Julius Bretzel

Damit man auch nach dem Arbeitsleben finanziell gut über die Runden kommt, gibt es in Deutschland das Konzept der Rente. Doch einen sonderlich guten Ruf hat die Alterssicherung nicht. Eine aktuelle Umfrage zeigt: Mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen glaubt nicht, dass die Rente in Deutschland sicher ist und ist daher bereit, länger zu arbeiten. Seit 2020 gibt es die sogenannte Grundrente neben der gesetzlichen Rente, die besonders bedürftige Rentner entlasten soll.

Doch bei vielen Rentnern scheinen die Einkünfte trotzdem nicht auszureichen, um sich das Leben im Alter zu finanzieren. Denn nun wurde bekannt, dass die Zahl der arbeitstätigen Rentner ein Rekordhoch erreicht hat: 1,4 Millionen Rentner arbeiten in ihrem Ruhestand weiter, fast 375.000 sogar mehr als nur in einer geringfügigen Beschäftigung.

Rente und Arbeit: Bartsch sieht „Armutszeugnis“

Die Zahlen stammen von der Deutschen Rentenversicherung und wurden vom Linken-Haushaltspolitiker Dietmar Bartsch bei der Bundesregierung abgefragt und haben den Stichtag 31. Dezember 2023, eine neuere Aufstellung gibt es bisher nicht. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete am Sonntag zuerst darüber.

Gegenüber RND sagte Bartsch: „Das ist ein Rekordwert und auch ein deutliches Warnsignal: Die gesetzliche Rente reicht für viele nicht mehr zum Leben.“ Für Deutschland, das Land mit der stärksten Wirtschaft Europas, sei es ein „Armutszeugnis“, dass das Rentenniveau zehn Prozentpunkte unter dem EU-Schnitt liege, zitiert RND den Haushaltspolitiker. „Österreich, die Niederlande oder Dänemark liegen bei über 80 Prozent, wir bei unter 50 Prozent. Kein Wunder, dass immer mehr Ältere weiterarbeiten – vielfach nicht, weil sie wollen, sondern weil sie müssen”, sagte der 67-jährige Linken-Politiker dem RND.

Arbeit neben der Rente: Nicht nur finanzielle Motivation

In Deutschland kann man während der Rente arbeiten – wenn man dabei einige Dinge beachtet. Seit dem 1. Januar 2023 dürfen etwa Frührentner so viel arbeiten, wie sie möchten, weil bei vorgezogenen Altersrenten die Hinzuverdienstgrenze weggefallen ist, bei der Erwerbsminderungsrente ist das dagegen anders.

Auch die Gründe, weshalb Menschen in ihrem Ruhestand weiterhin arbeiten, sind unterschiedlich. Für viele Rentner sind nicht unbedingt finanzielle Nöte der ausschlaggebende Grund, arbeiten zu gehen. Die Deutsche Rentenversicherung verwies auf eine repräsentative Umfrage zum Thema Alterssicherung in Deutschland aus dem Jahr 2023. Demnach werden „Spaß an der Arbeit und soziale Aspekte“ von den befragten Rentnern deutlich häufiger genannt als finanzielle Motive.

Übrigens: Früher aus dem Beruf ausscheiden oder sogar noch nach dem Renteneintrittsalter arbeiten – mit der sogenannten Flexi-Rente ist das möglich. 

Arbeit neben der Rente: Linke fordert „große Rentenreform“

Dietmar Bartsch sagte: „Natürlich gibt es zunehmend die, die fit bleiben und gern weiter arbeiten. Ja, Unternehmen profitieren von deren Erfahrung.“ Das dürfe nicht darüber hinwegtäuschen: „Die Bundesregierung will das ohnehin schon niedrige Rentenniveau nur kurzfristig einfrieren, nicht verbessern – und ignoriert damit die Lebensrealität von Millionen Menschen“, so Bartsch.

Der Linken-Politiker forderte deshalb eine „große Rentenreform“ mit einer Erwerbstätigenversicherung „nach österreichischem Vorbild, in die alle einzahlen – auch Abgeordnete, Beamte, Selbstständige“. Bereits von unterschiedlichen Seiten wurden in der Vergangenheit Stimmen laut, die fordern, dass auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, um dort mehr Beitragszahler zu generieren – auch wenn fraglich ist, ob Beamte das Rentensystem wirklich retten könnten.

Übrigens: Seit 2024 gibt es für rund drei Millionen Rentner mehr Geld. Bezieher einer Erwerbsminderungsrente können sich auf weitere Verbesserungen freuen