Mieten statt kaufen kann man schon seit vielen Jahren vom Betonmischer über den Presslufthammer bis hin zum Akku-Laubbläser Handwerksgeräte im Baumarkt. Für Privatpersonen ist das etwas Tolles, schließlich braucht man einen Mini-Bagger nicht alle Tage. Auch saisonale Sportgeräte wie Snowboards im Winter oder Standup-Paddel-Bretter im Sommer bieten Geschäfte der Region zur Tagesmiete. Neu ist allerdings, dass man heute nahezu alles auf Zeit sein Eigen nennen kann: Ob Kinderbedarf, Möbel, Kleidung, Spiegelreflex-Kameras oder Autos – das alles kann man mittlerweile mieten statt kaufen.

Urs Fischbacher ist Verhaltensökonom an der Universität Konstanz und Experte fürs Teilen von Gütern.
Urs Fischbacher ist Verhaltensökonom an der Universität Konstanz und Experte fürs Teilen von Gütern. | Bild: Marc-Julien Heinsch

Sharing-Economy (Wirtschaft des Teilens) heißt dieser Trend und Urs Fischbacher, Wirtschaftsprofessor an der Universität in Konstanz erklärt: „Das ist ein System, in welchem Dinge geteilt werden können. Das kann informal im Bekanntenkreis sein oder aber unter Unbekannten. Im letzteren Fall muss der Austausch organisiert werden.“ Heutzutage geschehe das meist über das Internet. „Die neuen Technologien machen die Organisation des Tausches so einfach wie nie zuvor“, so Fischbacher, „so können mehr Leute erreicht werden und die Vermittlung wird zu einer lohnenswerten Angelegenheit.“

Immer mehr Profi-Miet-Anbieter

Während in den ersten Jahren des Internetzeitalters vor allem Privatpersonen Schleifmaschinen und Rasenmäher über Online-Marktplätze wie E-Bay-Kleinanzeigen oder regionale Facebook-Gruppen munter geteilt, getauscht und gegen eine Tüte Gummibärchen oder einen Kasten Bier vermietet haben, kommen jetzt professionelle Anbieter ins Spiel: Zahlreiche Unternehmen, auch in unserer Region, machen sich den Sharing-Gedanken zunutze.

Und Kunden springen darauf an, denn: Der Wunsch, nachhaltiger zu konsumieren, beflügelt diesen Trend. „Die Nachhaltigkeit spielt bei der Entscheidung, ob etwas gekauft oder gemietet wird, sicher eine Rolle“, so der Wirtschaftsprofessor. Gerade die ersten Car-Sharing-Modelle hätten als Zielgruppe Personen gehabt, die weitgehend aufs Auto verzichten wollten.

In den letzten Jahren sei der Boom aber eher vom Angebot her getrieben: „Es sind viele neue Angebote dazugekommen, weil die Technologie vorhanden ist“, sagt Urs Fischbacher. Die Verbreitung von Mietfahrrädern und E-Rollern sei beispielweise ohne Smartphones kaum denkbar gewesen.

Gemeinsam statt einsam – in einem Coworking Space wie hier dem Startblock in Lörrach ist das Netzwerken auch mit Menschen aus ...
Gemeinsam statt einsam – in einem Coworking Space wie hier dem Startblock in Lörrach ist das Netzwerken auch mit Menschen aus anderen Berufen wichtig. | Bild: Knut Burmeister / Startblock Lörrach

Die starke Zunahme von Sharing-Angeboten erklärt Fischbacher wie folgt: „Zwar sind die Einstiegskosten durch die nutzeroptimierte Programmierung relativ hoch, laufen sie einmal, kann dann aber mit vergleichsweise geringen Kosten viel erwirtschaftet werden.“ Wichtig für den Erfolg: So viele Nutzer wie möglich zu gewinnen, denn Masse schafft Wachstum. „Das ist ein Nachteil am europäischen Markt, weil man rasch gezwungen ist, die Plattformen an unterschiedliche Sprachen anzupassen“, so der Experte.

Miet-Modelle können klassische Hersteller verdrängen

Kann das Sharing-Konzept klassischen Konsumgüter-Anbietern gefährlich werden? „Die Gefahr besteht dort, wo es für Konsumierende deutliche Vorteile gibt, also vor allem dort, wo ein Gut teuer oder sperrig ist und man es nicht häufig braucht“, schätzt der Wirtschaftsexperte. Streaming-Plattformen haben zum Beispiel zum Aussterben von Videotheken beigetragen. „Neue Nutzungskonzepte können aber auch die Nachfrage nach diesen Gütern erhöhen“, gibt Urs Fischbacher zu bedenken. Dann bestimmt das Angebot die Nachfrage.

Profitiert der Verbraucher?

Ob Mieten statt kaufen im Einzelfall für die Verbraucher günstiger ist, hängt vom konkreten Fall ab. Experten raten, die Vor- und Nachteile durchzurechnen und die Lebensdauer der Produkte zu bedenken. So fallen bei Kleidung und Kinderspielzeug immer wieder neue Anschaffungskosten an, unabhängig davon, ob das Produkt noch gut ist. Andere Produkte eignen sich fast immer zum Teilen – zumindest wenn man deren Nutzen rein rechnerisch betrachtet. Autos stehen in Deutschland im Durchschnitt 96 Prozent der Zeit nur auf dem Parkplatz. Und der kostet im Zweifelsfall auch noch Geld. Fahrzeuge zu teilen, liegt daher besonders nahe.