Die Betreiber von Bussen und Bahnen im Nachbarland locken die Österreicher mit einem bisher einmaligen Angebot. Mit dem „Klima-Ticket“ für 1095 Euro können die Kunden auf allen Linien der öffentlichen Verkehrsbetriebe in ganz Österreich Bus und Bahn fahren – wohin und so oft sie wollen. Wer sich vor dem Stichtag Ende Oktober für das Ticket entscheidet, bekommt den großen Freifahrtschein sogar für 949 Euro. Alle Mensch unter 25 oder über 64 zahlen regulär sogar nur 821 Euro, im Vorverkauf 699 Euro.

In Deutschland schaut man da neidisch über die Grenze. Denn hierzulande kostet die Bahncard 100 der Deutschen Bahn, die die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs sowie vieler Privatanbieter einschließt, das Vierfache: 4027 Euro. Selbst die bahnaffinen Schweizer können da mit ihren Alpennachbarn nicht mithalten. Das „Generalabo“ der SBB, das viele Nebenbahnen und Nahverkehrsmittel einschließt, kostet umgerechnet 3560 Euro.

Großer Andrang

Das seit Anfang des Monats verkaufte Klima-Ticket erfährt offenbar großen Zuspruch. In den ersten Tagen ist sogar der Server aufgrund des großen Andrangs überlastet gewesen. Dabei ging dem neue Abo-Modell gar keine große Werbekampagne voraus. Die westlichen und südlichen Regionen hatten dem Vorhaben erst im August zugestimmt.

Die Betreiber im bevölkerungsreichen Osten Österreichs mit dem Ballungsraum Wien zogen sogar erst im vergangenen Monat mit. Dann konnte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) verkünden. „Die Zeit des Wartens hat jetzt ein Ende – das Klimaticket ist komplett. Der Start am 26. Oktober ist gleichzeitig österreichischer Nationalfeiertag.

Die Straßenbahn in Gmunden im Salzkammergut verbindet den Bahnhof mit dem Stadtzentrum und hat eine fast 130-jährige Tradition. Sie ist ...
Die Straßenbahn in Gmunden im Salzkammergut verbindet den Bahnhof mit dem Stadtzentrum und hat eine fast 130-jährige Tradition. Sie ist Teil des Pauschal-Tickets, das Ende Oktober in Österreich gilt. Damit kann jeder so oft und weit wie er will in Bahn und Bus durch die Alpenrepublik fahren. | Bild: Spitzi-Foto - stock.adobe.com

„In Deutschland kommen wir aufgrund der vielen Partikularinteressen nicht weiter“, meint Karl-Peter Naumann, Sprecher der Fahrgastvereinigung Pro Bahn. Er verweist darauf, dass es vor 50 Jahren zu Zeiten der alten Deutschen Bundesbahn bereits ein günstiges Ticket gab, das Busse und Bahnen kombinierte. „Es fehlt definitiv am Willen“, meint Naumann. Das Bundesverkehrsministerium in Berlin wollte sich dazu nicht äußern.

Die Frage, ob es denn vergleichbare Pläne wie in Österreich gibt, um mehr Leute in Bahn und Bus zu bekommen, blieb unbeantwortet. Das Verkehrsministerium in Stuttgart, hüllte sich zu einer entsprechenden Anfrage ebenfalls in Schweigen.

Nicht auf Bayern übertragbar?

„Ein gut ausgebauter öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) mit einem guten Verkehrsangebot und attraktiven tariflichen Angeboten ist ein wichtiger Baustein zum Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor“, erklärt dazu das Bayerische Verkehrsministerium in München. An das Klimaticket der Nachbarn will man sich aber nicht andocken. „Das ist derzeit so nicht auf den Freistaat übertragbar. Hierzu sind die Strukturen und die Organisation des ÖPNV zu verschieden“, so die Begründung. So habe beispielsweise Österreich weniger Einwohner als Bayern. Zudem sei die Zahl der Anbieter in dem Bundesland deutlich größer.

Pro Bahn lässt so eine Argumentation nicht gelten. Auch der Verweis, dass das deutsche Streckennetz viel größer sei, als das der Österreicher sei nicht stichhaltig. „Man könnte ja schon mal damit beginnen, indem für vier große Regionen ein Ticket zu 1000 Euro angeboten wird. In Summe wäre man auch wieder bei den aktuellen 4000 Euro“, meint Naumann.

Auch der Postbus gehört in Österreich zum ÖPNV-Angebot.
Auch der Postbus gehört in Österreich zum ÖPNV-Angebot. | Bild: Theo Kust

In Bayern will man nun zumindest auf Landesebene reagieren. „Wir schaffen gerade gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen und Kommunen die Voraussetzungen für einen bayernweiten Landestarif und ein einheitliches elektronisches Ticket. Damit werden künftig neue tarifliche Angebote möglich und die Nutzung des ÖPNV weiter vereinfacht“, so das Verkehrsministerium in München. Somit tut sich was im Umfeld der Region. Der Bodenseekreis hat allerdings derzeit keine Pläne sich an Österreich oder Bayern anzudocken, wie es aus einer knappen Antwort heißt.

Mit dem Klimaticket setzen die in Wien mitregierenden Grünen eines ihrer größten Projekte in die Praxis um. Seit 15 Jahren stehe es in Regierungsprogrammen, so Gewessler. „Und wenn uns dieser Sommer etwas gezeigt hat: Die Klimakrise ist auch bei uns angekommen.“ Das „Öffi-Fahren“ sei also gut fürs Klima. Das Klimaticket werde die Steuerzahler 150 Millionen Euro kosten, sagte Gewessler. Weitere 100 Millionen Euro seien zudem für die Finanzierung der Netzkarte in den Bundesländern vorgesehen. „Darüber hinaus investieren wir so viel wie nie zuvor in den öffentlichen Verkehr“, so die Ministerin.

Jahresabo für 700 Euro

Zumindest auf nationaler Ebene haben es die Österreicher geschafft. Wer nur ein Abo in einzelnen Regionen benötigt, muss oft noch mehr als die drei Euro pro Tag berappen. Da kann ein Jahresabo schon mal 700 Euro erreichen. Ausnahme bildet die Region um die Hauptstadt Wien, wo das Jahres-Ticket sogar nur 365 Euro kostet. „Dort hat man seit Jahren den öffentlichen Nahverkehr ganz konsequent ausgebaut – man kann fast sagen brutal“, erklärt Pro Bahn-Sprecher Naumann. Die Folge: der Auto-Bestand ist in den vergangenen Jahren zwar konstant gleichgeblieben, doch die Wiener lassen den Wagen öfter stehen und nutzen verstärkt Bus und Bahn.