Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) steht im Kreuzfeuer der Kritik, weil er auch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine an seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verbindungen zu Wladimir Putin festhält. Schröder ist nicht der einzige Alt-Politiker in der EU, der seine Ruhestandsbezüge mit Aufsichtsratstantiemen aufbessert, aber kaum jemand bleibt trotz des Krieges den russischen Mandaten treu.

In Österreich tut es Schröder die – politisch allerdings weitaus unbedeutendere – ehemalige Außenministerin Karin Kneissl von der Freiheitlichen Partei gleich. Kneissl hatte 2018 Aufsehen erregt, als sie Putin zu ihrer Hochzeit einlud. Das Foto vom „Hofknicks“ nach einem gemeinsamen Walzer ging damals um die Welt. Als die türkisblaue Regierung platzte, verlor Kneissl ihren Job. Sie erhielt einen Aufsichtsratsposten im russischen Ölkonzern Rosneft und tauchte häufig im russischen Propagandasender „Russia Today“ auf, wo sie sich pro Putin äußerte.

Die Anhänger der FPÖ bleiben russlandfreundlich

Kneissl lebt inzwischen in Südfrankreich, ist von ihrem Mann getrennt und als Energieexpertin für Gas- und Öl international kaum noch gefragt. Schlagzeilen machten nur noch Ohrringe im Wert von 50.000 Euro, die sie angeblich von Putin als Hochzeitsgeschenk erhalten habe. Kneissl war als Parteilose von der Freiheitlichen Partei FPÖ mit Zustimmung von Kanzler Kurz zur Außenministerin gemacht worden. Und viele Anhänger der FPÖ vertreten heute noch russlandfreundliche Positionen, auch wenn der Freundschafts- und Kooperationsvertrag, den die FPÖ mit Putins Partei „Einiges Russland“ 2016 geschlossen hat, nach fünf Jahren auslief.

Kurz nach der Krim-Annexion 2014: Der damalige österreichische Präsident Heinz Fischer scherzt mit Putin in Wien.
Kurz nach der Krim-Annexion 2014: Der damalige österreichische Präsident Heinz Fischer scherzt mit Putin in Wien. | Bild: Herbert Neubauer/dpa

Wie eine vom Meinungsforschungsinstitut Unique research Ende April durchgeführte Umfrage zeigt, halten 57 Prozent der FPÖ-Wähler die Politik der österreichischen Regierung für zu ukrainefreundlich. Von der Gesamtbevölkerung sehen 40 Prozent die Ukraine-Politik der Regierung als richtig an. 23 Prozent halten sie für zu ukrainefreundlich, nur 17 Prozent für zu russlandfreundlich, obwohl Kanzler Karl Nehammer durch einen Besuch bei Putin die Kritik vieler Experten ausgelöst hatte.

Dazu passt, dass sich laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie und Datenanalyse angesichts des russischen Angriffs gegen die Ukraine die Haltung zur Neutralität nicht geändert hat. Anders als Schweden und Finnen sind die Österreicher zu 75 Prozent gegen einen Beitritt zur Nato, dafür sprechen sich nur 14 Prozent aus. Auch den Beitritt der Ukraine zur EU lehnen 46 Prozent ab, 37 Prozent – vor allem SPÖ, Grüne und Neos-Wähler – wären dafür.

80 Prozent des Gas in Österreich kommen aus Russland

Doch die Bevölkerung steht offenbar zu Österreichs traditionell engem Verhältnis zu seiner ehemaligen Besatzungsmacht Russland. Die Abhängigkeit vom russischen Gas ist groß, in Wien heizen etwa 50 Prozent aller Haushalte damit. Vom gesamten Gasverbrauch kommen 80 Prozent aus Russland. Die Gaslieferverträge wurden unter dem ehemaligen ÖMV-Konzernchef Rainer Seele und Kanzler Kurz erst 2018 bis 2040 verlängert.

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Hunderte russische Unternehmen, wie die inzwischen insolvente Sberbank und Lukoil, haben sich in Wien angesiedelt. Russische Oligarchen kauften sich in österreichische Unternehmen ein und legten Geld in Luxusimmobilien an. Dazu braucht es gute Beziehungen in die Politik.

Mehrere ehemalige Amtsträger in russischen Unternehmen engagiert

Sowohl Ex-SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern als auch der frühere ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, wie der ÖVP-Finanzminister Hans-Jörg Schelling nahmen gern lukrative Aufsichtsratsmandate in russischen Konzernen an. Schüssel hielt neben dem Lukoil-Mandat auch einen Sitz im RWE-Aufsichtsrat. Er wollte nach dem Angriff auf die Ukraine zunächst an seiner Tätigkeit im Board of Directors, einer Art Aufsichtsrat, des russischen Ölkonzerns Lukoil festhalten und argumentierte, Lukoil sei keine Staatsfirma und an der Londoner Börse notiert.

Doch nachdem der Ex-SPÖ-Kanzler und frühere Bahn-Chef Kern sein Aufsichtsratsmandat bei der russischen Staatsbahn RZD am 24.Februar zurückgegeben hatte, zog auch Schüssel Konsequenzen. Kern sagte, die RZD sei Teil der russischen Kriegslogistik geworden, er bedaure das zutiefst. Der ehemalige Finanzminister Schelling beriet nach seiner Zeit als Regierungsmitglied einige Zeit Gazprom.

Der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer war in einem regierungsnahen russischen Think Tank aktiv. Er beriet ehemalige Sowjetrepubliken wie Aserbaidschan oder Kasachstan. Heute ist er Aufsichtsratschef des Bauriesen Strabag. In dieser Funktion machte er öffentlich, dass die Strabag von sich aus auf Distanz zum russischen Miteigentümer Oleg Deripaska geht. Inzwischen wurden auch die von Russland entsandten Aufsichtsratsmitglieder abberufen. Schließlich steht der Bauriese auf der Sanktionsliste von Kanada und Großbritannien, beides wichtige Märkte für die Strabag.