„Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“, heißt es in einem alten Arbeiterlied aus dem 19. Jahrhundert. Auch derzeit stehen in Südbaden und Oberschwaben (fast) alle Räder still – allerdings unfreiwillig. Viele Beschäftigte im Industriesektor würden gerne zur Arbeit gehen, doch die Produktion ruht wegen der Corona-Krise in vielen Werken. Ein Überblick zur Lage der Industrie in der Region.
ZF Friedrichshafen
Der Zulieferriese richtet sich wegen der Corona-Krise auf eine längere Durststrecke ein. „Nach einer Dekade des Aufschwungs geht es jetzt in die andere Richtung“, sagte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider bei der Bilanzpressekonferenz. Anders als bei der Finanzkrise 2009 gehe man von einer „längeren Schwächephase aus“. Ein Großteil der ZF-Belegschaft befindet sich derzeit in der Kurzarbeit. „Es gibt einzelne Bereiche, in denen niemand mehr arbeitet – und andere Bereiche, in denen die Belegschaft noch in kompletter Stärke arbeitet“, so ein ZF-Sprecher.
Bis Ende Juni könnten laut einer Betriebsvereinbarung einzelne Standorte die Produktion herunterfahren oder ganz einstellen. „Durch einen zusätzlichen Beitrag des Unternehmens wird jeder rund 90 Prozent seines regulären Nettoeinkommens behalten“, erläuterte Sabine Jaskula, Vorstand Personal und Recht. Auch Vorstände und Führungskräfte des Autozulieferers wollen aufgrund der Coronakrise auf einen Teil ihres Gehaltes verzichten. Alle Führungsebenen und Mitarbeiter müssten einen Beitrag leisten, so Jaskula.
IMS Gear
Der Autozulieferer aus Donauseschingen produziert wegen der Corona-Krise nur noch mit einer „Rumpfmannschaft“. Das teilte IMS Gear-Vorstand Bernd Schilling mit. Die 2000 Mitarbeiter an den Standorten in Donaueschingen, Eisenbach, Trossingen und Villingen-Schwenningen gehen in die Kurzarbeit oder bauen Überstunden ab. Ausgenommen von der Kurzarbeit sind lediglich zwei Produktionseinheiten im Werk Eisenbach, in denen Planetengetriebe für industrielle Anwendungen gefertigt werden.
Ob und in welcher Intensität das Unternehmen die Kurzarbeit nach Ablauf der zweiwöchigen Frist weiterführt, entscheide sich nach den Ostertagen, sagte Schilling. „Im Vordergrund stand und steht, die Arbeitsplätze auch in einer sehr ausgeprägten Krise zu sichern und das Unternehmen stabil auf Kurs zu halten“, sagte der IMS Gear-Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Harter.
Schiesser
Der Radolfzeller Wäschehersteller Schiesser hat für seine Mitarbeiter Kurzarbeitsgeld beantragt. „Die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie stellen uns alle vor eine große Herausforderung“, schreibt das Unternehmen. Von den flächendeckenden Schließungen im Einzelhandel seien die eigenen Geschäfte wie auch die Handelspartner betroffen. Aufgrund dieser globalen Situation hätte der Wäschehersteller in Abstimmung mit dem Betriebsrat sofortiges Kurzarbeitergeld für alle betroffenen Mitarbeiter in ganz Deutschland beantragt.
RRPS

Die Personalkosten des gesamten Rolls-Royce-Konzerns sollen im laufenden Geschäftsjahr um zehn Prozent gesenkt werden. „Dazu sind, je nach Land und Gesetzeslage, unterschiedliche Maßnahmen derzeit in der vorbereitenden Diskussion“, teilt das Unternehmen mit.
Dafür sind auch Arbeitszeitreduzierungen, zum Beispiel in Form von Kurzarbeit (Deutschland), Stundenreduktion oder zeitliche befristete Freistellung (international), im Gespräch. Das teilte ein Sprecher von Rolls-Royce Power Systems (RRPS) in Friedrichshafen mit. Die Maßnahme könnte ab 1. Mai greifen, allerdings stehe das noch nicht abschließend fest und müsse auch nicht alle Bereiche betreffen. In der Diskussion sei auch ein Gehaltsverzicht des Managements. Der Vorstand habe das für sich bereits beschlossen, so ein RRPS-Sprecher.
Aesculap
Beim Medizintechnik-Hersteller aus Tuttlingen gibt es weder momentan weder Kurzarbeit, noch Jobverluste noch Gehaltskürzungen, versichert Aesculap-Chef Joachim Schulz. Wie sich die Krise auf die Geschäfte auswirkt, sei noch unklar. „Wir können aufgrund der aktuellen und unabsehbaren Situation keine konkrete Prognose treffen“, sagte Schulz. Die Konzernmutter B. Braun hat allerdings bereits angedeutet, dass die Verschiebung von planbaren Operationen in diesem Jahr Umsatz kosten könnte.
Fondium
Die Eisengießerei aus Singen war schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie in der Krise. Die Aufträge des auf Lkw-Komponenten spezialisierten Unternehmens waren wegen der sinkenden Absatzzahlen in der Autobranche eingebrochen. Corona verschärft die Probleme des Unternehmens nochmal. Als Reaktion hat Fondium Kurzarbeit mit einem Pensum von 0 Prozent beantragt.
„Wir haben auf der einen Seite keinen Schrott mehr als Rohstoff in der Zulieferung, auf der anderen Seite auch keine Aufträge mehr, weder in der Automobil noch in der Nutzfahrzeugindustrie“, sagt Fondium-Geschäftsführer Achim Schneider. Ein neues Auto oder ein neuer Lkw so ziemlich das Letzte, was die Menschheit derzeit brauche. Um das Unternehmen, das früher zu Georg Fischer gehörte, zu retten, schlägt er der IG Metall einen Sanierungstarifvertrag vor.
Marquardt
„Die Corona-Krise trifft uns inmitten einer Phase, in der wir Marquardt auf weiteres Wachstum ausgerichtet haben“, sagt der Chef des Autozulieferers Harald Marquardt. Er fordert die Politik auf, sich schon jetzt Gedanken über einen Ausstieg aus den radikalen Beschränkungen des Wirtschaftslebens zu machen „Parallel zu den notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit braucht die Wirtschaft jetzt einen klar kommunizierten Corona-Exit-Plan“, sagte er. Das schaffe nicht nur psychologisch wichtige Orientierung. Industrieunternehmen können so auch vorausplanen und ihre Produktion am Tag X wieder hochfahren, so Marquardt.