In den Reisbüros war man schon länger in Hab-Acht-Stellung. Aus Branchenkreisen heißt es, Ferientrips mit dem Münchner Reisekonzern FTI seien von den meisten Vermittlern seit Monaten nur noch auf ausdrücklichen Wunsch der Kunden verkauft worden. Dass tatsächlich etwas im Busch war, wurde Anfang der Woche klar. Da meldete FTI – die Nummer drei im deutschen Reisemarkt – Insolvenz an. Zehntausende Kunden, rund 11.000 Mitarbeiter weltweit, aber auch Hoteliers und Partner-Unternehmen sind nun erst einmal im Ungewissen.

Auch Thomas Cook ging 2019 pleite

Nach dem Aus des Branchenprimus Thomas Cook im Jahr 2019 erlebt das Land der Reiseweltmeister nun die zweite große Pleite eines Touristik-Konzerns in nicht einmal einem halben Jahrzehnt. Zwar kommt das FTI-Debakel in seiner Dimension nicht die Insolvenz von Thomas Cook, von der damals auch die Pauschalreise-Anbieter Neckermann und Öger-Tours betroffen waren, heran. Parallelen gibt es aber schon.

Im Herbst 2019 erregte die Pleite des Touristik-Konzerns Thomas Cook die Gemüter. Zehntausende Reisende mussten, oft auf Staatskosten, ...
Im Herbst 2019 erregte die Pleite des Touristik-Konzerns Thomas Cook die Gemüter. Zehntausende Reisende mussten, oft auf Staatskosten, aus Urlaubsländern zurückgeflogen werden. | Bild: dpa

Beiden Konzernen wurde ihre hohe Schuldenlast zum Verhängnis. Diese führte zu einem Vertrauensverlust im Markt und setzte eine Abwärtsspirale in Gang. Wenn aber Kunden, Geschäftspartner und Banken auf Abstand gehen, ist das in einem Geschäft, das sowieso von geringen Gewinnspannen, den Unbilden des Wetters und politischen Unwägbarkeiten in den Reisedestinationen abhängig ist, ein schnell wirkendes Gift.

Zuletzt soll der wöchentliche Kapitalbedarf bei FTI auf einen zweistelligen Millionenbetrag pro Woche hochgeschnellt sein. Zuviel, selbst für eine Branchengröße.

Das Logo des Reiseveranstalter FTI (FTI Group) steht an der Firmenzentrale in München. Dort hat jetzt der Insolvenzverwalter das sagen.
Das Logo des Reiseveranstalter FTI (FTI Group) steht an der Firmenzentrale in München. Dort hat jetzt der Insolvenzverwalter das sagen. | Bild: Sven Hoppe, dpa

Dabei sah es zunächst danach aus, dass FTI mit einem blauen Auge davon kommen würde. Vor wenigen Wochen kündigte der auf die Touristik-Branche spezialisierte US-Investor Certares an, den kriselnden Konzern für einen symbolischen Euro zu übernehmen und gleichzeitig frisches Geld nachzuschießen – ein Schritt, zu dem der Mehrheitseigner, die ägyptische Milliardärsfamilie Sawiris, offenbar nicht mehr bereit war.

Die Sawiris kennt man in der Region: Seit Jahren bauen sie das Schweizer Alpendörfchen Andermatt in eine Luxusdestination für Skifahrer und betuchte Bergtouristen um.

Skiparadies Andermatt. Die ägyptische Mehrheitseigner von FTI investieren hier seit Jahren Millionen Franken.
Skiparadies Andermatt. Die ägyptische Mehrheitseigner von FTI investieren hier seit Jahren Millionen Franken. | Bild: Urs Flueeler, dpa

Der FTI-Interessent Certares pokerte aber darauf, den Einstieg beim Reisekonzern mit einem Schuldenschnitt verbinden zu können. In der Corona-Krise war der deutsche Staat FTI mit fast 600 Millionen Euro zur Seite gesprungen. Nur einen kleinen Teil davon hat das Münchner Unternehmen seither aus eigener Kraft getilgt. Als klar wurde, dass der Bund im Interesse der Steuerzahler zumindest auf einer Teilrückzahlung der Hilfskredite beharren würde, zogen die Amerikaner die Reißleine – und FTI ging Pleite.

Steuerzahler mit herben Verlusten durch die Pleite

Insofern zahlen die Zeche des gescheiterten, auf rasantes Wachstum und Mini-Margen ausgerichteten, Geschäftsmodells von FTI jetzt nicht nur die Mitarbeiter und Geschäftspartner des Reise-Konzerns, sondern auch die Steuerzahler, die wahrscheinlich auf Kosten von mehr als einer halben Milliarde Euro sitzenbleiben.

Und die Reisenden? Zumindest für die allermeisten gibt es Entwarnung. Sie haben bei dem Unternehmen ein Pauschalangebot gebucht und haben jetzt gute Chancen, entweder die Reise wie gewohnt antreten zu können oder für bereits entstandene Ausgaben entschädigt zu werden.

Eine Lehre der Thomas-Cook-Pleite 2019 war nämlich die Einrichtung des von der Branche selbst getragenen Deutschen Reisesicherungsfonds, der finanziell einspringt, wenn Konzerne in Schieflage geraten. Die Mittel, die die Branche in dem Topf bisher angespart hat, müssten ausreichen, die knapp 70.000 Betroffenen zu entschädigen.

Was wird aus den Mitarbeitern?

Den FTI-Mitarbeitern indes bleibt außer dem dreimonatigen Insolvenzgeld zunächst nur die Hoffnung, bei einem der Branchenkonkurrenten eine Weiterbeschäftigung zu finden. Diese zumindest ist gar nicht so schlecht. Denn allen Pleiten zum Trotz ist das Fernweh der Deutschen ungebrochen.