Das laufende Jahr, das 110. seines Bestehens, könnte für den Friedrichshafener Autozulieferer ZF ein entscheidendes sein. Gut möglich, dass der Konzern am Jahresende ein anderer ist als zuvor. Einem Medienbericht zufolge prüft das Unternehmen vom Bodensee eine Abspaltung seines gesamten Antriebsgeschäfts mit einem Jahresumsatz von mehreren Milliarden Euro. Von der Umorganisation betroffen wäre auch der Friedrichshafener Konzernsitz, aber auch weitere große Standorte wie Schweinfurt in Bayern oder Saarbrücken im Saarland. Auch hier arbeiten mehrere Tausend Mitarbeiter für Deutschlands zweitgrößten Automobilzulieferer.

Holger Klein, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen, muss die Transformation managen. Er baut Jobs ab und will Unternehmensteile ...
Holger Klein, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen, muss die Transformation managen. Er baut Jobs ab und will Unternehmensteile ausgliedern oder an die Börse bringen. | Bild: Felix Kästle, dpa

Wie das „Handelsblatt“ mit Berufung auf Konzernkreise berichtet, prüft ZF die komplette Ausgliederung der Sparte „Elektrifizierte Antriebstechnologien“, ZF-intern auch E-Division genannt. Der Begriff führt in die Irre, denn anders als der Name vermuten lässt, gehören zu der Sparte neben Elektroantrieben auch das Kerngeschäft, der Bau von konventionellen Getrieben und deren elektrifizierter Plug-In-Varianten. Potenziell betroffen wären damit rund 32.000 Beschäftigte und mit 11,5 Milliarden Euro etwa ein Viertel des ZF-Umsatzes von zuletzt 46,6 Milliarden Euro.

Interessenten aus Fernost?

Ein ZF-Sprecher wollte den „Status der Überlegungen“ gegenüber dem SÜDKURIER nicht kommentieren. Allerdings teilte das Unternehmen mit, man prüfe „strategische Kooperationen und Partnerschaften“. Diese könnten sich auf einzelne Komponenten oder auch „auf die gesamte Division“ beziehen. Laut „Handelsblatt“ fühlen bei dem Stiftungskonzern vom Bodensee schon Interessenten vor. So seien Vertreter des koreanischen Mischkonzerns Hyundai „am Bodensee gesehen worden“. Gehandelt wird offenbar auch der taiwanesische Apple-Zulieferer Foxconn. Mit diesem hat ZF bereits Erfahrung gemacht. Mitte 2023 verkauften die Friedrichshafener 50 Prozent ihres Achs-Geschäfts an das Unternehmen, was rund eine halbe Milliarde Euro in die Kassen von ZF spülte.

Außerdem soll seit Monaten der Geschäftsbereich ZF-Lifetec, besser bekannt als Airbag-Sparte – verkauft oder an die Börse gebracht werden. Ein dazu nötiger Carve-Out, also eine organisatorische Abtrennung vom Restkonzern, wurde im vergangenen Herbst abgeschlossen. Dennoch hat sich bislang kein Käufer oder Partner für Lifetec gefunden.

Airbag-Sparte als Blaupause für Antriebs-Division

Allerdings könnte das Vorgehen bei Lifetec nun auch als Blaupause für die sehr viel größere Umorganisation der E-Division dienen. Das Ziel könnte, ähnlich wie bei Lifetec, die Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens mit einem externen Partner oder ein Börsengang sein. Nach Informationen des „Manager Magazin“ erwägt die ZF-Spitze aber auch einen getrennten Verkauf des in der E-Division zusammengefassten Geschäfts mit Verbrennerkomponenten und mit Bauteilen für E-Antriebe. ZF äußert sich dazu nicht.

Eine Monteurin arbeitet im Werk zwei des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen an ein Getriebe für Lastwagen. Der LKW-Bereich läuft ...
Eine Monteurin arbeitet im Werk zwei des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen an ein Getriebe für Lastwagen. Der LKW-Bereich läuft noch vergleichsweise gut. | Bild: Felix Kästle, dpa

Allerdings läuft das klassische Getriebegeschäft bei ZF auch in der Krise vergleichsweise gut. Die Auftragsbücher sind hier jedenfalls voller als beim massiv schwächelnden Verkauf von E-Antrieben. In Friedrichshafen ist es ein offenes Geheimnis, dass hier rote Zahlen geschrieben werden. Schon 2024 sagte ein Insider dem SÜDKURIER, mit den hauptsächlich vom ehemaligen Konzernchef Wolf-Henning Scheider angebahnten Verträgen verdiene man kein Geld. Vielmehr seien sie sogar „unter Wasser“ – also fahren Verluste ein. Dieses Erbe, das intern auch dem Mitte 2024 ausgeschiedenen E-Divisions-Vorstand Stephan von Schuckmann angelastet wird, macht dem aktuellen Konzern-Chef Holger Klein nun zu schaffen.

Wolf-Henning Scheider, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen, hat seinem Nachfolger ein schweres Erbe hinterlassen. ...
Wolf-Henning Scheider, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen, hat seinem Nachfolger ein schweres Erbe hinterlassen. Die Schulden sind im zweistelligen Milliardenbereich. | Bild: Felix Kästle, dpa

Eine Erholung ist derzeit nicht in Sicht. ZF befindet sich aufgrund der allgemeinen Schwäche der weltweiten Automärkte und dem schleppenden Anlauf der E-Mobilität, in die das Unternehmen Milliarden investiert hat, in der wohl größten Krise seiner jüngeren Geschichte. Eine sehr hohe Verschuldung durch Zukäufe von Konkurrenten wie TRW und Wabco in den 2010er Jahren verschärft die Lage für ZF zusätzlich. Allein für Kreditzinsen gibt man bei ZF mittlerweile mehr als 500 Millionen Euro jährlich aus. Vor knapp zwei Monaten stufte zudem die Ratingagentur Moody‘s die Kreditwürdigkeit des Konzerns herunter. Wenn ZF nun Kredite umschulden muss, was dieses Jahr in erheblichem Umfang nötig ist, verschlechtern sich dadurch die Refinanzierungbedingungen – es wird also noch teurer.

ZF muss eisern sparen und will Jobs streichen

Daher muss ZF eisern sparen. Vor genau einem Jahr ergaben Recherchen des SÜDKURIER und der „Automobilwoche“, dass der Konzern in den kommenden Jahren sechs Milliarden Euro einsparen will. Und in Deutschland stehen zwischen 11.000 bis 14.000 Stellen zur Disposition. Das wäre rund ein Viertel der heimischen ZF-Belegschaft.