Lieber Amateurkicker,
ja Du, ganz egal, ob Du nun Werner, Michael, Sedat oder Giovanni mit Vornamen heißt. Es spielt auch keine Rolle, in welcher Amateurliga Du spielst. Es geht eigentlich auch nicht um das, was am vergangenen Wochenende beim FSV Münster passiert ist. Dort wurde ein Schiedsrichter niedergeschlagen. Einfach so niedergeschlagen. Von einem Spieler, dem er zuvor die Gelb-Rote Karte gezeigt hatte. Nun, Münster ist weit weg. Ich will auch nicht über diesen Einzelfall hier schreiben. Es geht mir um das, was bei uns jedes Wochenende auf den Fußballplätzen der Region los ist. Bei uns werden keine Schiedsrichter niedergeschlagen. Vor einem Jahr wurde einem Schiedsrichter am Hochrhein Gewalt angedroht, seither herrscht aber weitgehend Ruhe. Oder doch nicht?
Meckern gehört dazu
Ein Fußballplatz ist keine Opernhaus-Empfangshalle. Arbeitersport eben. Geradeheraus, manchmal vulgär, oftmals auch mehr. Meist stört mich das nicht, weil vieles davon einfach dahergesagt ist, weil die Bruttler am Seitenrand schon den Anpfiff kritisieren. Hier wird des Meckerns wegen gemeckert. Und man muss nicht jede Ziege am Seitenrand beachten, wenngleich sie ein bescheidenes Vorbild abgibt.
Auffällig ist aber, wie sich die Atmosphäre auf dem Platz in den vergangenen Jahren verändert hat. Ich kann mich beispielsweise an kein Spiel erinnern, bei dem gefühlt nicht jede Schiedsrichterentscheidung von einem oder mehreren Spielern infrage gestellt wurde. Das Schauspieltalent mancher Kicker ist in der Kreisliga zudem weit ausgeprägter als das technische Vermögen am Ball. Und es wird gnadenlos ausgenützt, um den Unparteiischen zu beeinflussen. Fällt der nicht darauf herein, ist er schnell ein „Blinder“, „Idiot“ oder noch was Schlimmeres.
Beim Rugby geht es doch auch
Warum gehen wir eigentlich so mit denen um, die uns helfen? Warum werden Rettungskräfte angemacht, die uns beistehen? Warum Schiedsrichter, ohne die kein Spieler seinem Hobby nachgehen könnte?
Lieber Amateurkicker, warum spielst Du eigentlich Fußball? Hat es was mit Spaß zu tun? Falls nicht, lass es doch einfach sein. Noch eine Frage: Gehst Du jeden Freitag und Samstag um 22 Uhr ins Bett, verzichtest auf Alkohol und fettiges Essen, um am Wochenende Deine beste Leistung zu bringen? Das machst Du nicht? Warum erwartest Du aber, dass der Schiedsrichter, der die Partie von Dir und Deinen Kumpels leitet, Champions-League-Niveau haben muss? Gestehst Du für jeden Fehlpass, den Du spielst, dem Schiedsrichter auch eine Fehlentscheidung zu? Nein, das machst Du nicht, oder? Und dass man Probleme nicht mit Gewalt löst, versteht sich von selbst. Gewalt beginnt aber eben bereits in Gestik und Sprache. Beim Rugby geht es doch auch. Da kassiert ein Spieler vom Typ „Sibirischer Bär“ eine Strafe. Von einem Schiedsrichter, der körperlich eher der „Herr der Ringe“-Hauptfigur ähnelt. Und es gibt kein Gelaber. Keines!
Immer weniger Schiedsrichter
Lieber Amateurkicker, ohne Schiedsrichter gibt es keine Spiele. Die Sportsfreunde mit der Pfeife haben aber immer weniger Lust auf die teilweise aggressive Atmosphäre. In den Jugendklassen müssen immer häufiger Väter ohne Schiedsrichter-Ausbildung aushelfen. Zeit, das eigene Verhalten zu hinterfragen!
Mit sportlichen Grüßen
Dirk Salzmann,Sportredakteur