Es war ein Signal der Stärke, das Markus Braun, Ex-Chef des Zahlungsdienstleisters Wirecard, vor wenigen Tagen über Twitter absetzte. Wirecard habe ein starkes Geschäftsmodell, hervorragende Technologien und reichlich Ressourcen, „um eine große Zukunft zu sichern“.

Mittlerweile ist Markus Braun als Firmenchef des Dax-Konzerns abgesetzt und hat eine Nacht im Gefängnis zugebracht. Nur weil er fünf Millionen Euro Kaution auf den Tisch legte, ist er zunächst auf freiem Fuß.

Tiefer Fall eines Stars

Sein Unternehmen steht indes vor dem Rausschmiss aus dem Dax und ist Pleite. Zur Erinnerung: Der Münchner Zahlungsdienstleister war noch vor Kurzem so etwas wie die erste deutsche Antwort auf Tech-Konzerne wie Amazon, Google, Huawei oder Tencent. Endlich war es einmal kein Autobauer- oder Chemiekonzern, der in der ersten deutschen Börsenliga mitspielte, sondern ein Unternehmen, das seine Milliarden mit der Abwicklung von Zahlungsströmen im schnell wachsenden Internethandel macht.

Damit ist jetzt Schluss. Braun und andere Wirecard-Manager stehen im Verdacht, die Märkte manipuliert und Anleger betrogen zu haben. Wer zu Jahresanfang 10 000 Euro in die Aktie steckte, hat heute noch knapp 1200 Euro übrig.

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Der Fall Wirecard ist nicht nur eine Katastrophe für all jene, die ihr sauer verdientes Geld in das Tech-Unternehmen investiert haben. Der sich abzeichnende Bilanzskandal hat das Zeug dazu, die Aktienkultur in Deutschland als Ganzes zu erschüttern. Immerhin handelt es sich beim Dax um eine Zusammenschau der Schwergewichte der deutschen Wirtschaft. Mitunter um einen Hort der Solidität. Die Masse der Dax-Kleinanleger will nicht das schnelle Geld mit einem Hochrisikopapier, sondern langfristig von den Dividenden profitieren. In Zeiten von Niedrigzinsen ist das auch bitter nötig. Der Dax bot solchen Sparern bislang einen relativ sicheren Hafen.

Was taten die Kontrolleure?

Bislang! Denn der Fall Wirecard hat eklatante Schwächen offengelegt. Offenbar ist es den Beteiligten im Unternehmen nämlich gelungen, die versammelte Riege der Finanzmarktexperten an der Nase herumzuführen. Oder wie sonst kann es sein, dass sich ein Viertel der Wirecard-Bilanzsumme – 1,9 Milliarden Euro – bei näherem Hinsehen in Luft auflöst?

Viele haben Fehler gemacht. Dass das Unternehmen die Vorlage seines Jahresabschlusses mehrmals vorschob, schien die Deutsche Börse nicht sonderlich zu stören. Lieber vertraute sie auf Ratingagenturen und die Wirtschaftsprüfer von EY. Diese hatten das Unternehmen bis auf die strittige 2019er-Bilanz immer anstandslos testiert.

Auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin, die bereits in der Finanzkrise fatale Entwicklungen nicht sah, tappte bei Wirecard im Dunkeln. Im Moment zieht sich die Behörde darauf zurück, unzureichende Kompetenzen zu monieren. Stimmt, denn für die Prüfung des Milliarden-Konzerns Wirecard war auch die bayerische Gewerbeaufsicht zuständig. Sie rückt sonst eher Dönerbuden auf die Pelle.

Erschütternd ist zudem, dass warnende Stimmen nicht gehört wurden. Denn seit Monaten berichten Medien kritisch über Wirecard. Die „Financial Times“ wurde deswegen von den Münchnern sogar verklagt. Jetzt ist klar, dass die Rechercheure auf der richtigen Spur waren – übrigens genauso wie einige Hedgefonds, die zielsicher auf fallende Kurse wetteten. Auch sie rochen den Braten.

Und der Kleinaktionär?

Dem Kleinaktionär bleibt nicht viel mehr, als auf eine ehrliche Aufarbeitung der Krise zu hoffen. Immerhin sitzt die Scham tief. Was passiert sei, sei „eine Schande“ und ein „totales Desaster“, sagte Bafin-Chef Felix Hufeld, auch mit Blick auf sein eigenes Haus. Welche Konsequenzen er daraus ableitet, ist aber bislang sein Geheimnis. Sich wegen des Wirecard-Desasters aus Aktien zurückzuziehen, wäre für den Bürger jedenfalls eine falsche Konsequenz.