Homosexueller Vikar sollte keine Beziehung haben

So sprach er offen über sein eigenes Coming-out während des Theologiestudiums, ein Schritt, der keineswegs überall auf Verständnis stieß. Mitglieder seiner christlichen Hochschulgruppe etwa ließen ihn wissen, es sei zwar „okay, schwul zu sein“, eine gleichgeschlechtliche Beziehung aber sei „zu viel“. Doch davon ließ sich Hosmann nicht entmutigen und tritt heute für mehr Offenheit innerhalb der Kirche ein.

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Dass Queerness und Religiosität für viele Menschen keine Gegensätze sind, sondern elementare Bestandteile ihrer Identität, war das zentrale Anliegen der Ausstellung „This is me – queer und religiös?“. Die vom Jüdischen Museum Rendsburg konzipierte Wanderausstellung machte im Hauptraum der Singener Lutherkirche unter dem dem Himmelszelt nachempfundenen Jugendstil-Gewölbe Station, nachdem sie bereits in Städten wie Kiel, Rostock und Berlin zu sehen war.

Im Mittelpunkt standen 14 im Raum verteilte Foto-Porträts von jüdischen, christlichen und muslimischen Menschen, die von autobiographischen Texten flankiert wurden. Darin berichteten diese ausführlich und ergreifend von der Beziehung zwischen ihrem queeren Leben und religiösen Glauben. Ergebnis war ein recht vielschichtiges Bild, das von dramatischen Coming-outs, Verlust von Freundschaften, aber auch von Verständnis erzählt.

Diskriminierung besteht bis heute

Gemeinsam ist den Berichten – neben dem offensichtlichen Mut der Porträtierten – vor allem eines: Sie reflektieren die historische und oft immer noch vorhandene Diskriminierung queeren Lebens von Seiten religiöser Gemeinschaften. Außerdem appellieren sie gleichzeitig dafür, diese Diskriminierung zu beenden.

Dabei verweisen sie zum einen auf die jeweils eigene starke persönliche Beziehung zu Gott, zum anderen auf die doch so zentralen Stellen in den heiligen Schriften. Diese zielen auf Toleranz, Nächstenliebe und Akzeptanz der Schöpfung in all ihren Formen ab. Spannend war hierbei vor allem, dass manche der Portraitierten selbst als Pastoren, Imame oder Rabbiner tätig sind. Sie senden somit sowohl an Gläubige wie auch Nicht-Gläubige die starke Botschaft, dass an einer Öffnung auch innerhalb religiöser Institutionen gearbeitet werde.