Der Job von Frank Schwarz und Edmund Fleckenstein wirkt entspannt. In einem mit Messtechnik und Antennen ausgestatteten Kleintransporter fahren die beiden Männer Straßen ab. Sie suchen Funklöcher. Kilometer für Kilometer durchqueren die Nachrichtentechniker mit ihrem Messwagen ein klar umrissenes Gebiet. Sie fahren über Bundesstraßen, aber auch über Stock und Stein auf Wald- und Feldwegen.
Schwarz und Fleckenstein, beide beim Prüf- und Messdienst Konstanz der Bundesnetzagentur beschäftigt, sind im Hinterland von Meersburg unterwegs. Die hügelige Landschaft rund um Deggenhausertal ist vermerkt auf einer Liste der Bundesnetzagentur, die deutschlandweit noch 500 Funklöcher benennt.

Judith Henke, Sprecherin der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, spricht von „weißen Flecken“. Das seien Orte, an denen kein oder nur unzureichend ein Handy-Netz zu empfangen sei. Unzureichend bedeutet: eine Downloadrate von deutlich weniger als 100 Megabit pro Sekunde – also geringer als die Standardgeschwindigkeit im 4G-Netz.
Bei Handy-Nutzern ist die Erwartungshaltung jedoch gestiegen: unabhängig vom Ort wollen sie Filme streamen, am Handy spielen, große Dateien runter- oder hochladen.
Henke mahnt: Da sich die Netzbetreiber beim Ersteigern der Funkfrequenzen verpflichtet hätten, für einen bundesweiten und flächendeckenden Netzausbau zu sorgen, müssten sie dem auch nachkommen. 98 Prozent aller Haushalte in Deutschland müssten mit einem Funknetz versorgt sein. Das ist die Vorgabe für die Netzbetreiber, zu denen die drei etablierten Telekommunikationsanbieter Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica zählen. Als vierter Betreiber kommt das Unternehmen 1&1 hinzu, das sich ebenso eine Frequenz gesichert hat, jedoch mit dem Netzausbau deutlich hinter dem Zeitplan liegt.

Bis Jahresende 2022 waren die Netzbetreiber angehalten, bestehende Funklöcher zu stopfen. Die Liste sei aber nicht abgearbeitet, sagt die Mitarbeiterin der Bundesnetzagentur. Die in Bonn ansässige Bundesbehörde ist die Aufsichtsstelle für den Netzausbau.
Anteil unterversorgter Gebiete
In Baden-Württemberg lag im Juli 2022 der Anteil der Gebiete, die nicht mindestens über eine 4G-Versorgung verfügten bei 5,01 Prozent, sagt Henke. Doch das Netz wird weiter ertüchtigt: Im Juli diesen Jahres war der Anteil der unterversorgten Gebiete auf 3,78 Prozent geschrumpft.
Die Angaben der Netzbetreiber würden überprüft. Die Aufgabe übernehmen die Prüf- und Messdienste der Netzagentur. In Baden-Württemberg sei allein die Prüf- und Messstelle Konstanz für die Kontrolle zuständig, sagt Henke.
Funklöcher im SÜDKURIER-Verbreitungsgebiet
Das Alltagsgeschäft sei, Funkstörungen ausfindig zu machen und zu beheben. Feuerwehr, Polizei, Flugsicherung oder auch Amateurfunker wendeten sich bei Störfällen an die Prüf- und Messstelle.
Für die Nachrichtentechniker Schwarz und Fleckenstein ist die Tour durch das Deggenhausertal nach ihren Angaben die erste Flächenfahrt in diesem Jahr. Prüfaufträge dieser Art seien eher selten, sagt Schwarz. Vergangenes Jahr sei das Konstanzer Team lediglich zu drei Flächenkontrollen mit ihrem Messwagen unterwegs gewesen.

Um sich ein flächendeckendes Bild von der Versorgung in einer Funkzelle zu machen, würde versucht, im Zielgebiet möglichst viele repräsentative Strecken abzufahren. Dabei werde jeweils der Leistungspegel der einzelnen Handy-Netze aufgezeichnet, sagt Fleckenstein.
Schweizer Funkwellen auf dem Schirm
In grenznahen Gebieten seien zudem die Netze von Betreibern aus benachbarten Ländern zu unterscheiden. Da Funkwellen nicht vor Grenzen halt machen, habe man immer auch die Schweizer Anbieter auf dem Schirm, sagt Fleckenstein.
Wo die Netzbetreiber ihre Sender montierten oder Sendemasten aufstellten, sei deren Angelegenheit. Für die Standorte gebe es keine Vorgaben. Natürlich würden die örtliche Topografie und Bebauung berücksichtigt, um die LTE-Signale möglichst ohne Einschränkung ausstrahlen zu können.
Im Fonds des Messwagens ist der Arbeitsplatz von Fleckenstein. Dort ist er von Computern und Bildschirmen umgeben. In seinem Rücken stapeln sich zwei Scanner, also Geräte, die die Sendesignale aufzeichnen, die von vier Antennen auf dem Wagendach empfangen werden. Von stattlicher Größe ist der Spektrum-Analysator, bei dem es sich um ein weiteres Messgerät mit unzähligen Reglern und einem Display handelt, auf dem die die Stärke der empfangenen Signale dargestellt wird. Bei Bedarf kann ein bis zu sechs Meter hoher Antennenmast ausgefahren werden.
Das Messen geschieht während der Fahrt, um möglichst weitflächig Datensätze sammeln zu können. Auf einem großen Bildschirm wird Fleckenstein eine Landkarte angezeigt, auf der die bereits abgefahrenen Straßen blau markiert sind.

An ihrem ersten Einsatztag im Untersuchungsgebiet im Deggenhausertal haben die beiden Nachrichtentechniker mit ihrem Gefährt bereits 60 Kilometer zurückgelegt. Das sei eine durchschnittliche Wegstrecke, rund 100 Tageskilometer wären aber auch möglich, sagt Schwarz, der heute am Steuer sitzt. Plötzlich blafft sein Kollege an den Bildschirmen: „Du fährst gerade zu schnell.“
Auch die Fahrgeschwindigkeit könne Einfluss auf die Messung haben, weswegen der Wagen langsamer als 45 Stundenkilometer unterwegs sein solle, erklärt Schwarz und bremst etwas ab. Das Einsatzfahrzeug, das mit gelber Warnleuchte und mit der Aufschrift „Achtung Messung“ ausgestattet ist, kann auf Landstraßen schnell zum rollenden Hindernis werden. Auch abgelegene Bauernhöfe oder bewirtschaftete Wanderhütten würden gezielt angefahren, sagt Schwarz.
Fleckenstein schätzt, dass das vorgegebene Untersuchungsgebiet in drei Tagen abgefahren sein wird. Ausgewertet werden die Datensätze von den Nachrichtentechnikern jedoch nicht. Das übernehmen Kollegen in Krefeld, wo zentral alle bundesweit gesammelten Daten analysiert würden. Ob ein vorheriges Funkloch nun tatsächlich als geschlossen gewertet werden könne, stehe erst nach der Auswertung in Krefeld fest.
Fokus auf dem ländlichen Raum
Für die Netzbetreiber sei es wenig attraktiv, dünn besiedelte Gebiete oder schwieriges Gelände mit teuren Sendemasten auszustatten. Wenn dort wenig Handy-Nutzer unterwegs sind und nur wenig abrechnungsfähigen Datenverkehr verursachen, kann dies für einzelne Flächen betrachtet wirtschaftlich unrentabel sein.
Trotzdem wird beim Netzausbau und bei der Verbesserung der Datenübertragungsleistung der ländliche Raum in den nächsten Jahren im Fokus stehen, bekräftigt die Sprecherin der Bundesnetzagentur. Vorgabe sei nun einmal, auch bis zur letzten Milchkanne ein 4G-Handy-Funknetz zu bieten.
Den Prüf- und Messdiensten wird übrigens die Arbeit nicht so schnell ausgehen: Schließlich werde auch das im Aufbau befindliche 5G-Netz auf seine Sendequalität überprüft werden müssen.