Folgt auf den Homeoffice-Hype die Homeoffice-Müdigkeit? Sind die deutschen Arbeitnehmer nach gut einem Jahr Pandemie scharf darauf, wieder den ganzen Tag im Büro zu verbringen? Eine Studie der Uni Konstanz zeigt: mitnichten. Im Gegenteil. Die Langzeitstudie, die im März 2020 ihren Anfang nahm, zeigt längst einen Trend, der für die Arbeitswelt unumkehrbar sein dürfte. Hybridarbeit heißt das Modell der Zukunft.
Das zumindest legen die Ergebnisse der jüngsten Befragung von Ende Juni nahe, wie Organisationsforscher und Studienleiter Florian Kunze dem SÜDKURIER erläutert. 68 Prozent der Arbeitnehmer wünschen sich demnach hybrides Arbeiten, also eine Kombination von Homeoffice und Büroarbeit. „Das widerspricht dem Narrativ, die Deutschen seien Homeoffice-müde“, sagt Kunze. Das Gegenteil ist der Fall: Der Anteil der Wunscharbeitstage zu Hause ist seit der vergangenen Befragung im Januar sogar noch deutlich gestiegen. 3,28 Tage wollen die Teilnehmer der Studie demnach im Homeoffice arbeiten. Bislang lag der Wert relativ stabil bei circa 2,8.

Nur zwölf Prozent wollen zurück ins Büro
Die Studie, an der insgesamt 699 Arbeitnehmer (an der aktuellen Umfrage 346 Berufstätige) teilnehmen, repräsentativ nach Alter und Geschlecht für die deutschen Erwerbstätigen, zeigt aber auch: Die anderen beiden Extreme sind deutlich weniger beliebt. Nur zwölf Prozent können sich vorstellen, wieder komplett im Büro zu arbeiten, 21 Prozent wollen ausschließlich von zu Hause aus arbeiten.
Aber wie handhaben die Unternehmen die Phase nach dem Homeoffice? Erstaunlich: Nur 49 Prozent der Befragten geben an, bereits eine Dienstvereinbarung zu mobilem Arbeiten angeboten bekommen zu haben. Lediglich 21 Prozent haben dazu eine Schulung erhalten, nur 32 Prozent wurden von ihrem Arbeitgeber dazu befragt, wie sie künftig arbeiten wollen.

54 Prozent sprachen sich inzwischen für ein Recht auf Homeoffice aus. 62 Prozent der Befragten fordern eine stärkere gesetzliche Regelung für das mobile Arbeiten beziehungsweise das Homeoffice. Kunze sieht vor allem die Notwendigkeit einer gesetzlichen Definition von Homeoffice und mobilem Arbeiten. Denn während es für die Telearbeit bereits strenge gesetzliche Vorgaben gibt, wonach der Arbeitsplatz zu Hause wie im Büro ausgestattet werden muss, sind die beiden neuen Arbeitsformen noch nicht geregelt.
Gesetzliche Regelung gefordert
Diese „sollten nicht so streng ausfallen wie bei der Telearbeit, denn das dürfte viele Arbeitgeber abschrecken“, sagt Kunze. Trotzdem brauche es einen gesetzlichen Rahmen, allein schon wegen versicherungstechnischer Fragen, betont er. Darf ich beispielsweise reisen und von anderswo mobil arbeiten? Oder ist nur das klassische Homeoffice, die Arbeit zu Hause, erlaubt?
Nur 29 Prozent der Unternehmen, für die die Befragten arbeiten, planen der Umfrage zufolge, Büroflächen zu reduzieren, also auf den Trend von einem höheren Anteil mobilen Arbeitens einzugehen.

Kunze sieht das kritisch: So geben die großen Dax-Konzerne die Arbeit der Zukunft vor, glaubt er. Sie wollen Homeoffice im großen Stil weiter betreiben, weil sich dadurch auch viele Kosten einsparen ließen, erklärt Kunze. Kleinere Unternehmen seien nicht so flexibel, für sie bedeute der Schritt zu dauerhaft mehr mobilem Arbeiten – ob von zu Hause oder von unterwegs – eine massive Umstrukturierung.
Dennoch könnten sie den Trend nicht ignorieren, mahnt Kunze: „Die Präferenz der Arbeitnehmer zu mehr Homeoffice ist stark. Wer da nicht mitzieht, könnte sich über kurz oder lang als Arbeitgeber unattraktiv machen.“ Dennoch glaubt auch der Forscher nicht, dass sich der Trend bei allen Unternehmen durchsetzen werde.
Fortgang der Pandemie dürfte Homeoffice noch erhalten
Vorerst dürfte ohnehin die noch nicht überstandene Pandemie die Arbeitgeber davon abhalten, zu schnell zu Präsenzarbeit zurückzukehren. Unter den Befragten war nur ein Drittel (34 Prozent) vollständig geimpft. „Der Arbeitsplatz kann eine neue Welle antreiben“, sagt deshalb auch Kunze. Er hält es nicht für sinnvoll, die Arbeit im Büro für alle wieder verpflichtend einzuführen.
Organisationsforscher Kunze will die Entwicklung weiter verfolgen. Die Studie sieht insgesamt 13 Befragungen vor. Im Herbst soll die nächste Umfrage folgen.