Sigrid Sattek ist seit mehr als 40 Jahren in der Reisebranche tätig. In Meßkirch führt sie ihr eigenes Reisebüro, das seit Jahrzehnten den Menschen in der Region hilft, ihre Ferienträume zu verwirklichen. Manche nennen die 73-Jährige „die Reisebüro-Oma“ wegen ihrer herzlichen Art und weil sie eben schon immer da ist.

Tsunami, Thomas-Cook-Pleite – immer bleibt die Arbeit bei den Reisebüros hängen

So lange im Touristik-Geschäft wie die gebürtige Sächsin sind wenige zwischen Schwarzwald und Bodensee. Miterlebt hat sie daher schon so ziemlich alles. Vom Boom der Pauschalreisen in den 1980er-Jahren, über die Pleite des einstigen Stuttgarter Familienunternehmens Hetzel-Reisen Mitte der 90er, den Tsunami in Thailand 2004 bis hin zur Corona-Krise und der Mega-Insolvenz von Thomas Cook 2019.

Damals mussten Zehntausende deutsche Touristen, die in aller Welt gestrandet waren, nach Hause zurückgeflogen werden. Auch damals glühten in den Reisebüros die Telefone.

Menschenleer ist der Badestrand von Hurghada. Nicht immer geht es an den ägyptischen Traumstränden so beschaulich zu. FTI hat viele ...
Menschenleer ist der Badestrand von Hurghada. Nicht immer geht es an den ägyptischen Traumstränden so beschaulich zu. FTI hat viele Reisen dorthin vermittelt. | Bild: Marcel Lauck/dpa

Die Pleite des drittgrößten deutschen Reiseanbieters FTI Anfang der Woche hat sie direkt an der Frontlinie – in ihrem Reisebüro – mitbekommen. Der SÜDKURIER zeichnet auf, was sie in den folgenden Tagen erlebt hat:

Reiseveranstalter zahlen nur, wenn Kunden reisen antreten

„Wenn es in der Reisebranche wieder einmal kracht und ein großer Reiseveranstalter oder Ferienflieger pleitegeht, wird in der Presse viel über den Frust der Reisenden, die gelackmeierten Hoteliers und die Lage in den Urlaubsländern berichtet. Reiserechtsexperten geben dann Tipps, wie man doch noch in den Urlaub starten kann oder sein Geld zurückbekommt.

Sigrid Sattek ist seit 42 Jahren in der Riesbranche aktiv, die meiste Zeit davon in Meßkirch mit einem eigenen Reisbüro.
Sigrid Sattek ist seit 42 Jahren in der Riesbranche aktiv, die meiste Zeit davon in Meßkirch mit einem eigenen Reisbüro. | Bild: Sattek

Selten richtet sich das Interesse der Öffentlichkeit aber auf den Ort, an dem nach so einem Zwischenfall ein Großteil der Arbeit stattfindet. Das sind die Reisebüros. Dort bucht trotz des Einzugs des Internets immer noch der Großteil der Deutschen seine Pauschalreisen.

Und dort ist regelmäßig die Hölle los. Das war auch diese Woche so. Wie schon bei Thomas Cook oder während der Corona-Phase wird die Abwicklung der Krise auf dem Rücken der Reisebüros ausgetragen – ohne jegliche Vergütung. Denn eine Provisionsabsicherungsversicherung hat keiner der zahlreichen Veranstalter für uns Reisevermittler im Angebot.

Ein großer Sonnenschirm steht am Strand an der Ostseeküste.Besonders bei Auslandsreisen kann einiges schief gehen, auch bei Pauschalreisen.
Ein großer Sonnenschirm steht am Strand an der Ostseeküste.Besonders bei Auslandsreisen kann einiges schief gehen, auch bei Pauschalreisen. | Bild: Jens Büttner/dpa

Beratung und Einbuchung, das Ausdrucken von sämtlichen Dokumenten, der Online-Check-in, ständige Änderungen von Flugzeiten, Ausfall von Reisen während unsinniger Streiks, extreme Wetter-Situationen. In allen Fällen sind wir die ersten Ansprechpartner der Kunden und sollen gleich eine Lösung haben. Zu jeder Zeit werden wir kontaktiert. Dagegen ist ja grundsätzlich auch nichts einzuwenden. Zu beraten und Kunden aus der Patsche zu helfen ist unser Job!

Teure Lizenzen für Buchungssoftware

Allerdings bekommen wir von den Reisekonzernen für unsere Arbeit keine Gehälter oder Kostenzuschüsse. Die Druckerpatronen, die ich jeden Monat brauche, um die bunten Reiseunterlagen der Veranstalter auszudrucken, kann ich schon gar nicht mehr zählen. Die Vergleichs- und Buchungssoftware kostet uns Tausende Euro Lizenzgebühren pro Jahr.

Den großen Reiseanbietern ist das alles egal. Geld gibt es für die Reisbüros nur, wenn der Kunde tatsächlich gereist ist. Wir bekommen dann durchschnittlich acht Prozent Provision. Dafür sind alle Arbeiten und Kosten an uns ausgelagert. Für die Veranstalter sind wir die billigsten Arbeitskräfte, die man sich vorstellen kann. Ich bin seit 42 Jahren in der Branche und habe da schon so meine Erfahrungen gemacht.

Kunden buchen im Internet

Der Trend zum Internet macht es uns nicht leichter. Das Netz gräbt uns Geschäft ab. Die Kunden kommen zu uns, um unzählige Angebote anzufordern und die Fakten in Erfahrung zu bringen. Dann suchen sie im Web weiter und buchen, wo es am günstigsten ist. Und sind die Internet-Veranstalter da, wenn es Probleme gibt? Natürlich nicht! Viele Reisende landen bei Schwierigkeiten dann doch wieder im Reisebüro und wollen Tipps.

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Das ist unfair uns gegenüber. Und vielen von uns stinkt das. Mittlerweile hat eine ganze Reihe meiner Kolleginnen und Kollegen in der Region aufgehört. Andere haben sich dauerhaft ins Homeoffice zurückgezogen und betreuen nur noch ihre Stammkunden, von denen sie wissen, dass diese auch zuverlässig bei ihnen buchen und zahlen. Ich kann das verstehen, denn nur so verdient man ja Geld.

Reisebranche mit Nachwuchsmangel

Wir haben aber auch ein Nachwuchsproblem. Samstagarbeit will von den Jungen keiner mehr machen. Lieber die Vier-Tage-Woche mit freiem Wochenende. Dabei ist das Wochenende bei uns der Umsatzbringer. Ich komme mir so langsam vor wie die vorletzte Generation Reisebüro.“