2050 soll es so weit sein. Dann wird voraussichtlich der erste Atommüll im geplanten Tiefenlager Nördlich Lägern entsorgt werden. Im November hat die schweizerische Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) ihr Rahmenbewilligungsgesuch für die knapp drei Kilometer von Hohentengen entfernte Anlage eingereicht.

Damit ist die erste von drei Prüfungsphasen erreicht. Da die Bewohner der grenznahen deutschen Gemeinden ebenso betroffen sind wie die der Schweiz, soll den Deutschen eine umfangreiche Beteiligung ermöglicht werden. Deshalb hatte das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) gemeinsam mit den Schweizer Akteuren am Montag zum Informationsabend in der Stadthalle Waldshut geladen.

Thekla Walker, Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg
Thekla Walker, Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg | Bild: Jannic Hofmuth

„Sicherheit muss an erster Stelle stehen“, sagte Thekla Walker, baden-württembergische Landesministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, in ihrer Rede. Wie ein Mantra wurde dieser Satz vor allem von deutscher Seite über den Abend hinweg wiederholt. Bemerkenswert war jedoch der Halbsatz, den Walker an diese Aussage knüpfte: „Kosten dürfen dabei keine Rolle spielen.“ Christian Kühn, Präsident des Base betonte, dass das Mitspracherecht der deutschen Gemeinden dem der Schweizer gleichgestellt sei.

Fakten auf dem Tisch

Von Schweizer Seite versicherte Philipp Senn, Pressevertreter der für die Endlagersuche beauftragen Genossenschaft Nagra: „In diese Gesuche ist die Forschung von Jahrzehnten eingeflossen. Die Fakten liegen nun auf dem Tisch.“ Der Standort Nördlich Lägern an der deutschen Grenze sei die sicherste Option. Dort komme das Gestein Opalinuston vor, das für die Lagerung von atomaren Abfällen ideale Bedingungen vorweist. Im Gegensatz zu anderen Regionen in der Zentralschweiz, in denen Opalinuston vorkommt, liege die Schicht nördlich des Lägern hoch genug, um sie sinnvoll baulich erreichen zu können.

Auf einer Fläche von drei Quadratkilometern sollen hunderttausend Kubikmeter mittelaktive Abfälle gelagert werden. Sicher anfallen werden zunächst nur vierzigtausend Kubikmeter. Für die hochaktiven Abfälle beantrage die Nagra zweieinhalbtausend Kubikmeter Volumen, von denen gute anderthalbtausend aktuell gebraucht würden. Der geplante Raum hätte das Volumen eines Fünfzig-Meter-Schwimmbeckens.

Neben dem für das Tiefenlager stellt die Nagra einen Antrag für eine Verpackungsanlage für Brennstäbe in der Gemeinde Würenlingen (Kanton Aargau). Die Anlage ist somit südöstlich der Kraftwerke Leibstadt und Beznau geplant.

2050 als Zeitpunkt X

David Erni vom Bundesamt für Energie (BFE) der Schweiz stellte klar, dass das Rahmenbewilligungsgesuch nur der erste Schritt im Prüfungsprozess ist. 2028 komme es zu einer öffentlichen Auslegung, bei der Bürger aus der Schweiz und Deutschland innerhalb von drei Monaten Beschwerden einreichen können. Sollte alles reibungslos laufen, könnten frühestens 2050 das erste Mal radioaktive Abfälle im Lager entsorgt werden. Landrat Martin Kistler sagte in seiner Rede: „Diese Zeitdimensionen erfordern Demut.“

David Erni, Sektionsleiter Kernenergierecht im Bundesamt für Energie (BFE)
David Erni, Sektionsleiter Kernenergierecht im Bundesamt für Energie (BFE) | Bild: Jannic Hofmuth

Bis dorthin sind sowohl auf Schweizer als auch auf Seite der deutschen Gemeinden noch einige Entscheidungen offen. Um für einen durchgehenden Austausch zwischen den Vertretern beider Seiten zu sorgen, gibt es die Regionalkonferenz Nördlich Lägern. „Wir versuchen, alle 43 betroffenen Gemeinden zu repräsentieren“, versprach Vorstandsmitglied Christopher Müller.

Regionalkonferenz Nördlich Lägern
Regionalkonferenz Nördlich Lägern | Bild: Jannic Hofmuth

Was ist die Regionalkonferenz?

In einer konkreten Forderung der Deutschen, steckt Konfliktpotenzial. Die anliegenden Gemeinden, wie Hohentengen wünschen sich Abgeltungen im Ausgleich dafür, dass sie das Endlager in der Nachbarschaft dulden.

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Hohentengens Bürgermeister Jürgen Wiener machte klar: „Wenn wir es uns aussuchen könnten, bräuchten wir weder ein Tiefenlager noch Geld. Aber wenn das eine kommt, muss auch das andere folgen.“ Prinzipiell sei die Schweiz auch zu Zahlungen bereit, sagte David Erni (BFE). „Doch dabei handelt es sich um freiwillige Zahlungen“, fügte er hinzu. Deshalb werde über die Summen noch verhandelt.

Stimmung in der Region

Grundsätzlich sei die Stimmung in Hohentengen gemischt, meinte Jürgen Wiener in der Podiumsdiskussion: „Natürlich gibt es einige Bürger, die die Vorgänge ablehnen. Wieder andere haben ein gewisses Vertrauen in das Verfahren.“ Doch dieses Vertrauen könne auch verspielt werden. „Es darf nicht passieren, dass Prozesse intransparent werden“, warnte er.

Außerdem ermutigte er alle Gemeindemitglieder, sich in das Projekt einzumischen. Dabei fiel ihm eine Sache besonders auf: „Ich sehe heute nur sehr wenige junge Gesichter.“ Mit seinem Appell an die junge Generation, sich in die Entscheidungen einzubringen, die sie betreffen, traf Wiener offenbar einen Nerv. Applaus kam von den knapp 300 Anwesenden, unter denen der Altersdurchschnitt tatsächlich schätzungsweise zwischen 60 und 70 lag.

Fragen immer willkommen

Im Anschluss an ihre Redebeiträge und Podiumsdiskussionen stellten sich die Experten den Fragen aus dem Publikum. Weshalb die Grenzregion für deutsche Endlager ungeeignet sei, erklärte Philipp Senn von der Nagra abermals mit der Lage des Opalinuston. Das Gestein liege auf deutscher Seite zu weit an der Oberfläche, weshalb die Entscheidung der deutschen Experten nachvollziehbar sei. Das Hegau sei aufgrund der vulkanischen Aktivitäten zu problematisch. In der Nordschweiz gebe es keine vergleichbaren Störfaktoren.

Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) wollte wissen, wieso bei so einer wichtigen Angelegenheit kein Staatsvertrag geschlossen werde. Eine Antwort erhielt sie aus Zeitgründen nicht mehr.

Das schließt die Beantwortung allerdings nicht aus. Denn vor dem Ende des offiziellen Teils wies Moderatorin Hanna Seitz daraufhin, dass jederzeit die Möglichkeit bestehe, Fragen unter schweiz@base.bund.de an das Bundesministerium zu senden.

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