Einen kleiner Damm führt Besucher zu jeder Jahreszeit auf die Mainau. Blätter, Blumen und Touristen – das ist es, wovon die drittgrößte Insel im Bodensee lebt. Jährlich kommen rund 1,25 Millionen Menschen, um sich die prächtigen Rosen, Tulpen und Dahlien anzuschauen.

Herrin der Insel ist seit 14 Jahren Bettina Gräfin Bernadotte. Den Job als Geschäftsführerin übernahm sie aus der Not heraus. Und so war der Einstieg ins Unternehmen für die damals 28-Jährige ein Sprung ins kalte Wasser. Die Unternehmensnachfolge hatte die Familie Bernadotte eigentlich anders geplant – durch den ältesten Sohn Björn. Doch dann durchkreuzte die Wirklichkeit die Zukunftspläne.

Die Blumeninsel Mainau mit ihrem Schloss besuchen jährlich rund 1,25 Millionen Menschen.
Die Blumeninsel Mainau mit ihrem Schloss besuchen jährlich rund 1,25 Millionen Menschen. | Bild: Achim Mende

Als Gräfin Sonja, die für die Mainau GmbH über Jahre die Verantwortung trug, schwer erkrankte, war eine schnelle Entscheidung notwendig, wie die Nachfolge an der Spitze des Unternehmens neu organisiert werden sollte. „Ich war zu dem Zeitpunkt die einzige, die ihr Studium abgeschlossen hatte“, erinnert sich Gräfin Bettina bei einem Gespräch im Schloss auf der Mainau. „Ist halt ein Familienunternehmen“, fügt sie hinzu. Eine Verpflichtung, der sie und ihre Geschwister sich bewusst sind.

So blieb ihr kaum eine Wahl, als in die, wie sie sagt, „sehr großen Fußstapfen“ ihrer Mutter zu treten und nach einer intensiven Übernahmephase mit 33 Jahren die Geschäftsführung zu übernehmen. Es habe keine wirkliche Alternative gegeben. „Wir als Familie wollen, dass die Mainau maximal lange existiert“, erklärt die studierte Tourismus-Betriebswirtin die klare Zielsetzung der Familie. Da ordnete sich alles unter. Auch ihre Pläne nach dem Studium ins Ausland zu gehen.

Bild 2: Frauen als Nachfolgerinnen in Familienunternehmen: Bettina Gräfin Bernadotte wurde schon mit 33 Jahren Geschäftsführerin der Mainau – wie sie Familie und Karriere unter einen Hut bekommt
Bild: Oliver Hanser
„Wir als Familie wollen, dass die Mainau maximal lange existiert“
Bettina Gräfin Bernadotte

Doch leicht sei das nicht gewesen: Die Verantwortung wog schwer. Die Mainau erwirtschaftet einen Jahresumsatz von etwa 27 Millionen Euro. Das Einkommen von rund 300 Mitarbeitern und deren Familien hängt daran, dass die 45 Hektar große Touristenattraktion schwarze Zahlen schreibt und ihre Besucher für die Natur begeistern kann.

Von dem Druck merkt man heute nichts. Die Gräfin ist in die Rolle der Geschäftsfrau hineingewachsen und füllt diese selbstbewusst aus. Trotzdem ist sie als Frau an der Spitze eines Unternehmens noch immer in der Minderheit. Noch weniger Töchter werden später Geschäftsführerinnen von Familienunternehmen. „Ich war in der Nachfolge als Tochter nicht auf dem Schirm“, sagt auch die 47-Jährige, die älteste von fünf Kindern.

Unternehmensnachfolge wird nur langsam weiblich

Frauen sind in den Führungsetagen unterrepräsentiert. Vereinzelt geben Studien einen Blick auf das Thema. So zeigte die Allbright-Stiftung, dass 71 von den 100 größten Familienunternehmen in Deutschland von Männern geleitet werden. In den Geschäftsführungen beträgt der weibliche Anteil lediglich sieben Prozent. Und fokussiert man auf die Töchter sieht es noch dürftiger aus: nur drei Töchter wurden laut Studie in dieser Gruppe von ihrer Familie zur Unternehmenslenkerin ernannt.

Doch die traditionellen männlich geprägten Strukturen lösen sich auf, sagt Tom Rüsen, Geschäftsführender Direktor des Wittener Institutes für Familienunternehmen (WiFU). Er befasst sich seit über zehn Jahren mit dem Thema „Töchter in der Unternehmensnachfolge“. Und er kommt zu dem Schluss, dass sich die Gesellschaft in diesem Punkt in einem extremen Umbruch befindet. „Töchter lassen sich nicht mehr einfach so abspeisen“, so Rüsen.

Bild 3: Frauen als Nachfolgerinnen in Familienunternehmen: Bettina Gräfin Bernadotte wurde schon mit 33 Jahren Geschäftsführerin der Mainau – wie sie Familie und Karriere unter einen Hut bekommt
Bild: WiFu
„Kein Mensch kann mir erklären, warum eine Tochter nicht genauso gut ein Unternehmen führen kann.“
Tom Rüsen, Wittener Institut für Familienunternehmen

Um Chefin zu werden, steht den Frauen vor allem ihre historisch zugedachte Rolle im Weg. Als Mutter haben sie traditionell die Aufgabe, sich um die Kinder und die Familienführung zu kümmern. Wenn nicht geklärt ist, wie diese Aufgaben künftig verteilt werden, dann bleibt wenig Spielraum sich beruflich zu verwirklichen. „Unsere Studie zeigt, dass überwiegend die operativ tätigen Nachfolgerinnen auch die Familienarbeit übernehmen und damit eine Doppelbelastung haben“, erzählt Rüsen.

Gegen diese patriarchalischen Strukturen hat auch Bettina Gräfin Bernadotte als Mutter von drei Kindern ankämpfen müssen, als sie ins Unternehmen einstieg. „Es gab Erwartungen aus meinem Umfeld, wie eine Mutter Zeit für Ihre Kinder haben soll“, sagt sie. Kinderfrau und ein früher Kitabesuch stießen nicht überall auf Verständnis.

Die Mainau: Touristenmagnet am Bodensee

Für sich selbst hat sie entschieden, dass sie beides möchte – das Unternehmen leiten und Mutter sein. Sie war sicher, einen guten Weg für sich und die Familie zu finden – wenn sie bereit sein würde, nicht 60 Stunden im Betrieb zu verbringen, aber auch nicht den Anspruch zu haben, bei jedem Kindergeburtstag mit einem selbst gebackenen Kuchen aufzulaufen. Geholfen habe ihr der Austausch mit anderen Frauen, der Vergleich anderer Lebensmodelle. Zu sehen, wie schaffen andere das. „Für diesen Austausch und diese Erkenntnis bin ich total dankbar.“

Gräfin Bettina Bernadotte 2021auf der Insel Mainau Bild: Hanser
Gräfin Bettina Bernadotte 2021auf der Insel Mainau Bild: Hanser

Zweifel an dem eingeschlagenen Weg

Trotzdem kamen die Zweifel. „Ich habe mich gefragt, ob das wirklich gut ist oder ob etwas auf der Strecke bleibt.“ Denn wie wird man trotzdem seinen Aufgaben gerecht, ohne dass Familie oder Beruf zu kurz kommen? Für Gräfin Bettina ist Work-Life-Blending die Lösung, eine Idee, bei der die Arbeitszeit und die privaten Aktivitäten sich überlagern und feste Strukturen aufgebrochen werden. „Klar ist das organisatorisch auch nicht einfach, aber es ist großartig. Das kann ich allen Arbeitgeberinnen empfehlen“, zeigt sie sich von dieser Idee überzeugt.

Wissenschaftler Rüsen sieht das Work-Life-Blending auf dem Vormarsch. Das sei eine Möglichkeit auch Familie im beruflichen Kontext zuzulassen, wenn es am anderen Ende nicht zur totalen Selbstausbeutung führt.

Auf der Mainau saß mit Gräfin Sonja schon vor ihrer Tochter eine Frau im Chefsessel. „Für unser Unternehmen Mainau GmbH war es nie ein Thema, dass ich eine Frau bin“, sagt die Nachfolgerin. „Unsere Mutter hat da ein Vorbild geliefert – für mich und für das Umfeld.“ Trotzdem wollte sie nicht einfach nur kopieren, sondern sich auf ihre eigenen Stärken besinnen.

Gespräch im Schloss Mainau: Bettina Gräfin Bernadotte (rechts) spricht mit SÜDKURIER-Reporterin Julia Kipping über die Herausforderungen ...
Gespräch im Schloss Mainau: Bettina Gräfin Bernadotte (rechts) spricht mit SÜDKURIER-Reporterin Julia Kipping über die Herausforderungen als Tochter in der Unternehmensnachfolge. | Bild: Oliver Hanser

Bereits 2002 stieg sie in das Unternehmen ein und bereitete sich mithilfe von Mutter und Coach auf die neue Aufgabe vor. „Das lief natürlich nicht ohne Konflikte ab“, erinnert sich Gräfin Bettina. Denn zu dem Rollenverhältnis Mutter und Tochter sei nun noch das geschäftliche gekommen, als Geschäftspartnerinnen. Doch dank des Coaches sei es gelungen, die Rollen klar voneinander zu trennen.

Frauen fehlen die Vorbilder

Den meisten Nachfolgerinnen fehlen diese Vorbilder, sagt Tom Rüsen. Und auch die Erziehung spiele eine große Rolle. „Frauen werden so gemacht, wie sie sind. Das hat etwas mit der Haltung und der Erziehung zu tun, mit den Botschaften, die vermittelt werden.“ Wenn Frauen vermittelt werde, sie sollten auf ihr Aussehen achten und eine gute Mutter und Hausfrau werden, dann kämen sie nicht unbedingt auf die Idee, sich für einen Aufsichtsratsposten zu bewerben.

„Da haben wir als Gesellschaft durch unsere Borniertheit in der Vergangenheit eine Menge an weiblichen Potentialen nicht genutzt.“
Tom Rüsen, Wittener Institut für Familienunternehmen

Doch auch nicht alle potenziellen Nachfolger reißen sich um die Verantwortung für ein Unternehmen. „Die Bereitschaft in die Nachfolge zu gehen, ist tendenziell rückläufig“, so Rüsen. In einer zunehmend individualisierten Gesellschaft versuche jeder, das für ihn geeignete Lebensmodell zu finden und dass sei für Söhne auch nicht unbedingt der Chefsessel. Folglich seien die Seniorgenerationen gezwungen, auch das Potential der Frauen mitzuerschließen. Oft werde heute zwischen den Geschlechtern kein Unterschied mehr gemacht, ist sich Rüsen sicher. Wer geeigneter ist, bekommt den Chefposten. „Da haben wir als Gesellschaft durch unsere Borniertheit in der Vergangenheit eine Menge an weiblichen Potenzialen nicht genutzt.“