Auf dem Bild ist ein kleiner Junge in einem weißen Trikot zu sehen, die grüne Hose fällt kurz aus, so wie es eben bis vor einigen Jahren noch in Mode war. Florian Liebegott hat die Aufnahme aus längst vergangenen Tagen in seinem Archiv gefunden. „Fünf oder sechs Jahre war ich da wohl alt“, vermutet der inzwischen 32-Jährige. Es ist ein kalter Januartag, auf den Hegauhöhen im Hintergrund liegt Schnee, und wann im Mindlestal wieder Fußball gespielt wird, ist ungewiss. Aber wenn es soweit ist, wird Florian Liebegott dabei sein.
Gut, wer weiß schon, was die Zukunft bringt. In wenigen Wochen beginnt der Hausbau der Familie, außerdem erwartet er mit seiner Frau im Mai Nachwuchs. Der Liebegott bekommt einen Sohn, weiß man längst im Verein – und rechnet fest damit, dass der Filius beim FC Steißlingen als Mitglied angemeldet wird, sobald die Nabelschnur durchtrennt ist.

Der werdende Papa ist schließlich ein Urgestein des Clubs, ein Steißlinger durch und durch. Einer, der noch nie für einen anderen Club gespielt hat. „Angebote gab es zwar schon“, erinnert sich der Fan des SC Freiburg. „Aber ich gehöre hier her.“
Er sagte allen Vereinen ab, die ihn haben wollten
Statt neuer Erfahrungen bei einem anderen Club, war er so an allen großen Momenten der Steißlinger Clubgeschichte der vergangenen Jahre beteiligt. Am Aufstieg in die Bezirksliga vor drei Jahren, als man in der kompletten Saison in der Kreisliga A ohne Niederlage geblieben war.
Von der rauschenden Feier nach dem letzten Saisonspiel in einer lauen Sommernacht schwärmt heute noch jeder, der damals dabei war. Beim ersten Punktgewinn nach der Meisterschaft, einem 2:2 gegen Nordstern Radolfzell in der neuen Spielklasse, erzielte er dann beide Tore.
Inzwischen ist er nur noch Ersatzspieler in der Bezirksliga-Mannschaft, zu den beiden Hinrunden-Einsätzen könnten aber noch weitere kommen, denn eine voll belegte Reservebank hat im Mindlestal Seltenheitswert. Da Florian Liebegott seit 2014 auch Spielausschuss-Vorsitzender ist, weiß er wie kein anderer um die Problematik.
„Es hat sich schon vieles verändert in den vergangenen Jahren“, sagt der gelernte Verteidiger nach dem Fotoshooting. „Alles ist professioneller geworden“, so Liebegott wenig später im Besprechungsraum unter der Haupttribüne. Professioneller? Also besser? „Nein, das meine ich nicht. Im Gegenteil.“
Liebegott überlegt kurz, setzt dann fort: „Für mich war immer klar, dass ich nach einem Spiel noch im Stadion bleibe, was trinke, im Clubheim Zeit mit meinen Mitspielern verbringe.“ Bei vielen Vereinen sei das aber inzwischen anders, da gingen die Spieler sofort nach dem Duschen nach Hause.
Früher war mehr Geselligkeit
Und wie steht er zu Spielern, deren Vereinstreue weniger als seine eigene ausgeprägt ist? „Das muss jeder selber wissen. Aber wenn ein Spieler für fünf Vereine in drei Jahren spielt, finde ich das alles andere als erstrebenswert.“ Das liebe Geld spielt dann sicher eine Rolle. „Da haben andere Clubs sicher Möglichkeiten, die wir nicht haben. Aber ich verstehe uns als Amateurclub. Wir spielen, weil es uns Spaß macht. Und vielleicht halten wir deshalb auch so gut zusammen.“
Das werden sie auch in der Rückrunde müssen. Der FC Steißlingen kämpft um den Klassenerhalt, hätten die beiden vergangenen Spielzeiten nicht durch einen Saisonabbruch beendet werden müssen, wäre der Verein wohl schon längst wieder in der Kreisliga A gelandet. Oder doch nicht?
Solange der Club Typen hat, die sich seit Kindesbeinen in Grün-Weiß am wohlsten fühlen, scheint alles möglich. Denn meistens sind es nicht die Neuzugänge, sondern die treuen Seelen, die den Unterschied ausmachen. Wer wüsste das besser als der Liebegott...