Herr Berg, Sie sind in diesem Jahr zum dritten Mal bei Olympischen Spielen am Start. Herrscht noch die gleiche Vorfreude wie bei den ersten beiden Malen?
Nein, auf keinen Fall. Das erste Mal war schon speziell, da bin ich 2014 in Sotschi mit staunenden Augen rumgelaufen, das war beim zweiten Mal 2018 in Pyeonchang schon weniger.
Die Spiele dieses Jahr werden sehr speziell, da kann ich gar nicht richtig von Vorfreude reden. Es ist zwar das größte Sportevent, das es gibt, aber die Gefühle sind schon zwiegespalten.
Es werden keine Zuschauer da sein, die Wettkämpfe finden in keinem typischen Wintersportgebiet statt. Glauben Sie, dass überhaupt Olympiafeeling aufkommen wird?
Ich befürchte nicht. Der Kontakt zu anderen Sportlern, Nationen, Sportarten, das, was das Leben im Olympischen Dorf ausmacht, wird schwierig zu realisieren sein. Außerdem läuft auch immer die Angst mit, sich anzustecken und nicht teilnehmen zu können.
Machen Sie sich Sorgen wegen der Umstände in China in Bezug auf Einhaltung der Menschenrechte, abgehörte Handys etc.?
Grundsätzlich macht man sich natürlich schon Gedanken, das bleibt nicht fern. Man ist Teil des Ganzen, wenn man an den Olympischen Spielen teilnimmt. Ich glaube, jeder Sportler würde sich wünschen, dass sie in anderem Land stattfinden und dass in einem Gastgeberland von Olympischen Spielen andere Verhältnisse herrschen.
Ich glaube aber auch, dass der Olympische Gedanke völkerverbindende Wirkung haben kann. Da hat das IOC jedoch bei den letzten drei Spielen Fehler gemacht. Die verbindende Wirkung des Sports kommt nicht mehr zur Geltung, weil politische Themen die Berichterstattung dominieren.
Wäre ein Boykott aus Ihrer Sicht richtig gewesen?
Nicht darüber zu reden, geht natürlich nicht, es ist aber komisch, dass immer zu den Spielen die Themen hochkochen, zwischendrin aber eher weniger.
Ein Boykott? Schwierig. Warum sollen Sportler die Olympischen Spiele in China boykottieren, wenn deutsche Firmen Handelsbeziehungen mit dem Land haben? Wenn schon ein Boykott, dann sollte man ihn auch von Wirtschaft und Politik fordern. Dann sollte es die gesamte deutsche Olympiamannschaft machen.
Wenn ich allein nicht teilnehme, habe ich keinen Kaderstatus für die kommende Saison mehr, die Sporthilfe fällt weg, meine Behördenstelle. Ich würde meine ganze Existenz als Spitzensportler aufs Spiel setzen. Das fordert fast zu viel von uns Sportlern. Es ist nicht unsere Schuld, dass die Spiele dahin vergeben wurden.
Haben Sie Angst vor einer möglichen Quarantäne?
Du kommst ja fast nicht drum rum. Der Verband achtet darauf, wir müssen darauf achten. Angst würde ich nicht sagen, aber ein Quarantänehotel in China brauche ich auch nicht unbedingt. Am liebsten würde ich meinen Wettkampf machen und schnellstmöglich wieder nach Hause fliegen.
Was erwartet Sie in China? Die gesamten Sportanlagen wurden neu aus dem Boden gestampft.
Wir hatten einen Testwettkampf Ende November dort, an dem ich aufgrund meiner Verletzung nicht teilnehmen konnte. Unser Team war aber da und konnte davon erzählen. Die Strecke ist im Vergleich zu Südkorea 2018 wesentlich unspektakulärer, auf der anderen Seite aber auch sicherer.
Die Organisation war wohl nicht so schlecht, An- und Abreise müssen schwierig und nervenaufreibend gewesen sein. Es gibt halt keinen Schnee dort. Das ist ein grüner Hügel mit Kunstschnee. Mit Wintersportgebieten, wie wir sie kennen, hat das nicht viel zu tun.

Sie waren rund um den Jahreswechsel im Weltcup in starker Form. Wie haben Sie das so schnell geschafft nach Ihrer Verletzung am Sprunggelenk?
Das kann ich so auch nicht sagen (lacht). Im Endeffekt war es ein ambitioniertes Unterfangen, die Olympia-Qualifikation zu schaffen. Ich war vor dem ersten Wettkampf der Saison sehr skeptisch, ob es in diesem Winter überhaupt möglich ist, erfolgreich Snowboardcross zu fahren. Ich hatte nicht viel zu verlieren, meine Erwartung war nicht, vorne mitzufahren. Vielleicht konnte ich dann auch ein bisschen von meiner Erfahrung profitieren.
Wie stehen nun die Chancen in China? Gehören Sie nach den Weltcupplätzen sieben in Italien und vier in Russland automatisch zu den Medaillenkandidaten?
Zu den Favoriten gehöre ich nicht. Das wäre vermessen nach drei gefahrenen Rennen und nur einem Drittel an Schneetagen wie sonst. Ich konnte zuletzt in Russland nur einen Wettkampf fahren, den zweiten musste ich wegen Schmerzen absagen. Das ist weiter eine sehr fragile Angelegenheit.
Ich habe mit der Qualifikation das erreicht, was realistisch war für diese Saison. Trotzdem ist Snowboardcross ein Sport, der schwer vorherzusehen ist und in dem alles passieren kann. Ein Rennen, da ist alles möglich.
Dieses Jahr feiert das Mixed seine Olympische Premiere. Ist es da nicht besonders schade, dass Ihre Schwester Luca nicht mehr aktiv ist?
Ich hätte nichts dagegen gehabt, mit ihr im Olympischen Mixed zu starten. Das wäre sicherlich ein bisschen kitschig gewesen, aber das hätten wir in Kauf genommen.

Werden Sie Ihr Glücksbringer-T-Shirt mit nach Peking nehmen, und was hat es damit auf sich?
Es hat damit gar nichts Besonderes auf sich. Ich verbinde einfach gute Erlebnisse damit. Wenn ich es anziehe, habe ich ein gutes Gefühl, wenn ich an den Berg fahre.
Ich würde das aber nicht überbewerten. Ich werde es schon einpacken, obwohl ich es dieses Jahr noch nicht so viel anhatte. Wer weiß: Vielleicht finde ich ja einen neuen Glücksbringer für dieses Jahr.
Vor Ort darf Sie niemand unterstützen. Werden Freunde und Familie das Olympische Rennen zuhause am TV verfolgen?
Ich denke mal. Meine Mama tut sich immer schwer, meine Rennen anzuschauen. Ihr ist das zu spannend, sie packt die Sportart Snowboardcross nervlich nicht. Papa, meine beiden Schwestern, meine Freundin und unser knapp ein Jahr alter Sohn werden aber zuschauen, davon gehe ich aus.
Wie sieht Ihr Fahrplan für die nächsten Wochen aus? Begeben Sie sich in Isolation, oder feilen Sie weiter unter Leuten an Ihrer Form wie in Nicht-Covid-Jahren?
Wir haben nächste Woche noch einen Weltcup in Cortina d‘Ampezzo und davor einen Tag Training auf der Reiteralm. Zwischen Cortina und der Anreise nach China ist nur ein Tag. Da werde ich gar nicht mehr richtig nach Hause gehen, sondern direkt in der Bubble bleiben bis zum Abflug – hoffentlich.