Sandra Markert

Und schon wieder eine Kartoffel mit Bohrloch. Das Arbeiten an der Sortiermaschine macht Landwirt Martin Schneble aus Hilzingen inzwischen keine große Freude mehr. „Es ist normal geworden, dass ich bis zu 20 Prozent der Kartoffeln wegen Fraßschäden durch den Drahtwurm aussortieren muss. Ich kenne Kollegen, da sind das teils bis zu 80 Prozent“, sagt der 54-Jährige. „Und wir Bauern müssen zuschauen, wie die Tiere unsere Ernte kaputt machen und können nichts dagegen tun.“

Wirksames Ackergift erhält keine Zulassung

Zwar gibt es gegen Drahtwürmer ein hoch wirksames Pflanzenschutzmittel namens „Goldor Bait“, welches bis zu 95 Prozent der gefräßigen Käferlarven abtötet und mit dem viele Bauern sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Nur: „Dieses Mittel war nie regulär zugelassen. Es gab zwischen 2010 und 2015 hierfür lediglich Notfallzulassungen und die sind immer nur für 120 Tage gültig“, sagt Ansgar Weiß, Pressereferent beim zuständigen Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz.

Denn der im „Goldor Bait“ enthaltene Wirkstoff Fipronil ist für Bienen und Vögel sehr giftig und EU-weit seit 2017 als Pflanzenschutzmittel nicht mehr regulär zugelassen.

Zugelassenes Mittel nur wenig wirksam

Seit diesem Jahr steht den Bauern als Alternative ein biologisches Produkt auf Pilzbasis zur Verfügung. „Die Wirksamkeit liegt aber nur bei etwa 40 Prozent und bei einer starken Drahtwurm-Population bringt das gar nichts“, so die Erfahrungen von Landwirt Schneble. Auch das empfohlene, mehrfache Umgraben der Böden zeigt seiner Erfahrung nach kaum Wirkung.

Landwirt Martin Schneble aus Hilzingen. Wegen des Schädlings haben viele Bauern mit Ernteausfällen zu kämpfen.
Landwirt Martin Schneble aus Hilzingen. Wegen des Schädlings haben viele Bauern mit Ernteausfällen zu kämpfen. | Bild: Markert

Und so muss Schneble damit leben, dass er die durchlöcherten Knollen von seiner 23 Hektar großen Anbaufläche nicht als Speisekartoffeln verkaufen kann. Denn die Verbraucher müssten die Stellen großzügig ausschneiden. Also landen die angefressenen Kartoffeln in der Biogasanlage oder werden zu Stärke verarbeitet. Geld bringt das den Bauern kaum.

Solche Spuren hinterlässt der Schädling in den Kartoffeln. Das macht sie unverkäuflich.
Solche Spuren hinterlässt der Schädling in den Kartoffeln. Das macht sie unverkäuflich. | Bild: Markert

Einige von Schnebles Kollegen sagen bereits: „Ich lasse den Kartoffeln-Anbau künftig sein.“ Schneble selbst überlegt auch, ob es sich überhaupt noch lohnt, in eine eigentlich notwendige neue Sortieranlage für Kartoffeln zu investieren – oder ob sein Sohn und Hofnachfolger Alexander künftig etwas anderes anbauen sollte.

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Die Erzeugergemeinschaft für Früh- und Spätkartoffeln Baden-Württemberg warnte nach einigen Totalausfällen bei der diesjährigen Ernte jüngst in einer Pressemitteilung davor, dass der Drahtwurm die regionale Selbstversorgung mit Kartoffeln in Baden-Württemberg gefährde. Dass die Kartoffeln dann künftig aus ganz Deutschland, Europa oder gar Nordafrika nach Baden-Württemberg importiert werden müssten. Und dass die Politik den Landwirten dringend alternative Möglichkeiten aufzeigen müsse, wie sie mit dem Drahtwurm fertig werden sollen – und, sollte dies kurzfristig nicht möglich sein, bestehende Wirkstoffe wieder zulassen müsse.

Fokus auf Naturschutz

„Man nimmt einem Elektriker ja auch nicht sein Werkzeug weg und sagt, er soll so weiter arbeiten wie vorher. Bei den Bauern passiert mit den Pflanzenschutzmitteln aber genau das“, sagt Martin Hauß, Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Früh- und Spätkartoffeln.

Tatsächlich zeigt das Beispiel der Kartoffeln ein Grundproblem der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren: Verbraucher und Politiker wollen weniger Pflanzenschutzmittel und verschieben den Fokus der landwirtschaftlichen Arbeit vom Lebensmittel-Produzieren auf Naturschutz. Dagegen hätten die meistern Bauern gar nichts – würden sie dabei weiterhin genug Geld verdienen.

Immer mehr Spritzmittel fallen weg

Sie praktizieren seit 2014 den nach EU-Recht vorgeschriebenen integrierten Pflanzenschutz, greifen also zuerst zu vorbeugenden Maßnahmen wie einer geeigneten Sorte, einer intelligenten Fruchtfolge und einer angepassten Bodenbearbeitung bevor sie Pflanzenschutzmittel einsetzen.

„Es gibt allerdings zahlreiche Schadorganismen, bei denen diese vorbeugenden Maßnahmen nicht ausreichen“, sagt Ansgar Weiß vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Hier könnten nur Pflanzenschutzmittel einen gewissen Ertrag in gewohnter Qualität sichern.

Karoffelschädling Drahtwurm auf einer Ackerfrucht
Karoffelschädling Drahtwurm auf einer Ackerfrucht | Bild: Markert

Fallen diese Mittel weg, bekommen die Landwirte finanzielle Probleme, denn sie bleiben auf durchlöcherten Kartoffeln oder Äpfeln mit unschönen Stellen sitzen – obwohl diese durchaus noch essbar wären. „Deutsche Konsumenten haben aber vergleichsweise hohe Ansprüche an das Aussehen und die Qualität von Lebensmitteln. Zudem reagieren sie preissensitiv“, sagt Weiß.

Letzteres bedeutet, dass die Bauern Ernteausfälle auch nur bedingt über höhere Preise auffangen können. „Ein Bauer investiert in einen Hektar Kartoffeln aber 4000 bis 5000 Euro. Taugt die Ernte nichts, ist er ganz schnell am Ende“, sagt Hauß von der Erzeugergemeinschaft Früh- und Spätkartoffeln.

Verschärfung durch Klimawandel

Und der Klimawandel wird die Situation in den kommenden Jahren noch verschärfen. Denn er sorgt dafür, dass in immer kürzeren Abständen neue, eingewanderte Schädlinge wie beispielsweise die marmorierte Baumwanze oder die Kirschessigfliege in Deutschland heimisch werden und den Bauern das Leben schwer machen.

Auch gegen Schädlinge fehlt es meist an wirksamen Pflanzenschutzmitteln – weil die Zulassungen für chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel inzwischen so streng sind und die Entwicklung biologischer Alternativen dauert, beziehungsweise nicht immer zufriedenstellend funktioniert.

Verbraucher sind auch in der Pflicht

Auch zur Bekämpfung der Drahtwürmer wird am Julius-Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, derzeit an einem weiteren biologischen Mittel geforscht. „Wir arbeiten mit Pilzen, die natürlich in Mitteleuropa vorkommen. Sie werden bei der Pflanzung als Granulat in die Erde eingebracht, wachsen in die Larven der Drahtwürmer hinein und töten diese so ab“, erklärt Jörn Lehmhus vom Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland. Die Pilze wirken jedoch nicht bei jeder Wetterlage und gegen jede Drahtwurm-Art gleich gut.

Ernteausfälle werden sich damit also nur zum Teil verhindern lassen. Für die Verbraucher bedeutet das: Wollen sie weiterhin regionale Kartoffeln kaufen, müssen sie künftig vermutlich entweder ihre Qualitätsansprüche anpassen oder bereit sein, mehr Geld für die gelben Knollen zu bezahlen.