Herr Markgraf von Baden, sie haben sich entschieden, rund 60 Hektar Reben, die meisten davon in bester Lage direkt am Bodensee, zu roden. Warum?
Der Weinmarkt erfährt seit einiger Zeit fundamentale Veränderungen. Die Menschen trinken immer weniger Wein. Das, was getrunken wird, kommt oft aus dem Ausland. Hinzu kommt ein stetig steigender Kostendruck. Das betrifft beispielsweise die Betriebsmittel im Weinbau, von Sprit über Pflanzenschutz bis hin zu den Glasflaschen. Aber auch die Löhne sind ein Kostentreiber.
Bei einem Teil unserer Weine, der Linie Markgraf von Baden, hat sich diese Entwicklung in den letzten Jahren bemerkbar gemacht, und wir haben teils rote Zahlen eingefahren. Daher mussten wir reagieren.

Die meisten Winzer machen ihre Geschäfte, wenn auch in einem angespannten Umfeld. Was ist bei Ihnen anders?
Wir sind mit unserem Weingut, dem Markgräflich Badischen Weinhaus, insgesamt gut aufgestellt. Den Großteil unserer Weine vermarkten wir über ein 2017 gegründetes Gemeinschaftsunternehmen mit Rotkäppchen-Mumm in ganz Deutschland.
Dazu gehört etwa unsere Weinmarke 1112, aber auch die in der Region besonders bekannte Bodensee-Linie. Auch unsere neuen alkoholfreien Weine kommen gut an. Dieses Geschäft steht für mehr als 90 Prozent unseres Absatzes. Hier wachsen wir zweistellig und haben in wenigen Jahren nationale Bekanntheit erreicht.
Was ist dann das Problem?
Für unsere Marke Markgraf von Baden, die auf den Flächen um Uhldingen-Mühlhofen und bei Bermatingen kultiviert wird, haben wir zunehmend nicht mehr genügend Absatz. Diese Weine werden traditionell regional vermarktet, vorwiegend über den Fachhandel und in Restaurants. Vertriebswege, die in den vergangenen Jahren drastische Einbrüche erlebt haben.
Die Leute gehen nicht mehr so viel in Restaurants wie früher und trinken dort weniger Weine. Außerdem wird weniger im Fachhandel und deutlich mehr bei Discountern und im Lebensmitteleinzelhandel eingekauft. Dafür ist diese Premiummarke nicht geeignet.

Die veränderten Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher sind also schuld?
Das will ich so nicht sagen. Jeder soll dort einkaufen, wo er will und wir haben dem mit unserer erfolgreichen 1112-Linie Rechnung getragen. Für die Marke Markgraf von Baden haben wir im eben geschilderten Marktumfeld keine positive Prognose.
Sie sind Mitglied im edlen Club der deutschen VDP-Weingüter. Wie kommt ihr Schritt dort an?
Da werden sich einige jetzt auch Gedanken machen. Die Krisen unserer Zeit gehen auch an den VDP-Weingütern nicht spurlos vorbei. Wir haben aber durch unseren Landwirtschaftsbetrieb die Möglichkeit, flexibel zu reagieren.

Ihre Rebhänge am Bodenseeufer sind prägend für die Region und ein Magnet für Touristen. Was sagen die Tourismusverantwortlichen am Bodensee?
Es ist natürlich eine große Veränderung. Aber ist es ja nicht so, dass jetzt Brachen entstehen, wo früher Reben waren. Im Gegenteil: Es entsteht eine strukturierte Kulturlandschaft. Die gerodeten Flächen werden künftig zur ökologischen Erzeugung von Ackerfrüchten genutzt werden.
Bio ist ein Megatrend und ich setzte voll darauf. Auf den Flächen werden künftig Weizen, Dinkel, Sonnenblumen und Soja wachsen. Und wir nehmen Schafe drauf, die Klee und Zwischenfrüchte abweiden. Die bislang konventionell bewirtschafteten Reben weichen, um unsere ökologische Landwirtschaft am Bodensee auszubauen und zu stärken. Nebenbei bemerkt sind die Rebgärten um die Birnau herum nicht so alt wie viele denken.
Nein?
Mein Vater hat den Großteil davon in den 1960ern gepflanzt. Davor waren dort Obstbäume und Wiesen. Diese Zeit geht nun eben nach fast 70 Jahren zu Ende. Landschaften und ihre Nutzung sind nicht statisch und verändern sich.
Gab es keine Interessenten, die Ihnen die Weinberge abkaufen und weiterbetreiben wollten?
Das war keine Option für uns. Wir wollen das Land nicht verkaufen, sondern es anders nutzen, im Einklang von Ökonomie und Ökologie.
Am Bodensee bewirtschaften Sie in Summe rund 90 Hektar Rebflächen. Die Trauben werden auf Schloss Salem gekeltert und gelagert. Was passiert mit den Mitarbeitern?
Im Weinhaus sind knapp 40 Personen, Vollzeitkräfte und Aushilfen, angestellt. Wir werden nicht umhinkommen, uns von Mitarbeitern zu trennen.
Von wie vielen?
Das kann man jetzt noch nicht seriös sagen, aber es wird eine große Zahl der jetzt angestellten sein. Ebenfalls werden wir uns vom Großteil der Maschinen und technischen Anlagen trennen. Wichtig ist aber, dass es nicht von jetzt auf morgen ablaufen wird. Der Prozess wird über ein Jahr dauern, auch weil die aktuelle Ernte ja noch verarbeitet wird. Der Schritt fällt uns schwer, aber er ist notwendig. Wir tun alles, um die Betroffenen beim Übergang zu unterstützen.
Ihre VDP-Weine werden auch auf Schloss Staufenberg in der Ortenau angebaut und verarbeitet. Sie haben dort einen weiteren Winzereibetrieb. Wie ist der betroffen?
Der ist nicht betroffen. Die Rebflächen dort sind viel kleiner als am Bodensee und die Weinvermarktung erfolgt zum Großteil direkt ab Hof. In der Ortenau hat der Weintourismus einen anderen Stellenwert.

Der Markgraf von Baden bleibt also Winzer, aber nicht mehr am Bodensee?
Auch am Bodensee bleibt die Bodensee-Linie mit dem Erfolgsschlager Bodensee Secco bestehen. Wir fahren einen Teil des Geschäfts am See zurück, das stimmt. Aber wir stärken damit den ökologischen Landbau in der Region.
Wie wichtig ist der mittlerweile für Sie?
Gemessen an der Fläche hat die Forstwirtschaft unsere größte Bedeutung, gefolgt von unserem landwirtschaftlichen Öko-Betrieb, den wir nach Naturland-Kriterien bewirtschaften. Dann erst kommt die Weinerzeugung.
Im Ökolandbau wollen sie klimapositiv wirtschaften. Klappt das?
Ja, darauf arbeiten wir hin und sind auf gutem Weg. Wir gehen bei der Bodenbewirtschaftung und Fruchtfolge weit über die Naturland-Vorgaben hinaus. Das kostet Geld, aber ich bin überzeugt, dass es das Richtige ist. Mein Erweckungserlebnis war, als ich vor Jahren auf einem Acker stand, der durch konventionelle Bewirtschaftung in einer Generation mehr als einen Meter Humus verloren hat. Das darf so nicht weitergehen, der Boden ist unser wichtigstes Gut.
Heute bauen wir Humus auf, speichern CO2 und können teils 20 Prozent mehr Wasser als vor einigen Jahren aufnehmen. Und die Biodiversität ist stark angestiegen. Wir schaffen da produktive Klimalandschaften, die noch dazu wunderschön sind!