Herr Dobelke, die Energiepreise sind infolge des Ukraine-Kriegs explodiert, mittlerweile aber wieder zurückgegangen. Bis Jahresende deckelt der Staat die Strom- und Gaspreise auch für Betriebe größtenteils. Reicht das, um in Deutschland eine energieintensive Produktion aufrechtzuerhalten?

Nein, das reicht nicht. Es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die krisenbedingten Mehrkosten im Energiebereich werden dadurch für uns nur ansatzweise kompensiert. Dazu kommt, dass die Energiepreise in Deutschland generell betrachtet einfach zu hoch sind.

Die Lage ist nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine angespannt. Schon im Herbst 2021 haben die Strompreise erheblich angezogen. Der Kriegsbeginn hat dem noch einmal einen Schub verliehen. Aktuell werden Strom und Gas zwar wieder günstiger, aber es ist nicht absehbar, dass sie wieder auf das Vorkrisenniveau sinken.

Stefan Dobelke leitet die Beschaffung beim Metallguss-Spezialisten Fondium in Singen.
Stefan Dobelke leitet die Beschaffung beim Metallguss-Spezialisten Fondium in Singen. | Bild: Fondium

Das ist auch der Grund, warum die Politik mit zunehmender Schärfe über einen Brücken- oder Industriestrompreis diskutiert. Ist das der richtige Weg?

In der aktuellen Lage brauchen energieintensiv produzierende Unternehmen wie wir ganz einfach deutlich günstigere Strompreise, um hier am Standort langfristig Beschäftigung halten zu können. Wir als Fondium stehen zum Standort, aber die Energiepreisunterschiede im Vergleich zu anderen Weltregionen wie den USA oder Asien dürfen dauerhaft nicht zu groß werden.

Einen Brückenstrompreis, wie ihn ja das Bundeswirtschaftsministerium vorschlägt und wie er auch von den Ministerpräsidenten und den Industriegewerkschaften gefordert wird, sehe ich als einzige Möglichkeit, dass die energieintensive Industrie in Deutschland überlebt.

Kritiker des Brückenstrompreises, der bis 2030 gewährt werden soll, fürchten eine teure Dauersubvention, die sich Deutschland nicht leisten kann.

Die Idee des Brückenstrompreises ist es, die Energiekosten der besonders betroffenen Unternehmen nur so lange zu senken, bis der Zubau erneuerbarer Energien und neue Energieanbieter aus dem Ausland, das Energieangebot und damit auch die Preise wieder auf ein normales Niveau gebracht haben. Ich gehe nicht von einer Dauersubvention aus.

Was, wenn der Brückenstrompreis nicht kommt?

Dann wird der Mittelstand erodieren. Bei großen Konzernen, etwa im Chemiesektor, lässt sich schon länger erkennen, dass Neuinvestitionen insbesondere dort getätigt werden, wo die Energiepreise niedrig sind, etwa in den USA. Wir als energieintensiver Mittelstand können das aber nicht und wollen auch gar nicht woanders hin. So ein Szenario würde für uns darauf hinauslaufen, dass wir Marktanteile an ausländische Konkurrenten verlieren. Anders ausgedrückt würde Produktion abwandern und damit auch Jobs.

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Bei der aktuellen Diskussion um einen Industriestrompreis gibt es zwei Schulen. Die eine sagt, subventionierte Strompreise sind überflüssig, da Grundstoffindustrien wie Chemie, Glas, Stahl, Papier oder Keramik sowieso – also auch mit Subventionen – abwandern werden. Die andere Schule bezweifelt das und verweist auf massive Wertschöpfungsverluste auch in nachgelagerten Bereichen, wenn nicht subventioniert würde. Was stimmt?

Ich bin kein Volkswirtschaftler, aber aufgrund meiner Erfahrung in dem Bereich bin ich mir recht sicher, dass ein Wegbrechen der Grundstoffindustrien auch die Unternehmenslandschaft in der Breite treffen würde. Wir würden dann ein dickes Problem kriegen.

Können Sie das konkretisieren?

Nur ein Beispiel. Um unsere Schmelzprozesse bei Fondium zu fahren, sind wir auf große Mengen Sauerstoff und Stickstoff angewiesen. Diese Rohstoffe müssen aber allein aufgrund der großen Mengen in räumlicher Nähe unserer Standorte hergestellt werden. Würde diese energieintensive Gas-Produktion wegfallen, könnten wir unsere Fertigung quasi dichtmachen. Man kann Sauerstoff und Stickstoff zu vertretbaren Preisen nicht wochenlang über die Weltmeere schippern.

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Ein Turm mit der Aufschrift BASF steht neben Schornsteinen auf dem Werksgelände des Chemiekonzerns BASF. Der Konzern investiert seit Längeren stark im Ausland und stellt besonders energieintensive Tätigkeiten im Inland teils ein. | Bild: Uwe Anspach/dpa

Wie sieht es konkret bei Fondium aus: Haben Sie aufgrund der aktuellen Lage Investitionen im Inland schon zurückgefahren?

Nein, das haben wir noch nicht getan. Wir haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten allerdings auch immer regelmäßig in unsere Anlagen investiert, sodass aktuell nichts Größeres ansteht. Für die Dekarbonisierung der Werke, die wir uns bis 2030 auf die Fahnen geschrieben haben, müssen wir allerdings wieder Millionenbeträge investieren. Und die werden wir nicht finanzieren können, ohne dass sich bei den Energiekosten etwas ändert.

Teure Energie ist nicht das Einzige. Was macht den Standort Deutschland gerade noch unattraktiv?

Das Maß an Bürokratie erdrückt uns. Ein Drittel meiner Arbeitszeit geht derzeit nur für Anträge drauf. Und es wird immer mehr und immer absurder. Das Zweite ist, dass es der Politik daran mangelt, den Firmen langfristige Perspektiven zu bieten. Wenn wir jedes Jahr wieder neu diskutieren müssen, unter welchen Bedingungen Wirtschaft in Deutschland überhaupt noch stattfinden kann, werden wir keine Investitionen in diesem Land halten können. Industrie und Mittelstand brauchen hier vor allem Verlässlichkeit, und die scheint derzeit nicht gegeben zu sein.