Walther Rosenberger und Burkhard Fraune, dpa

Nicht nur Sprit und Lebensmittel werden teurer. Viele Menschen in Deutschland müssen demnächst auch für das Bus- und Bahnfahren draufzahlen. Die Preise steigen im Winter nicht nur im Fernverkehr, sondern auch im Nahverkehr – auch in der Region. Bundesweit steigt der durchschnittliche Tarif je nach Verkehrsverbund um bis zu 5,5 Prozent. Zwischen Schwarzwald, Hochrhein, Alb und Bodensee müssen sich die Fahrgäste auf Tariferhöhungen bis zu knapp vier Prozent ab Mitte kommenden Jahres einstellen.

Zwischen Schwarzwald, Alb und Bodensee steigen die Preise im ÖPNV

Alles in allem bewegen sich die bislang angekündigten Tariferhöhungen im südlichen Teil Baden-Württembergs aber auf durchschnittlichem Niveau. Wer etwa im Landkreis Konstanz mit öffentlichen Verkehrsmitteln des Verkehrsverbunds Hegau-Bodensee (VHB) unterwegs ist, zahlt ab kommendem Jahr im Durchschnitt 0,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Preiserhöhung gilt auch für Fahrten mit dem von der Schweizer Bahn betriebenen Pendlerzug Seehas.

Auch im Pendlerzug Seehas wird es ab Januar moderat teurer.
Auch im Pendlerzug Seehas wird es ab Januar moderat teurer. | Bild: Steinert, Kerstin

Weiter nördlich im Schwarzwald, beim Verkehrsverbund Schwarzwald-Baar (VSB), langt man mit einer Steigerung von gut 2,8 Prozent ab Januar indes deutlich stärker zu. Eine VSB-Sprecherin begründete die Aufschläge mit „steigenden Personal-, Energie- und Investitionskosten“. Zudem gebe man nicht die volle Kostensteigerung an die Fahrgäste weiter.

Richtung Schwäbische Alb, im Landkreis Tuttlingen, fallen die Tarifanpassungen noch deutlicher aus. Nach Angaben einer Sprecherin wurde die Standardfahrkarte bereits 2021 um vier Prozent teurer. In den Vorjahren habe die jährliche Steigerung „zwischen drei und vier Prozent“ gelegen. 2014 und im Coronajahr 2020 gab es Nullrunden in und um das selbst ernannte „Weltzentrum der Medizintechnik“. Schüler kommen im Landkreis aber deutlich günstiger weg. Ihre Fahrkartenpreise steigen langsamer. Für das kommende Jahr hat sich der Verkehrsverbund – Name: TuTicket – noch nicht auf eine Tarifanpassung festgelegt.

Moderat mehr in Oberschwaben

Wer am nördlichen Bodenseeufer mit dem ÖPNV mobil sein will, tut das 2022 zu „moderat“ höheren Preisen, wie eine Sprecherin des Verkehrsverbunds Bodensee-Oberschwaben – kurz Bodo – dem SÜDKURIER sagte. Manche Tickets würden aber auch gar nicht teurer oder nur „sehr unterproportional“.

Stadtverkehr in Friedrichshafen. Auch der Bodo-Tarifverbund schlägt auf.
Stadtverkehr in Friedrichshafen. Auch der Bodo-Tarifverbund schlägt auf. | Bild: Lena Reiner

Entlang des Hochrheins stiegen die ÖPNV-Preise zuletzt Mitte des Jahres um knapp zwei Prozent. Auf eine konkrete Tariferhöhung ab Mitte 2022 hat sich der Waldshuter Tarifverbund (WTV) nach Angaben eines Sprechers noch nicht festgelegt. Dass es aber teurer wird, steht fest. Immerhin würden Löhne, Versicherungspolicen und Energie kostspieliger, so ein Sprecher.

Land will eigentlich günstigen ÖPNV

Die Preiserhöhungen stehen im Widerspruch zu Aussagen der Landesregierung im Koalitionsvertrag. „Wir wollen die Menschen auch mit attraktiven Fahrpreisen für Bus und Bahn begeistern“, heißt es in der Anfang Mai 2021 geschlossenen Übereinkunft. Man werde landesweit attraktivere und digital verfügbare Tarifangebote im öffentlichen Personennahverkehr für alle Kundengruppen in den einzelnen Verkehrsverbünden prüfen, so Grün-Schwarz. Ziel sei es „landesweit günstige Tickets einzuführen“. Das Land will die Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 verdoppeln. Gleiches plant die Deutsche Bahn im Fernverkehr per Zug.

Bild 3: In der Region ohne Auto unterwegs: So viel teurer wird es in den Bussen und Bahnen der Verkehrsverbünde im kommenden Jahr
Bild: Stefan Kaminski

Matthias Gastel, Sprecher für Bahnpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte dem SÜDKURIER, es brauche ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes, aber auch der Länder, für ein „flächendeckend attraktives und erschwingliches Bus-und-Bahn-Angebot“. Dem öffentlichen Verkehr komme bei der Verkehrswende eine tragende Rolle zu. „Wir müssen jetzt die Weichen dafür stellen, dass Bus und Bahn häufiger, besser aufeinander abgestimmt und zuverlässiger fahren und auch mit günstigen Tarifen mehr Bürgerinnen und Bürger zum Umsteigen bewegt werden“, sagte der baden-württembergische Verkehrsexperte.

Bundesweit sind derzeit Sprit, Strom und neue Angebote die wesentlichen Argumente für höhere Preise. Im Nach-Coronajahr 2021 kämpfen viele Verkehrsbetriebe aber zusätzlich noch mit einer unterdurchschnittlichen Auslastung, die zu einem Einbruch der Fahrgeldeinnahmen geführt hat.

Verkehrsclub fordert günstigere Preise

Der Verkehrsclub Deutschland forderte: „Gerade wenn die Preise für Benzin und Diesel steigen, müssen Bus und Bahn für alle bezahlbar sein.“ Klimafreundliche Mobilität müsse günstiger sein als klimaschädliche Mobilität und stärker gefördert werden.

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Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler sprach angesichts der Preisrunde von einem fatalen Signal. Für Menschen mit kleinem Geldbeutel sei regelmäßiges Bus- und Bahnfahren unerschwinglich. Der Bund müsse Investitionen in den Nahverkehr absichern. Das Angebot müsse ausgebaut werden, die Preise aber sinken. „Busse und Bahnen müssen das Rückgrat der Verkehrswende sein“, sagte Wissler mit Blick auf das Ziel, den Autoverkehr zu reduzieren. „Die Mobilitätswende braucht einen leistungsstarken und wirtschaftlich gesunden ÖPNV“, hieß es beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Die Branchenvertretung betonte: „Die Fahrgeldeinnahmen spielen dabei eine entscheidende Rolle.“ Die Strom-, Diesel- und Personalkosten seien auch während der Corona-Pandemie zum Teil deutlich gestiegen. Wie sich die Ticketpreise vor Ort entwickeln, entschieden die Verantwortlichen mit den Kommunen.

Eine Erhöhung deutlich unter der Inflationsrate gibt es in Stuttgart und Umgebung mit einem Plus von 2,5 Prozent. Im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, dem einwohnerstärksten in Deutschland, steigen die Tarife um 1,7 Prozent. 1,5 Prozent sind es im benachbarten Rhein-Sieg- und im Rhein-Main-Verkehrsverbund, der große Teile Hessens umfasst.