Die nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) hat den Standort Nördlich Lägern im November als den geeignetsten für den Bau eines geologischen Tiefenlagers in der Schweiz ausgewählt. Anfänglich waren sechs Standorte ins Rennen gegangen, das sogenannte Rahmenbewilligungsgesuch reichte die Nagra schließlich für Nördlich Lägern ein.

Im ersten Schritt prüften die Behörden das Gesuch dann auf Vollständigkeit. Nach der Überarbeitung einiger Punkte überreichte die Nagra das Gesuch nun erneut bei den Behörden ein. Gleichzeitig, drei Jahre vor der eigentlichen Auflagephase, veröffentlichte die Genossenschaft das Rahmenbewilligungsgesuch auf ihrer Internetseite. So solle möglichst früh eine fundierte und breite Debatte zum Thema entstehen können.

Noch gibt es hier vor allem grüne Wiesen auf den Feldern in der Region nördlich Lägern. Hier ein Archivbild aus dem Jahr 2023.
Noch gibt es hier vor allem grüne Wiesen auf den Feldern in der Region nördlich Lägern. Hier ein Archivbild aus dem Jahr 2023. | Bild: Elisa-Madeleine Glöckner

Verein äußert Bedenken am Vorhaben

Die beiden Vorsitzenden des Vereins Loti (Nördlich Lägern ohne Tiefenlager), Thomas Feer und Rosi Drayer, schätzen die frühe Veröffentlichung. Sie teilen in einer Medienmitteilung bereits jetzt, in diesem frühen Stadium, ihre Bedenken am Vorhaben mit. „Das Tiefenlager erscheint in Modellrechnungen als sicher und verlässlich. Testen lässt sich dieses Konzept aber nicht. Noch nie hat der Mensch einen Bau mit einem Zeithorizont von einer Million Jahre geplant – geschweige denn realisiert“, steht darin geschrieben.

Die Lagerbehälter sollen gemäß Nagra bis zu 10.000 Jahre dicht sein. Danach könnte Korrosion die Hülle aufgelöst haben und das radioaktive und giftige Material so in das Gestein gelangen. Auch die Anflugschneise des Flughafens Zürich direkt über der Oberflächenanlage des Tiefenlagers sehen die Vereinsmitglieder als Problem: „Ein Flugzeugabsturz kann Lagerbehälter aufbrechen und hochaktive Brennstäbe freilegen.“

Außerdem wünschen sich Drayer und Feer, dass die Gewässer unter der Erdoberfläche in dem Gebiet genauer erforscht werden: „Aus der Tiefe steigen die Thermalwasser von Zurzach, Baden und weiteren Bäderstädten entlang des Rheins auf. Wo genau diese Wässer im Gestein fließen, ist ungenügend abgeklärt. Es könnte sein, dass die wasserführenden Schichten über und unter dem Opalinuston mit den Thermalwässern verbunden sind.“

Risiken von Stunde eins an thematisieren

Doch selbst wenn sich der Standort Nördlich Lägern am Ende des Tages durchsetzen sollte und das Tiefenlager dort gebaut werden sollte, dürfte es noch Jahrzehnte dauern, bis dort atomarer Müll eingelagert werden kann. Was also treibt die Mitglieder des Vereins Loti an, sich der kräftezehrenden Aufgabe, die Pläne um das Lager genau im Auge zu behalten, bereits jetzt zu widmen?

An dieser Stelle könnte in Zukunft das Tiefenlager entstehen.
An dieser Stelle könnte in Zukunft das Tiefenlager entstehen. | Bild: Schönlein, Ute

„Wir versuchen, kritische Punkte zu greifen und den Finger draufzulegen“, sagt Drayer. In ihrer Funktion als Gemeinderätin ist es ihr wichtig, trotz des langen Zeitraums schon jetzt auf Risiken aufmerksam zu machen und die Entwicklungen im Blick zu behalten. „Wir wollen rechtzeitig unsere Kritik in das Verfahren miteinbringen“, erklärt sie. Das Thema Tiefenlager ist nicht die einzige Belastung für die Gemeinde am Hochrhein: Seit Jahren lastet der Flugverkehr von und nach Zürich auf den Bürgern. Von Anfang an habe die Stimmung bei vielen Bürgern in Hohentengen gelautet: „Jetzt kriegen wir das auch noch.“

Loti-Mitglieder hoffen auf strenge Prüfbehörde

Thomas Feer und Rosi Drayer glauben nicht, dass sie das Vorhaben verhindern können. „Wir wollen das Beste für die Region herausholen und den Prozess verbessern. Denn vergraben und vergessen – das geht schief.“ Es brauche Menschen, die das Verfahren im Blick behalten. „Für mich ist das auch eine Form der Demokratie“, so Drayer.

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Eins stimmt Drayer besonders traurig: „So wenige Jahre Kernenergie und so viel Müll. Wir haben wenigstens noch den Strom, künftige Generationen haben nur noch die Altlasten.“ Für das laufende Verfahren wünschen sich die beiden, dass die Prüfbehörden streng sind und genau hinschauen. Eine Stellungnahme auf das Rahmenbewilligungsgesuch von Seiten des Vereins steht noch aus.