Gänsehaut. Glücksgefühle. Jubel. Freudentränen. Schöne Erinnerungen.

Gänsehaut. Traurigkeit. Schluchzen. Abschiedstränen. Wehmut.

Alles wird sein am Freitagabend im Freiburger Europa Park-Stadion, wenn der Sport-Club antritt gegen den VfL Wolfsburg (20.30 Uhr). Vor allem aber auch: Respekt und Verehrung.

Dieser Freitag ist kein Tag wie jeder andere. Nils Petersen absolviert sein letztes Heimspiel für den SC Freiburg. Ein Vorname, ein Nachname, eine Liebeserklärung. Zu hören, zu sehen, zu spüren sein wird ein letztes Mal das besondere Ritual bei der Bekanntgabe der Mannschaftsaufstellung.

„Petersen Fußballgott“

„Mit der Nummer 18: Nils“, wird Stadionsprecher Claus Köhn rufen und die Menge geradezu ekstatisch zwei Worte in die Arena donnern: „Petersen Fußballgott“. Für einen kurzen, aber intensiven Moment wird sich ein gutes, schönes, vielleicht sogar überwältigendes Gefühl einstellen, ein Gefühl, das im Grunde steht für die tolle Entwicklung, die der SC Freiburg zuletzt genommen hat.

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„Mit und dank Petersen begann eine Entwicklung, die bis heute anhält“, kommentierte ein Leser der Badischen Zeitung im Januar 2023 eine Story über den Stürmer, der da noch nicht entschieden hatte, seine Karriere zu beenden.

Zwei Monate später erklärt Petersen dann seinen Rücktritt – auf seinem Instagram-Account, auf dem er bis dahin wenig Sensationelles und schon gar keine kitschigen Selbstinszenierungen gepostet hatte.

Keine Auto-Protzbilder, keine goldenen Steaks, keine Fashionshows, dafür die Info, dass er seiner Schwester, Busfahrerin in Wernigerode, einen Besuch abgestattet hat. Und dann dies: „Nach knapp 16 Jahren Profifußball hänge ich die Schuhe nach Saisonende schweren Herzens an den Nagel.“

Meistens nur der Platz auf der Bank

Schweren Herzens? Ja, auch mit 34 fühlt sich Nils Petersen als Leistungssportler, will er der Mannschaft helfen. Weil aber eben diese Mannschaft inzwischen viel stärker geworden ist, bleibt dem Fußballgott meistens nur der Platz auf der Bank.

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Als er beim Freiburger 2:0-Sieg im DFB-Pokal-Achtelfinale in Sandhausen kicken darf und den Ball nach einem Fehlpass des Sandhäuser Torwarts per Direktabnahme in den Winkel zimmert, lässt er anschließend in seine Seele blicken. „Ich bin ein Vollstrecker“, sagt er, „und wenn man lange nicht getroffen hat, sehnt man sich einfach nach diesem Erfolgserlebnis.“

Von den Mitspielern mit Lob überschüttet

Die Rücktritts-Nachricht schlägt Wellen. Von den Mitspielern wird Petersen mit Lob überschüttet – und von Trainer Christian Streich geadelt: „Der Nils hat eine großartige Karriere gemacht. Er war immer ein total integrativer Faktor, einfach ein sehr, sehr guter Typ.“

Und nun? Heute noch und am 27. Mai in Frankfurt, dann ist Schluss, was auch passt. Denn gegen die Eintracht begann am 31. Januar 2015 Petersens Weg beim SC. Beim Stand von 0:1 eingewechselt, erzielte er nach Daridas Ausgleich einen Hattrick zum 4:1-Sieg, ein Tor mit links, eins per Kopf, eins mit rechts – wie es sich gehört für einen wahren Stürmer. In Summe kommt der Vollstrecker auf 104 Treffer und ist damit bester Torschütze aller Zeiten beim SC Freiburg. 33 seiner 68 Bundesligatore erzielte Petersen als Einwechselspieler, er ist mit Abstand bester Joker der Liga.

2015 auch in Liga zwei dabei

Darin verbirgt sich aber auch ein Dilemma. Denn der Joker spielt eben nicht von Anfang an, was der Vollstrecker aber gerne würde. Christian Streich, feinfühlig für das Wohl des Spielers, aber auch des Teams, hat dies so beschrieben. „Ich hab oft zu ihm gesagt, Nils, wenn ich dich zweimal hätte, würdest du anfangen und nach 60 Minuten würde der zweite eingewechselt werden.“ Ein wunderbares Kompliment.

Nils Petersen Fußballgott? Weil er der Super-Joker war? Weil er nach dem Abstieg 2015 mitging in Liga zwei und mit 21 Toren maßgeblich beteiligt war am Wiederaufstieg?

Weil er ein ehrlicher Kerl ist und immer mit beiden Beinen auf dem Boden blieb trotz all seiner persönlichen Erfolge, zu denen auch die zwei Länderspielberufungen 2018 und die Silbermedaille bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro zählen? Weil es ihm gefällt in Freiburg und der Region, wo er mit seiner Frau in Kirchzarten ein Haus gebaut hat, das Lebensmittelpunkt bleiben soll? Oder vielleicht doch, weil alles zusammen so kam und ist?

Es bleibt ein Hauch von Unerklärlichkeit, aber das ist okay. Alles Gute für den Fußballgott!