Was treibt Deutschlands Arbeitnehmer im Jahr eins des Handelskriegs mit der Weltmacht USA um? Sichere Arbeitsplätze? Die letzte Tariferhöhung? Der Stress am Arbeitsplatz? Ach was!

„Das Essen in der Kantine ist einfach nicht mehr so wie früher“, sagt der junge Mann. Nicht gänzlich unverdaubar, aber eben qualitativ abnehmend. Beispiel Rinderhüfte. Früher sei sie erstklassig gewesen. Würzig im Geschmack, das Fleisch zart rosa. Heute käme das nur noch selten vor. Jüngst etwa habe er vom Koch in der Mittagspause ein Stück erhalten, das komplett durchgebraten „und eher warm als heiß“ gewesen sei. Das gehe gar nicht. Wie solle man danach denn wieder zurück an den Arbeitsplatz?

Der Mann arbeitet beim Tuttlinger Medizintechnikhersteller Aesculap und fährt zusammen mit ein paar Kollegen mit dem Zug nach Hause. Gerade redet er sich in Rage. Man erkennt das, weil sein Gesicht sich zart rosa färbt. So wie eine gute Rinderhüfte sein sollte.

Die allein ist aber nicht das Problem. Auch die Lachs-Lasagne hinterlasse auf dem Gaumen mitunter ein ungutes Gefühl, sagt er. Ist er zu kritisch? Nein, auch Kollegen seien schon „höchst enttäuscht“ gewesen, wie der junge Mann einer seiner Mitreisenden zuraunt. Wobei man natürlich differenzieren müsse. Der Zwiebelrostbraten auf dem Kantinen-Plan sei nach wie vor „sehr gut“. Aber schon beim Weißen Spargel gebe es Abstriche. "Der Grüne ist noch schlimmer", sagt eine seiner Kolleginnen.

Wird da auf hohem Niveau geklagt? Oder eine Kantine mit einem Vier-Sterne-Restaurant verwechselt, obwohl sie das Tagesessen für 3,60 Euro, nicht für 45 Euro anbietet? Vermutlich. Statistiken zufolge motzen seit Jahren fast die Hälfte der Deutschen über pampigen Kantinenfraß. Wobei zu präzisieren wäre, dass der weitaus geringste Teil der Arbeitnehmer überhaupt in den – pardon – Genuß einer Kantine kommt. Die Mehrzahl muss sich den Magen an Currywurstbuden vollschlagen oder nestelt pünktlich um Zwölf das selbst belegte Käsebrot aus dem Fettpapier. Die Aesculap-Kantine dagegen wurde erst vor wenigen Monaten frisch eröffnet. Viel Geld wurde investiert. Mehr Personal, mehr Vielfalt. "Top-frisch mit Biss", sagt der Chef-Koch stolz. Es gehe ihm nicht nur darum, die Mitarbeiter satt, sondern sie auch gesund zu machen. Was also stimmt nun?

Klar ist, dass Aesculap-Mitarbeiter – pardon – genießen können, wovon andere nur träumen. Beim Tuttlinger Medizintechnik-Konkurrenten Karl Storz gleich nebenan gibt es nicht einmal eine Kantine. Lediglich ein "Vesperwagen" und ein "Bäckermobil" drehen auf dem Werksgelände des 1,6-Milliarden-Euro-Unternehmens müde ihre Runden. Möglichkeiten sich zum Essen hinzusetzen, gebe es fast keine, weswegen sich die Mitarbeiter mit ihren Stullen in die Umgebung flüchten, klagt eine Storz-Mitarbeiterin. Nur gegen Voranmeldung dürfe man in einem sogenannten Meeting-Center speisen.

Die Frikadellen oder "Nudeln mit Soße", die dort oft auf dem Speiseplan stünden, empfiehlt die junge Dame den Aesculapianern allerdings nicht zum Verzehr. "Das würde die grad' umhauen".