Russland ist mittlerweile Spitzenreiter unter den internationalen Abnehmern von Bier, das in Baden-Württemberg gebraut wurde. Die Zahlen für das Jahr 2023, die das Statistische Landesamt am Montag veröffentlich hat, sorgen nicht nur bei Biertrinkern für kritisches Aufsehen:

Immerhin haben zahlreiche Unternehmen nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ihre Geschäftsbeziehungen nach Russland gekappt.

Bier im Wert von 23,1 Millionen Euro ist nach Angaben der Landesstatistiker im vergangenen Jahr aus Baden-Württemberg nach Russland geflossen. Insgesamt verkauften die Brauereien im Südwesten für 103,9 Millionen Euro Bier ins Ausland.

Das entspreche rund rund 136 Millionen Litern sowie im Vergleich zum Vorjahreswert 2022 einem Wertzuwachs von 17,1 Prozent. Die russischen Abnehmer haben somit Italien als bisheriger Spitzenreiter unter den Bestimmungsländern abgelöst.

Kein Verstoß gegen Sanktionen

Illegal ist der Export von baden-württembergischen Gerstensaft nach Russland tatsächlich nicht. Zwar sind nach der Annexion der Krim von der Europäischen Union Sanktionen gegen Russland verhängt und diese nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine verstärkt worden, aber es gibt Ausnahmen, erklärt das Wirtschaftsministerium in Stuttgart.

So seien von den Ausfuhr- und Einfuhrbeschränkungen Erzeugnisse ausgenommen, die in erster Linie für den Verzehr bestimmt seien. Ebenso ausgenommen seien bestimmte Produkte für den Gesundheits-, Pharma- und Agrarbereich, um der russischen Bevölkerung nicht zu schaden.

„Es handelt sich um eine freie unternehmerische Entscheidung, ob und mit wem eine Brauerei eine Handelsbeziehung eingeht“, argumentiert auch das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz auf Anfrage des SÜDKURIER.

Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) bekräftigt jedoch, dass angesichts des brutalen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine jedes Unternehmen für sich selbst bewerten müssen, mit wem es Geschäftsbeziehungen unterhalte. Die Badische Staatsbrauerei Rothaus, bei der Hauk Aufsichtsratsvorsitzender ist, liefert nach seinen Angaben zumindest kein Bier nach Russland.

Bier-Absatz nicht auf Vor-Corona-Niveau

Rund 212 Brauereien gibt es im Südwesten, so die Statistik des Baden-Württembergischen Brauerverbundes. Rund 80 Betriebe seien Kleinstbrauereien, die eher für örtliche Abnehmer produzierten, sagt Hans-Walter Janitz, Geschäftsführer des Verbundes. Wie viele der großen Brauereien ins Ausland und hier nach Russland exportierten, sei dem Verband nicht bekannt.

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Janitz spricht aber von einem „großen Dilemma“. Die wirtschaftliche Situation vieler Brauereien sei angespannt. Der Bier-Absatz habe längst nicht wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Die Krise der Gastronomie sei zudem stark zu spüren.

Der moralische Druck, die Ausfuhr nach Russland infrage zu stellen, bestehe natürlich. Allerdings seien vom Export viele der 5000 Arbeitsplätze in der Branche abhängig. Verträge zu kündigen, hätte unweigerlich einen Personalabbau zur Folge, sagt Janitz.