Herr Rießle, Sie sind mit der ehemaligen Weltcup-Langläuferin Sandra Ringwald verheiratet. Ist die anstehende Nordische Ski-WM in Oberstdorf derzeit das dominierende Thema im Hause Rießle/Ringwald?

Nein, das nicht. Wenn man ein kleines Kind zuhause hat, gibt es wichtigere Dinge.

Im Herbst wurden Sie erstmals Vater und haben seitdem einen weiteren Schwerpunkt in Ihrem Leben. Gehen Sie dadurch gelassener an die Weltmeisterschaft ran?

(lacht) Wenn man Vater ist, ist man von Haus aus etwas geduldiger und hat andere Ansichten. Ich versuche aber dennoch, meine beste Leistung zu liefern. Wenn alles funktionieren sollte, dann freut mich das. Ich bin aber kein Typ, der dann wochenlang Trübsal bläst, wenn ich einen Sprung verhaue.

Fabian Rießle.
Fabian Rießle. | Bild: Hendrik Schmidt

Ausgerechnet bei der Heim-WM in Oberstdorf können keine Zuschauer vor Ort sein. Ärgern Sie sich darüber?

Es ist natürlich sehr schade, aber es ist momentan einfach eine sehr spezielle Zeit. Das wäre mit Fans mega toll geworden. Das gesamte Flair wird anders sein. Es ist schon komisch, wenn man in der Loipe nur noch den Betreuer hört. Aber wir sind einfach froh, dass wir die WM durchführen können. Lieber ohne Zuschauer als gar nicht.

Es gibt viele kritische Stimmen, die die Ausübung von Profisport und vor allem einer internationalen Veranstaltung mitten in einer Pandemie für ein falsches Signal halten. Wie stehen Sie zu dieser Debatte?

Ich sehe das ganz anders. Wir werden alle regelmäßig getestet. Somit können wir uns sicher sein, dass jeder Mensch an der Schanze oder an der Strecke negativ ist. Diese Wettkampf-Blasen sind die sichersten Orte überhaupt, an denen man sein kann. Daher macht es absolut Sinn, dass die Wettkämpfe stattfinden. Wenn die Leute nur trübselig zuhause hocken, hat keiner etwas davon. Wir wissen aber, dass wir sehr privilegiert sind.

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Sie sind mit 30 Jahren einer der ältesten im Weltcup.

Genau. Ich fühle mich zwar immer noch ziemlich jung, aber wenn ich auf die Startliste schaue, dann sehe ich, dass ich zu den vier oder fünf Ältesten gehöre. Ich habe aber schon oft genug gezeigt, dass ich auch noch mit 30 ganz gut mithalten kann.

Bei den beiden letzten Weltcup-Rennen in Klingenthal belegten Sie die Plätze zwei und fünf. Kommen Sie pünktlich zum Saisonhöhepunkt in Bestform?

Ich kann mich über den gesamten Winter nicht beklagen, sondern hatte eine ziemlich gute Saison. Ich schrammte ein paar Mal knapp am Sieg oder Podium vorbei. Ich würde mich freuen, wenn die Kurve weiter nach oben steigt.

Aufgrund einiger Weltcup-Ausfälle vor allem im Dezember gab es in diesem Winter nicht so viele Wettkämpfe wie gewohnt. Fällt es Ihnen dadurch schwerer, Ihr eigenes Leistungsvermögen einzuschätzen?

Das kommt drauf an. Wenn man gut in Form ist, gehen die Wettkämpfe sehr leicht von der Hand. Wenn man nicht so in Schuss ist und viel Energie aufwenden muss, um vorwärts zu kommen, dann ist es sicher etwas schwerer. Es war aber insgesamt kein Vorteil, dass so viele Wettkämpfe ausgefallen sind. Wir hätten gerne mehr Chancen gehabt.

Das Skispringen ist traditionell Ihre große Baustelle. In dieser Saison zeigten Sie an der Schanze sehr beständige Leistungen. Wie gut ist Ihre Sprungform?

Bei mir steht und fällt alles mit einem guten Abschneiden an der Schanze. Ich habe mich im Springen weiterentwickelt und stabile Sprünge gezeigt. In Oberstdorf werden die Uhren aber neu gestellt, da ist dann egal, was in der Saison bislang passierte.

Was hat der neue Sprungtrainer der deutschen Mannschaft, der renommierte Österreicher Heinz Kuttin, bei Ihnen umgestellt?

So viel am Sprung war es nicht. Es war eher eine Sache der Herangehensweise. Heinz hat uns eine andere Sichtweise mitgegeben, und an ein paar kleinen Stellschrauben gedreht. Dadurch sind wir als Mannschaft näher an die Norweger rangekommen.

Nach Jahren der deutschen Dominanz haben die Norweger in den vergangenen Saisons mächtig aufgeholt und dreimal am Stück die Nationenwertung gewonnen. Hat Deutschland in der Nordischen Kombination seine Vormachtstellung verloren?

Wenn man den Nationencup anschaut, dann auf jeden Fall. Da haben sie uns ein bisschen den Rang abgelaufen. Das hat uns ziemlich gefuchst, weil sie sich in unserem Windschatten herangepirscht haben. In diesem Jahr haben wir aber zurückgeschlagen und führen souverän die Nationenwertung an. Es ist unser Anspruch, dass wir auch bei der WM als stärkstes Land dastehen. Der Mann, den es zu schlagen gilt, ist Jarl Magnus Riiber. Er ist der Topfavorit bei den Einzelrennen.

Sie sind gemeinsam mit Eric Frenzel amtierender Weltmeister im Teamsprint. Die diesjährigen Teamsprints in Val di Fiemme mit Platz eins und in Lahti mit Platz zwei liefen bereits sehr vielversprechend. Haben Sie den Anspruch, den Titel zu verteidigen?

Das wäre natürlich megacool, aber dafür muss ich erstmal in das Team reinkommen. Wir sind fünf Athleten, die recht nahe zusammen sind, nur zwei können an den Start gehen. Da der Teamsprint der letzte Wettkampf ist, zählt es, sich an den Tagen davor zu empfehlen. Daher ist es wichtig, gut in die WM reinzustarten.

Welche Chancen auf eine Einzelmedaille rechnen Sie sich aus?

Ich bin nicht der Typ, der sich seine zurückliegenden Wettkämpfe anschaut und sich dann Chancen ausrechnet. Wenn ich meine Leistung bringe, ordentlich auf der Schanze abliefere und dann auch noch im Laufen einen guten Tag habe, dann kann ich aufs Podium kommen. Dafür muss aber wirklich alles zusammenlaufen. Es gibt viele andere Jungs, die ziemlich stark unterwegs sind.

Eine Besonderheit der diesjährigen WM ist, dass es erstmals auch Wettkämpfe in der Nordischen Kombination für Frauen gibt. War dies aus Ihrer Sicht überfällig?

Überfällig nicht. Meiner Meinung nach ist es sogar noch etwas früh. Es ist ein ziemlich junges Feld. Es braucht noch etwas Zeit, bis dieses zusammenrückt. Ein, zwei Jahre der Vorbereitung hätten den Mädels sicher gut getan. Auf der anderen Seite ist es fair, weil es viele Frauen gibt, die diese Sportart schon etwas länger betreiben. Bei den Spezialspringerinnen war das Feld anfangs sehr ausgedünnt, nun ist es ein richtiger Weltcup-Zirkus mit super Leistungen. Bei der Frauen-Kombination wird das irgendwann auch so sein. Es ist jedenfalls cool, dass sie in Oberstdorf erstmals mit dabei sind.

Was muss in den knapp zwei WM-Wochen von Oberstdorf passieren, damit sie danach als zufriedener Mann ins Hause Rießle/Ringwald zurückkehren?

Wenn ich mit einer Medaille nach Hause komme, kann ich sagen, dass es eine super Weltmeisterschaft war. Ob im Einzel oder im Team, ist wurscht.