Herr Kaiser, Decathlon rollt seit Jahren von Frankreich aus kommend den europäischen Einzelhandel für Sportartikel auf. Auch in Deutschland ist man auf Expansionskurs. Wie sieht der genau aus?
Stefan Kaiser: Bis 2027 wollen wir in Deutschland 60 neue Filialen eröffnen, zusätzlich zu den schon bestehenden weit über 90. Deutschland ist für Decathlon in Europa im Moment einer der wichtigsten Wachstumsmärkte.

Warum?
Kaiser: Es ist einer der größten Sportartikelmärkte des Kontinents, und wir haben hier noch die geringsten Marktanteile im Vergleich zu anderen Ländern der EU. Das soll sich ändern. Deutschland ist ein Fokusland für Decathlon und steht im Zentrum seiner Expansionsstrategie.
Warum ist das Decathlon-Geschäft in Deutschland bislang unterentwickelt?
Kaiser: In Spanien, Frankreich und Italien sind wir seit langem mit Abstand Marktführer. Deutschland war für uns immer attraktiv, ganz einfach weil es der größte Markt, aber auch schwierig zu erschließen ist. Das Baurecht ist ziemlich kompliziert und hat eine zügige Expansion ausgebremst. Dazu kommt eine recht starke Konkurrenz, bestehend aus anderen Handelsketten und dem inhabergeführten Fachhandel. Grundsätzlich musste sich aber auch unser Konzept des Multisporthändlers zu Beginn in Deutschland erst einmal etablieren. Mittlerweile sind wir im Sporthandel aber nicht mehr wegzudenken.

Was macht Sie so sicher, dass ihre ambitionierten Expansionspläne in Zeiten Internets klappen?
Kaiser: Der inhabergeführte Einzelhandel schwächelt, viele Sportgeschäfte schließen. Der Rückzug großer Warenhäuser bietet uns die Möglichkeit, Toplagen in Innenstädten anzumieten. Unser Markt in Konstanz, der kürzlich eröffnet worden ist, ist ein gutes Beispiel für Chancen, die sich so für uns ergeben. Gleichzeitig ändern wir im Moment unsere Strategie und setzen nicht mehr ausschließlich wie in der Vergangenheit auf große Märkte auf der grünen Wiese, sondern verstärkt auf neue Vermarktungsformen, die zum Ziel haben, uns noch näher zum Kunden zu bringen.
Wie soll das laufen?
Kaiser: Die großen Multi-Stores auf der grünen Wiese, in denen man wirklich alle Produkte vor Ort bekommt, bleiben weiter unser Erfolgsrezept. Das lieben und schätzen unsere Kunden. Neu hinzu kommen jetzt mittelgroße und sehr kompakte Ladengeschäfte, etwa auf frei werdenden zentralen Flächen in Warenhäusern wie Galeria, Breuninger oder Wöhrl.
In diesen werden Schwerpunkte gesetzt, etwa auf Wassersport und Bergsport wie in der Konstanzer Filiale. In Konstanz ist das der Nähe zum See und den Bergen geschuldet. Reitartikel finden Sie aber hier beispielsweise im Sortiment nicht. Diese sind aber in der Filiale per Click und Collect ohne Versandkosten abholbar, wenn man sie im Internet vorab bestellt. Außerdem kann man sich über digitale Terminals in der Filiale Produkte kostenlos nach Hause liefern lassen. Unser Ziel ist es, ein Netzwerk von Stores zu errichten, die eng verzahnt mit unserem Online-Geschäft sind.

Der Kunde wird Decathlon also künftig eher wie Tchibo oder Starbucks wahrnehmen, also als Marke, die an vielen Ecken im urbanen Raum präsent ist?
Kaiser: Zumindest in den Großstädten ist das so, ja. Wir wollen einen direkteren Zugang zum Kunden erzeugen. Bis zum Jahr 2030 sollen 90 Prozent der Deutschen innerhalb von 20 Minuten bei einem Decathlon sein.

Neu ist das nicht. Ikea ergänzt sein Filialnetz seit einiger Zeit durch Planungsstudios in den Innenstädten und auch Elektronikmärkte wie Media-Markt oder Saturn setzen mittlerweile auch auf Mini-Filialen. Kupfern Sie also nur ab?
Kaiser: Wir glauben, dass der Ansatz Erfolg zeigen wird. Dort, wo wir bislang so vorgehen, gibt uns der Erfolg recht. Wir wollen ganz klar die Nummer eins auf dem deutschen Sportartikelmarkt werden.
Während sich der Handel generell aus den Innenstädten zurückzieht, gehen Sie jetzt hinein. Glauben Sie an die Zukunft der deutschen Innenstädte?
Kaiser: Man kann da nichts über einen Kamm scheren. Es gibt sicher deutsche Innenstädte, in denen das nicht funktioniert. Anderswo gibt es gute Ideen, die etwa den Eventcharakter der Sportwelt oder von allgemeinen kulturellen Schwerpunkten unterstützen. Hier werden die Innenstädte weiter attraktiv für die Bürger bleiben. Wir suchen uns solche Orte aus, in denen die Lokalpolitik und der Handel innovativ sind und versuchen, mit unserem Engagement einen Teil zur lebendigen Innenstadt beizutragen. Das geht hin bis zur Unterstützung und dem Sponsoring lokaler Sportevents. Decathlon soll als Marke bei den Bürgerinnen und Bürgern sichtbarer werden.