Lukas von Hoyer

Das Bürgergeld verschlingt derzeit so viele Mittel wie noch nie. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) gab jüngst bekannt, dass im neuen Haushaltsentwurf der Bundesregierung 29,6 Milliarden Euro für das Bürgergeld im Jahr 2025 eingeplant sind. Im Vergleich zum Haushalt des Vorjahres ist das ein Anstieg um 3,1 Milliarden Euro oder auch 11,7 Prozent. Wenn man die zusätzlichen Leistungen wie Mietzahlungen addiert, die Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger erhalten, kommt man 2025 auf Bürgergeld-Kosten in Höhe von 42,6 Millionen Euro. Auch das ist ein Rekord. Das Problem bei dieser Rekordjagd: Union und SPD wollen die Kosten für die Grundsicherung senken, nicht in neue Sphären steigen lassen. Doch wie soll das gelingen?

Bürgergeld: Union sieht Einsparungspotenzial – SPD ist weniger optimistisch

Aus dem Bürgergeld wollen Union und SPD die Neue Grundsicherung machen. So weit, so klar. Wie diese Grundsicherung weniger Geld kosten soll als das Bürgergeld, ist hingegen noch nicht ganz so klar. Im Wahlkampf hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) laut dem Handelsblatt von „zweistelligen Milliardenbeträgen“ gesprochen, die bei der Grundsicherung gespart werden könnten. „Beim Bürgergeld gibt es durchaus erhebliches Einsparpotenzial. Damit ließen sich jedenfalls mittelfristig auch Stromsteuersenkungen finanzieren“, legte nun Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) nach, wie der Spiegel berichtet.

Doch der Koalitionspartner scheint nicht ganz so optimistisch zu sein – und nennt eine komplett andere Größenordnung als Merz. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sprach im ARD-Morgenmagazin von Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro, die beim Bürgergeld für den Haushalt 2026 vorgesehen seien. Im Jahr 2027 sollen 3,5 Milliarden Euro eingespart werden. „Viel mehr wird da nicht herauszuholen sein“, erklärte Klüssendorf und stellte klar, dass es eben auch Geld koste, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet von Plänen, 2026 rund 1,5 Milliarden Euro und 2027 etwa 4,5 Milliarden Euro einzusparen. Doch Experten sind auch bei dieser Größenordnung skeptisch.

Einsparung durch weniger Bürgergeld-Empfänger: Es gibt zwei Probleme

Einsparungen bei der Grundsicherung möchten Union und SPD laut Middelberg vor allem durch die Vermittlung von Empfängerinnen und Empfängern in Arbeit erreichen. Derzeit erhalten rund 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld, wie aus Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervorgeht. Middelberg spricht von vier Millionen Personen dieser Gruppe, die erwerbsfähig seien, aber nicht oder nur in geringem Umfang arbeiten würden. Doch bei ihrer Vermittlung ist BA-Chefin Andreas Nahles vor allem wegen der derzeitigen Situation am Arbeitsmarkt skeptisch. Laut dem Handelsblatt-Bericht geht sie eher davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen in diesem Sommer die Marke von drei Millionen knackt. Im Mai 2025 waren laut BA-Angaben 2,92 Menschen in Deutschland arbeitslos gemeldet.

Für Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro hält es Nahles außerdem für nötig, die Zahl der Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger um etwa 100.000 zu senken. Das sei schon deswegen schwierig, weil selbst Personen, die in Arbeit vermittelt werden könnten, nicht automatisch aus dem Bürgergeld ausscheiden. Bei vielen würde es sich um „Aufstocker“ handeln, die mit ihrem Gehalt den Lebensunterhalt nicht bestreiten könnten.

Einsparung durch Leistungskürzung „mehr als fraglich“

Einsparungen bei der Grundsicherung erhofft sich die Union auch durch Leistungskürzungen, das wurde zuletzt deutlich. Das neue Konzept soll einen Bewerbungszwang und schärfere Sanktionen mitbringen. Bei den Plänen könnte die Bundesregierung allerdings in mehrfacher Hinsicht an ihre Grenzen kommen. Einerseits ist durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geregelt, dass die Leistung nicht auf weniger als 30 Prozent gekürzt werden können, der komplette Entzug, wie ihn Merz in manchen Fällen fordert, also nicht möglich ist. Andererseits dürfen zwar die Leistungsempfängerinnen und -empfänger selbst, aber nicht Partner und Kinder sanktioniert werden.

Stefanie Seele, Arbeitsmarktökonomin beim Institut der deutschen Wirtschaft, glaubt ohnehin nicht an einen großen Einspareffekt durch Leistungskürzungen. Sie glaubt zwar, dass ein Anreiz für eine Arbeitsaufnahme geschaffen werden könnte, es sei aber „mehr als fraglich“, ob damit Einsparungen von mehreren Milliarden Euro möglich seien, erklärte Seele dem Handelsblatt.

Kann bei der Grundsicherung überhaupt gespart werden?

Bei den Problemstellungen fragt man sich, ob beim Bürgergeld oder einer neuen Grundsicherung überhaupt gespart werden kann. „Auch wenn das Sofortprogramm der Bundesregierung die wirtschaftliche Lage deutlich verbessern kann, reduziert sich die Arbeitslosigkeit vermutlich erst ab Herbst 2026“, zeigt sich Seele im Gespräch mit dem Handelsblatt skeptisch. Sie rechne im kommenden Jahr nicht mit einer sinkenden Arbeitslosigkeit und daher auch nicht mit sinkenden Kosten für die Grundsicherung.

Auch Roman Wink von der Bertelsmann-Stiftung ist skeptisch. Der Bürgergeld-Experte, der mit seinem Team eine Studie zur Grundsicherung vorgelegt hat, glaubt, dass ein großes Problem die Verteilung der Gelder sei. Demnach sind die Bürgergeld-Budgets „unrealistisch geplant, weil Verwaltungsausgaben massiv unterschätzt werden“, wie Wink dem Handelsblatt erklärte. Jedes Jahr würden die Jobcenter rund eine Milliarde Euro nur für die Verwaltung ausgeben. Geld, das bei der Vermittlung von Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfängern gebraucht wird. Wink glaubt, dass nur eine „gezielte individuelle Förderung“ mit moderaten Sanktionierungen zu Einsparungen führen könnte.

Baustellen gibt es für Union und SPD rund um die Neue Grundsicherung offenkundig viele. Immer wieder gab es Berichte über Streitigkeiten und Positionen, die weit auseinander liegen würden. „Ich glaube, der Ärger ist schon wieder bisschen verflogen, weil wir jetzt auf einem guten Weg sind, heute auch im Koalitionsausschuss da zu gemeinsamen Lösungen zu finden“, besänftigte Klüssendorf im Morgenmagazin. Er hält es für richtig, dass Merz zuletzt von Kommunikationsproblemen sprach, die nun aus der Welt geschafft wurden. Union und SPD müssen jetzt aber zeigen, wie sie Einsparungen durch ihre Bürgergeld-Reform wirklich erreichen können.