In Krisenzeiten bemüht Nicolas Schweizer manchmal Metaphern aus dem Sport. „Wenn das Unwetter aufzieht, muss man schnell handeln, und die Crew an Bord muss perfekt eingespielt sein“, sagt der begeisterte Segler und Vorstands-Chef des Schramberger Leiterplattenspezialisten Schweizer Electronic. „Dann kann man den Sturm auch abwettern.“

Hidden-Champion aus dem Schwarzwald

Genau darum geht es jetzt bei dem Unternehmen: Den anbrandenden Brechern davonzusegeln. Denn im 171. Jahr seines Bestehens hat die schwere See den Schwarzwälder Hidden Champion erfasst. Die wochenlange Schließung fast aller europäischen Automobilwerke ab Mitte März hat sich in den Büchern des Familienunternehmens, das rund drei Viertel seines Geschäfts mit der Automobilindustrie macht, deutlich bemerkbar gemacht.

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In der Konzernzentrale rechnet man für 2020 mit Umsatzeinbrüchen von bis zu einem Viertel. „Seit Anfang April arbeiten wir kurz“, sagt Schweizer. Zudem beabsichtige man einen Staatskredit in Anspruch zu nehmen. „Das sind schon große Einschnitte“, sagt Schweizer, der das 830-Mitarbeiter-Unternehmen mit einem Umsatz von knapp 121 Millionen Euro in sechster Generation leitet. „Covid-19 hat uns voll erwischt.“

Firmenchef Nicolas Schweizer: Seit sechs Generationen führt die Familie das Unternehmen durch Höhen und Tiefen.
Firmenchef Nicolas Schweizer: Seit sechs Generationen führt die Familie das Unternehmen durch Höhen und Tiefen. | Bild: Schweizer

Die Pandemie, die gerade weite Teile der Industrie in den Ruhemodus versetzt, ist aber nicht das einzige Problem. Für große Teile der deutschen Wirtschaft verdüstern sich die Perspektiven schon länger. „Innerhalb der Industrie ist die Lage bei kleinen und mittelständischen Autozulieferern angespannt“, sagt Heiko Fink, Partner bei der Stuttgarter Unternehmensberatung Horváth. Schon in den vergangenen Jahren hätten der Technologiewandel hin zu E-Mobilität und autonomem Fahren und Veränderungen in den globalen Absatzmärkten die Gewinnspannen geschmälert. Dazu kamen der Brexit und die Trump‘sche Zollpolitik.

Durch die Corona-Krise liefen viele Automobilzulieferer und Maschinenbauer nun zusätzlich „in einen brutalen Kostendruck hinein“, sagt Mittelstands­experte Fink. Der Grund: Da Kunden Aufträge stornieren, bricht der Umsatz weg. Damit steigt die Bedeutung fixer Kosten für Personal, Infrastruktur oder IT, und das schlägt voll auf die Gewinne durch.

Grundsteinlegung der neuen Schweizer-Fabrik in China 2018.
Grundsteinlegung der neuen Schweizer-Fabrik in China 2018. | Bild: Bild: Schweizer

Aber das ist nicht die einzige Herausforderung. Dazu kommt eine geringe Bereitschaft der Einkäufer – speziell der Automobilkonzerne – ihren Zulieferern in der Krise entgegenzukommen. Die enormen Kosten, die den Autobauern durch die Stilllegung ihrer Werke entstehen, werden „nach unten zu den Zulieferern weggedrückt“, heißt es in der Branche. Auf Deutsch: Man beharrt auf Vertragsklauseln, die den Firmen schon in normalen Zeiten wenig Spielraum lassen. Die Branche befinde sich „im Sturm der Mobilitätswende“, schrieben Berater von Roland Berger und Lazard schon im Herbst 2019 in einer Studie. Die Gewinnspannen (Ebit-Margen) der Firmen näherten sich einer kritischen Grenze von sechs Prozent. Bei den Kleinbetrieben sieht es oft noch schlimmer aus. Zwei bis drei Prozent Umsatzrendite seien verbreitet, heißt es von Branchenkennern. In den vergangenen zwei Jahren hätten viele Unternehmen überhaupt keine Gewinne mehr erzielt. Die Corona-Pandemie trifft also auf sowieso schon geschwächte Firmen. „Viele Unternehmen befinden sich gerade in einer Art Überlebensmodus, in dem es gilt, sich mit allen Mitteln Liquidität zu sichern“, sagt Horváth-Partner Fink.

Krisengebiet Schwarzwald

Eines der Krisengebiete ist Baden-Württemberg. In manchen Regionen, wie etwa im mittleren Neckartal, dem Hohenlohischen Land oder Teilen der Schwäbischen Alb ist der überwiegende Teil des Mittelstands direkt von der Automobilindustrie abhängig. Auch der Schwarzwald gehört zu jenen Ecken des Landes. Nach Daten des Freiburger Industrieverbands WVIB, dessen Stammgebiet zwischen Schwarzwald, Alb und Bodensee liegt, tummeln sich hier gut 350 Zulieferer, die gut 190 000 Jobs auf sich vereinen – fast 60 Prozent dieser Firmen sind Klein- und Mittelständler mit weniger als 500 Beschäftigten.

Großaktionär aus China: Das Familienunternehmen Wus

Mitten im Sturm steckt auch der Leiterplattenbauer Schweizer. Schon 2019 gingen die Auftragseingänge auf Talfahrt, und es gab Kurzarbeit. Nach einem kleinen Gewinn 2018 stand 2019 ein Verlust. Die Aktionäre, zu denen neben der Gründerfamilie auch das chinesische Unternehmen Wus gehört, werden wohl für zwei Jahre auf eine Dividende verzichten müssen.

Firmenchef Schweizer, der gerade in China ein neues Werk hochfahren lässt, gibt sich kämpferisch. Die Perspektiven seien gut. Durch den chinesischen Großinvestor Wus habe man einen sehr guten Zugang zum wichtigsten Automobilmarkt der Welt. Gleichzeitig bleibe man ein deutsches Unternehmen. „Zum Produktionsstandort Deutschland stehen wir wie ein Fels in der Brandung“, sagt er. Die Crew bei Schweizer sei so gut aufgestellt, da werde man auch die aktuelle Lage meistern.