Nach monatelangem Ringen zeichnen sich Eckpunkte für die Lösung der Dieselkrise ab. Aber was bedeutet das jetzt für die Autofahrer? Wichtige Fragen und Antworten:
- Welche Fahrzeuge sollen Dieselkunden, die eine Umtauschprämie in Anspruch nehmen, jetzt kaufen? Diesel ist nicht gleich Diesel. "Wer jetzt einen Diesel-Neuwagen kauft, sollte darauf achten, nur Fahrzeuge der Abgasnorm Euro-6d-Temp oder Euro-6d zu kaufen", sagt Martin Schmied, Abteilungsleiter für Verkehr beim Dessauer Umweltbundesamt (UBA). Diese beiden Abgasnormen stellen die Speerspitze der technischen Entwicklung dar. Die entscheidenden Stickoxid-Grenzwerte (NOx), die auch für mögliche Fahrverbote in Städten relevant sind, halten nur sie auch im Realbetrieb auf der Straße ein.
- Gibt es überhaupt schon genügend dieser Autos? Nein. Die allerwenigsten Diesel-Neuwagen bei den Autohändlern entsprechen bislang den Top-Abgasklassen. Laut ADAC hat beispielsweise Volkswagen erst drei Euro-6d-Temp-Modelle auf dem Markt: Alles Geländewagen. Angesichts von rund 260-VW-Diesel-Modellen ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Besser sieht es bei anderen deutschen Herstellern wie Daimler, BMW, Audi, Opel oder Ford aus. Aber auch hier sind längst nicht alle Dieselmodelle top. Mehr noch: Kein einziger Massenhersteller hat bislang ein Modell der neuesten Abgas-Norm Euro-6d bei den Händlern.
- Was raten Experten? Ähnlich wie Experte Schmied vom UBA empfiehlt auch der ADAC, mit dem Dieselkauf noch zu warten, bis mehr Fahrzeuge auf dem neuesten Stand sind. Das könnte relativ zügig der Fall sein. Innerhalb der "nächsten drei Monate" seien etwa 70 Prozent der Modelle mit den neuesten Abgasstandards erhältlich", sagt Hansjörg Blender, Sprecher der Kfz-Innung Bodensee, Hochrhein, Schwarzwald (BHS). "Zu Weihnachten ist es soweit", sagt er. Wer sicher gehen will, muss noch bis September 2019 warten. Neuwagen unterhalb der Euro-6d-Temp-Norm dürfen dann gar nicht mehr verkauft werden.
- Läuft man nicht auch bei den allerneuesten Dieselmodellen Gefahr, irgendwann aus Städten ausgesperrt zu werden? Das Gerücht halt sich hartnäckig, wird aber von Fachleuten entkräftet. Käufer von den neuesten Euro-6d-Temp-Dieseln und besser müssten in den kommenden Jahren nicht mit Einfahrverboten in Städte rechnen, sagt UBA-Experte Schmied. Diese Diesel seien einfach schon "ziemlich sauber". Ähnlich argumentiert der ADAC. Autohändler Blender gibt sogar schon für alle älteren Euro-6-Modelle Entwarnung. Diese Aussage sehen aber sowohl ADAC als auch UBA kritisch, weil sie im realen Fahrbetrieb mitunter die NOx-Grenzwerte um das sechsfache reißen.
- Sollte man noch gebrauchte Diesel kaufen oder sie nachrüsten? Der springende Punkt sind die Umweltzonen der Städte. Wer sicher ist, nicht nach Stuttgart, Frankfurt, München oder Düsseldorf zu reisen, kann auch gebrauchte Diesel der Abgasnormen Euro 4, 5 oder die älteren Euro-6-Modelle kaufen. Diese stehen derzeit zu Hundertausenden auf den Höfen der Händler und werden wie Sauerbier angeboten. Alle anderen Autofahrer, sind quasi zum Neuwagenkauf gezwungen, um überall mobil zu bleiben. Theoretisch können Kunden auch Alt-Diesel erwerben und sie mit moderner Abgastechnologie nachrüsten lassen. Nach jetzigem Stand werden die Kosten hierfür aber nicht vollständig von den Herstellern übernommen. Zudem können sich Einschränkungen bei Garantieleistungen ergeben. Klar ist: KfZ-Halter können nicht zur Nachrüstung ihrer Fahrzeuge gezwungen werden. Sie ist freiwillig.
- Was ist beim Kauf von Benzinern zu beachten? Wer glaubt, Benziner seien bei der aktuellen Fahrverbotsdiskussion aus dem Schneider, irrt. Besonders moderne Benzin-Direkteinspritzer haben ein Feinstaubproblem. Die meisten Modelle verfügen noch nicht über Partikelfilter und rußen daher gewaltig. UBA-Fachmann Schmied rät daher dazu, nur Benziner ab der Abgasnorm Euro-6c anzuschaffen. Auf jeden Fall sollte ein Partikelfilter an Bord sein.
- Ist der Dieselantrieb jetzt tot? Technisch gesehen spricht nichts für den Tod des Dieselantriebs. Generell verbrennt kein anderer Motor Kraftstoff effizienter – und damit verbrauchsärmer. Die Feinstaubwerte sind durch den Einbau von Partikelfiltern unproblematisch. Und auch das Stickoxidproblem, das dem gesamten Abgas-Skandal zu grunde liegt, ist gelöst. Bosch etwa hat im April ein Abgasreinigungssystem vorgestellt, das den Stickoxid-Ausstoß auf bis zu 13 Milligramm je Kilometer drückt. Damit liegt man deutlich unter dem derzeit zulässigen Grenzwerten von 80 Milligramm auf dem Prüfstand und 168 Milligramm im Realbetrieb. Geschafft wurde das durch eine Kombination aller verfügbaren Abgasreinigungssysteme, insbesondere durch Harnstoff-Einspritzung, den sogeannten "Pipi-Kat". Bosch-Chef Volkmar Denner spricht mit einer gewissen Bererchtigung vom Diesel als "Luftreinigungsmaschine". Das gilt aber nur für die neueste Technologie.
- Gibt es einen Haken? Durch die sprichwörtliche "Chemiefabrik", die der Diesel künftig in Form diverser Katalysatoren mit sich herumtragen wird, verteuert sich der Antrieb deutlich. Das macht ihn für Kleinwagen künftig unwirtschaftlich – der Aufpreis zum Benziner wird schlicht zu hoch. Außerdem ist fraglich, ob die Verbraucher es akzeptieren, regelmäßig Harnstofflösung – sogenanntes Ad-Blue – für den Pipi-Kat nachzutanken. Das ist umständlich und teuer. Außerdem hat das Image des Diesel gelitten. Die Marktanteile sind in Deutschland auf Talfahrt.
- Gibt es Alternativen? Moderne Benzinmotoren mit Direkteinspritzung nähern sich den Verbräuchen von Dieselautos immer stärker an. Daher werden sie zu einer echten Alternative, insbesondere bei verhaltener Fahrweise. Generell sind allerdings sowohl Diesel als auch Benziner nach Jahrzehnten der Entwicklung technisch nahezu ausgereizt. Geringere Verbräuche herauszukitzeln, wird immer schwieriger. Ganz anders beim E-Motor. Er wird umso umweltfreundlicher, je mehr Ökostrom in Deutschland produziert wird. Und das geschieht jedes Jahr. Aktuell versorgt sich Deutschland schon zu 36 Prozent mit grünem Strom. Tendenz: steigend. Weil die Produktion des E-Auto-Akkus aber viel Energie frisst, neigt sich das Öko-Pendel nach Berechnungen des UBA erst nach rund 100 000 Kilometern Fahrleistung zum Elektroantrieb. Bis dahin sind die sparsamsten Diesel besser. Denoch: Auf lange Sicht komme Deutschland "nicht um E-Fahrzeuge herum", sagt UBA-Fachmann Schmied – insbesondere aus Klimaschutzgründen.