Die Idee schoss ihm im Wald in den Kopf. Es war in den früher Neunzigerjahren, als Thomas Albiez und sein Vater in der Nähe von Ibach (Kreis Waldshut) Holz machten. Vater und Sohn sahen die Bäume, die vom Waldsterben angegriffen waren. „Man müsste ein umweltfreundliches Auto bauen“, sagte sich der Elektromeister, damals Anfang 30. Dieses Auto müsste mit Strom fahren anstatt mit fossiler Energie. Die Idee nahm Form an, erhielt eine leichte, kugelförmige Karosserie und einen Motor, der mit Strom läuft. Der Baden-Mini hieß fortan Hotzenblitz, weil es im legendären Hotzenwald erfunden worden war.

Er war das erste E-Auto in Deutschland

Schnell zog der Hotzenblitz die Blicke der Fachwelt auf sich. Das Auto mit gerade einmal 275 Zentimeter Länge wurde von einem Elektromotor angetrieben. 12 Kilowatt ermöglichten etwa 100 Stundenkilometer. Vor allem war das Auto sehr einfach gebaut, ein fahrbarer Untersatz aus Modulen, die zusammengesteckt wurden. Er sollte benutzerfreundlich sein und einfach zu reparieren. Der Akku brachte zunächst 60, später bis zu 150 Kilometer Reichweite.

Der Schwarzwald als High-Tech-Land: Ein Hotzenblitz vor dem Klausenhof bei Ibach.
Der Schwarzwald als High-Tech-Land: Ein Hotzenblitz vor dem Klausenhof bei Ibach. | Bild: Albiez

Der Hotzenblitz war der Zeit voraus. Bis zur Einführung des BMW i3 (2013) war er das erste Auto mit Elektromotor, das in Deutschland entwickelt und gebaut wurde. Auto und Erfinder gingen durch die Talkshows und Fachzeitschreiten, nur fand das hübsche Gerät kaum Käufer. Einmal, weil es so teuer kam wie ein VW Golf (etwa 30.000 Mark). Zudem war die Umweltfrage zwar präsent, wurde aber nicht als so drängend empfunden. Strom und Auto gingen damals nach Meinung der Mehrheit einfach nicht zusammen.

Der Tüftler hat sich immer wieder aufgerappelt

Im Rückblick staunt Albiez über diese wilden Jahre. Der Handwerker musste 1996 die Produktion in Thüringen einstellen und Konkurs anmelden. Er war verschuldet, doch aufgegeben hat er nie. Er ist nicht nur Tüftler, sondern vor allem einer, der sich immer wieder aufrappelt. Nach Jahren des Suchens und seinem Umzug nach Kärnten nimmt er im kommenden Jahr einen neuen Anlauf. Der Hotzenblitz soll ab 2022 montiert und verkauft werden. Pfeiler sind die beiden Firmen GeoPart GmbH & Co KG (Deutschland) sowie Flash Technologies GmbH (Österreich).

Thomas Albiez arbeitet seit 30 Jahren an einem kleinen und sparsamen Auto – dem Hotzenblitz. Seine Frau Brigitta war ihm dabei die ...
Thomas Albiez arbeitet seit 30 Jahren an einem kleinen und sparsamen Auto – dem Hotzenblitz. Seine Frau Brigitta war ihm dabei die größte Stütze, sagt er. | Bild: Fricker, Ulrich

Wer den Erfinder erlebt, dem wird schnell klar: Die Idee des maximal simplen Ökomobils lässt ihn nicht los. Mit seiner Frau Brigitta pendelt er zwischen seiner Heimat Ibach, Kärnten und Bayern, um die Produktion des alt-neuen Schwarzwald-Autos vorzubereiten. Am Bodensee besuchten er und seine Frau Brigitta ihre Verwandten. Dort traf ihn auch der SÜDKURIER.

High Tech auf Alemannisch

Albiez, 64, ist ein vulkanisches Ereignis. Er sprudelt über von Ideen, ist in seinem Redefluss kaum zu bremsen. Er ist der Typ, der eine Hauptversammlung sprengen kann und detailreich erzählt, wie eine Batterie funktioniert. Und alles im schönsten Alemannisch.

Kleinserie auf Holzböcken: 2022/2023 erhält das Schwarzwald-Auto eine zweite Chance. Angestrebt werden zunächst einmal 900 Stück.
Kleinserie auf Holzböcken: 2022/2023 erhält das Schwarzwald-Auto eine zweite Chance. Angestrebt werden zunächst einmal 900 Stück. | Bild: Albiez

Seine Erlebnisse im magischen Dreieck von Kommunalpolitik, Wirtschaft und Technik füllen leicht ein Buch. Er kann erzählen, wie die Politik mit dem gerne zitierten Mittelstand umgeht. Mit Kraftausdrücken spart er nicht. Er hat erlebt, wie die Titanen der Autobranche mit einem Startup aus dem Schwarzwald umspringen. Wie er als Elektrikermeister anfangs belächelt wurde, bis seine Gesprächspartner registrierten, dass gescheite Ideen nicht zwangsläufig an einen Dipl. Ing. geknüpft sind.

Der Tüftler aus Ibach wirkt auf den ersten Blick etwas schrullig. Aber das täuscht. In 30 Jahren an Unternehmertum mit Höhen und vielen Tiefen hat er viel gelernt. Er philosophiert über die verschiedenen Unternehmenskulturen, er kennt die Standorte und spricht vom Businessplan. Eines ist klar: Er will nicht über die Maßen wachsen. „Ab einer Produktion von 300 Fahrzeugen lohnt sich das für uns.“ Er will in die Serie ab 2022/23, aber keinen Riesenladen aufziehen. Der Preis pro Auto soll bei 13.700 Euro bis 22.700 Euro liegen – plus Akku.

Am Hotzenblitz wurde in den vergangenen Jahren immer wieder experimentiert. Diese Version wurde erstmals als Brennstoffzellen-Hybrid ...
Am Hotzenblitz wurde in den vergangenen Jahren immer wieder experimentiert. Diese Version wurde erstmals als Brennstoffzellen-Hybrid gebaut (2005). | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Viele wollen anlegen und dann mitreden

Nach eigenen Angaben hat er Investoren genug gewonnen, tendenziell sind es sogar zu viele. Nicht jeden Cent, den sie bei ihm parken würden, benötigt er. Sonst würde sich das Projekt in eine Größenordnung bewegen, die Albiez selbst nicht mehr steuern kann. Mit sechs Millionen Euro von fünf Anlegern startet er die Produktion des neuen Hotzenblitz.

Der Zwiespalt: Neue Geldgeber wollen auch mitreden, sie sehen sich selbst als Unternehmer in einer spannenden Brachen. Das wehrte die Familie Albiez bisher mit Erfolg ab. Das Wägelchen soll noch immer die südbadische Handschrift tragen und nicht das Logo von Investoren. Albiez‘ Leitspruch: „Hotzenwälder werden nicht geboren, sondern geschnitzt.“

Seine Kinder schwören auf den Hotzenblitz

Damit kann er nicht ganz falsch liegen. Seine drei Kinder Sascha, Felix und Regina wollen in das Unternehmen einsteigen. Das ist nicht selbstverständlich, es spricht dafür, dass der Nachwuchs darin auch die eigene Zukunft sieht.

Ein Hotzenblitz im Labor im Wiesental.
Ein Hotzenblitz im Labor im Wiesental. | Bild: Albiez

Dabei kann man sich kaum vorstellen, dass der quirlige Pionier jemals die Finger vom fahrenden Kugelblitz lassen wird. Selten ist ein Erfinder so mit seiner Erfindung verbunden wie er. Sein Leben dreht sich um den Winzlung auf vier Rädern.

Auch der Hotzenblitz 2.0 wird die Werkshalle als Elektroauto verlassen. Albiez will ihn eines Tages auch mit einer Brennstoffzelle ausrüsten, die den nötigen Strom liefert. Fix ist es noch nicht. Die Herstellung will seine Firma radikal vereinfachen. Chassis und Aufbau werden zunächst montiert und dann, noch unfertig, an große Vertriebszentren geliefert. Dort werden sie dann fertiggebaut. Albiez spricht von Modulen, die man dann zusammenfügt – je nach Kundenwunsch, ja nach Anspruch.

Die Frau hält ihm den Rücken frei

Wichtige Details hängen noch in der Luft. Zum Beispiel der Standort für die Rohmontage. Oder die Vertriebszentren, in denen das Fahrzeug für den Kunden zugeschnitten wird. Freiburg soll ein Standort werden, sagt der Chef. Auch in Vorarlberg will er einen Händler gewinnen für den Vertrieb des Hotzenblitz.

In vier Versionen soll das neue Auto an den Start gehen – als Buggy (mit offenen Türen), als Pick up, mit Cabrio-Faltverdeck oder als Hardtop. „Ich will, dass die Kunden möglichst viel selbst machen können an ihrem Fahrzeug“, sagt Albiez. Die meisten modernen Autos seien zu groß und zu kompliziert, überfrachtet mit Unnötigem.

Ein glücklicher Autobauer

Seine Frau beruhigt ihn immer wieder, wenn er gar zu heftige Attacken auf die Politik oder die globale Wirtschaft reitet. „Sie hält mir den Rücken frei“, sagt der ruhelose Mann, der schon den nächsten Termin im Auge hat. Er wird noch einige Verträge unter Dach und Fach bringen. „Ich bin der glücklichste Autobauer der Welt“, sagt er zum Abschied.