Viele der Zehntausenden Grenzgänger aus Südbaden sind streng genommen seit Monaten Grenz-Heimarbeiter. Für sie gilt wie für Arbeitnehmer in Deutschland: Wer kann, arbeitet von zu Hause, pendelt mithin also auch nicht zur Arbeit ins Schweizer Büro.
In der Schweiz gab es zwischenzeitlich eine Homeoffice-Pflicht, eine Empfehlung gilt noch immer. Entsprechend haben beide Länder eine Sonderregelung verlängert. So gilt der Grenzgänger-Status bis vorerst Ende des Jahres auch ohne Aufenthalt im Nachbarland. Ob und wie lange diese Regelung auch 2022 gelten wird, ist völlig offen.
Es wird der Tag kommen, an dem Homeoffice aus epidemischer Sicht weniger dringlich ist. Diverse Studien zeigen aber: Nur wenige Bürotätige wollen nach Corona wieder vollständig zurück. Die zuständigen Behörden der beiden Partnerländer sollten deshalb an einer langfristigen Lösung interessiert sein – wegen der Frage der Besteuerung schon aus Eigeninteresse. Sind sie aber nur bedingt.
Sonderregel für Grenzgänger im Homeoffice ja, Dauerregel nein?
Wie steuerrechtlich mit Grenzgängern umzugehen sein wird, werde man „zu gegebener Zeit in Abwägung aller Entwicklungen diskutieren“, erklärt Mario Tuor, Sprecher des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen der Schweiz. Eine Sprecherin des deutschen Bundesfinanzministeriums beruft sich auf die Abstimmung mit der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).
Auf dieser Ebene wolle man sich „voraussichtlich erst im nächsten Jahr“ mit Fragen international mobiler Beschäftigter beschäftigen. Bisherige Diskussionen hätten aber gezeigt, dass viele Staaten zwar bereit für eine vorübergehende Sonderregel waren, aber nicht gänzlich vom Arbeitsortprinzip bei der Besteuerung abkehren wollen.
Knackpunkt Sozialversicherungen
Für viele Berufspendler in die Schweiz wichtiger als die Steuerfrage ist die der Sozialversicherungen. Grundsätzlich gilt für Grenzgänger: Sie sind im Arbeitsland abzuschließen, solange man mindestens drei Viertel seiner Arbeit dort erledigt. Wenn die Sonderregel zum Aussetzen dieses Abkommens endet, dürften Grenzgänger ab 1. Januar 2022 wieder maximal 25 Prozent im Homeoffice arbeiten. Ansonsten müssten sie sich in Deutschland sozialversichern.
Bemerkbar würde sich dies vor allem bei der Krankenkasse machen. Hier setzen viele Grenzgänger schon jetzt auf die teils günstigeren Tarife Schweizer Versicherer, obwohl sie von einem Optionsrecht Gebrauch machen könnten, um eine deutsche Krankenversicherung zu wählen.

50-50-Modelle: Tendenz zur Hybrid-Arbeit in der Schweiz
Wie in Deutschland verliert Präsenzarbeitszeit auch in der Schweiz an Bedeutung. Von immer mehr Unternehmen hört man, dass auch Grenzgänger zum Homeoffice aufgerufen werden. In einem Firmen-Blog der Roche-Tochter Foundation Medicine wird berichtet, dass man aktuell 50 Prozent mobiles Arbeiten fördere. Auch der Ernährungs- und Gesundheitskonzern DSM hat mit seinem gerade bis 2023 entstehenden Campus in Kaiseraugst bei Rheinfelden flexible Arbeitsformen und -plätze im Blick.
Das Basler Pharmaunternehmen Novartis spreche seit Juni 2020 mit den Mitarbeitern – darunter knapp 1800 Grenzgänger aus Deutschland – über Arbeitsmodelle der Zukunft. Aktuell arbeiten laut einer Sprecherin etwa 60 Prozent von auswärts. Langfristig wünsche sich eine Mehrheit der Angestellten ein 50-50-Modell aus Präsenz- und mobiler Arbeit. Konkurrent Roche (etwa 2300 Grenzgänger aus Deutschland) geht laut eines Sprechers ebenfalls davon aus, dass sich ein solches Hybrid-Modell durchsetzen wird.
Schweizer Firmen wünschen Homeoffice-Klarheit nach Corona
Der Thurgauer Zughersteller Stadler mit rund 550 deutschen Grenzgängern prüfe laufend die Arbeitsplatzmodelle, erklärt ein Firmensprecher. Beim Baustoff-Konzern Holcim können einige Grenzgänger aus dem Support gerade im Homeoffice arbeiten. „Langfristig begrüßen wir jede Erleichterung und Reduktion von administrativen Hürden“, erklärt Firmensprecherin Vanessa Arber. Man erwarte klare Rahmenbedingungen, auch bei der Frage der Sozialversicherungen.
Letztlich, erklären alle angefragten Schweizer Unternehmen, müsse man sich für eine Dauerlösung nach der Politik richten. Auch hier dürfte es vor allem um die Krankenkasse für Grenzgänger gehen. Anders als in Deutschland gibt es in der Schweiz keinen Arbeitgeberanteil bei den gesetzlichen Beiträgen. Mit Grenzgängern, die mindestens 25 Prozent im Homeoffice arbeiten, müssten die Schweizer Firmen klären, ob und wie die Beiträge für die dann verpflichtende deutsche Krankenkasse gezahlt würden.
Droht Grenzgängern künftig eine Ungleichbehandlung?
Novartis-Sprecherin Anna Schäfers erklärt, mehr Flexibilität würde „eine ungleiche Behandlung von Grenzgängern und in der Schweiz wohnhaften Mitarbeitenden vermeiden helfen“. Das Unternehmen könne verstehen, dass auch Grenzgänger mehr als die regulär erlaubten 24,9 Prozent im Homeoffice arbeiten möchten.
Trotzdem erteilt Novartis eine Absage und begründet das mit sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Gründen. „Eine Veränderung dieser Parameter würde eine Neuverhandlung verschiedener bilateraler Abkommen bedingen“, sagt Sprecherin Anna Schäfers. Bleibt die Frage, wann die Finanzbehörden dies- und jenseits der Grenze den Zeitpunkt für eine dauerhafte Lösung nach Ende 2021 als gegeben erachten.