Kriege und Konflikte weltweit sorgen beim Stockacher Minenräumspezialisten Global Clearance Solutions (GCS) für volle Auftragsbücher. 2024 hat das Unternehmen so viele Minenräumsysteme verkauft wie noch nie. Mit knapp 70 Millionen Euro habe man im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Rekordumsatz verzeichnet, sagte ein Unternehmenssprecher dem SÜDKURIER. Die Auftragsbücher seien gut gefüllt, die Fertigung im Stockacher Produktionswerk sei „mindestens bis Mitte 2026 voll ausgelastet“.

Stockacher Werk voll ausgelastet

Für die kommenden Monate deute sich aber eine Abkühlung der Hochkonjunktur an. „Im laufenden und im kommenden Geschäftsjahr rechnen wir mit leicht rückläufigen Umsätzen“, sagte der GCS-Sprecher. Grund sei ein spürbares Nachlassen des Interesses am Ukraine-Konflikt und damit einhergehend „weniger staatliche Aufträge“. Ab 2027 erwarte man wieder ein nachhaltiges Wachstum. Zum Gewinn äußerte sich der Sprecher nicht. Man sei aber profitabel, sagte er.

GCS mit Firmensitz in Freienbach am Zürichsee ist einer der führenden Hersteller von Minenräumsystemen weltweit. Einziger Produktionsstandort für die Spezialfahrzeuge ist Stockach im Kreis Konstanz. Bei der Vermarktung ist das Unternehmen stark von staatlichen Aufträgen abhängig. Die Auftraggeber sind beispielsweise Ministerien oder Streitkräfte wie die Bundeswehr.

GCS entwickelt auch Greifarme, die an Panzer angebaut werden können. Hier ist ein System im Einsatz und entschärft eine Sprengfalle.
GCS entwickelt auch Greifarme, die an Panzer angebaut werden können. Hier ist ein System im Einsatz und entschärft eine Sprengfalle. | Bild: GCS

Das Unternehmen ist aus der im Jahr 2004 gegründeten Stockacher Minewolf Systems AG hervorgegangen, die mit dem gleichnamigen Minenräumpanzer – ein 26 Tonnen schwerer Koloss, der damals zusammen mit dem Raupenhersteller Prinoth auf Basis einer Forstfräse am Bodensee entwickelt wurde – den Markt der Kampfmittelbeseitigung aufmischte. Einer der heutigen GCS-Chefs, Philipp von Michaelis, war Mitgründer von Minewolf Systems.

Minenräumung in Afghanistan, dem Balkan oder in ehemaligen Bürgerkriegsgebieten

Die Räumpanzer der beiden Firmen waren seither in zahlreichen Konfliktgebieten im Einsatz, etwa in Afghanistan, dem Balkan oder ehemaligen Bürgerkriegsgebieten in Afrika. Im Irak säuberten Fahrzeuge der Stockacher nach dem Rückzug der Terrororganisation IS das Land von Minen.

Firmenchef Philipp von Michaelis steht neben einer GCS-Raupe auf dem Stockacher Firmengelände.
Firmenchef Philipp von Michaelis steht neben einer GCS-Raupe auf dem Stockacher Firmengelände. | Bild: Rosenberger, Walther

Seit einigen Jahren rückt für GCS indes die Ukraine als Markt immer stärker in den Vordergrund. Anfang 2023 wurden erste Systeme dorthin geliefert. Mittlerweile sind die Stockacher dort „der größte Anbieter von Minenräummaschinen“, wie der GCS-Sprecher sagt. Aktuell seien dort 70 Systeme im Einsatz. Bis Mitte 2026 sollen es 90 bis 100 sein. Bis zu ein Drittel der Landesfläche der Ukraine sind nach Angaben örtlicher Behörden potenziell mit Minen oder Blindgängern kontaminiert.

Technologisch ist man vom Bau besonders schwerer Fahrzeuge wie dem Ursprungs-Minewolf abgekommen und fertigt jetzt leichtere Raupen. Diese passen in gewöhnliche Fracht-Container. Das spart Kosten und steigert die Verfügbarkeit in den oft abgelegenen Krisenregionen. Die Räumpanzer sind aus Sicherheitsgründen unbemannt und werden von einem Fahrer aus einigen Hundert Metern Abstand ferngesteuert. Seit einiger Zeit arbeitet GCS auch an komplett autonom fahrenden Panzern. Bis diese an den Start gehen, wird es aber noch einige Zeit dauern.

Ein GCS-Mitarbeiter prüft in Stockach einen Räumpanzer. Hier werden die bis zu zehn Tonnen schweren Raupen gefertigt.
Ein GCS-Mitarbeiter prüft in Stockach einen Räumpanzer. Hier werden die bis zu zehn Tonnen schweren Raupen gefertigt. | Bild: Lukas Leertaste Fotograf - Inh.:

Allerdings setzt das Unternehmen heute schon Drohnentechnologie ein, um die Räumgeschwindigkeit sowie die Erfassung von Munition im Boden zu verbessern. Hierzu kämen auch immer mehr KI-Technologien zum Einsatz, sagte der Sprecher. Ende vergangenen Jahres ist GCS dafür einer Industrie-Allianz mit den bayrischen Rüstungsunternehmen Quantum Systems und Arx Robotics eingegangen, den heimliche Start der jungen Start-Up und Rüstungsszene in Deutschland.

Quantum-Aufklärungsdrohnen sind ebenso in der Ukraine im Einsatz, wie die autonomen Raupenfahrzeuge von Arx. Man bündele die Expertise und nutze das gemeinsame Netzwerk, sagte der GCS-Sprecher.

Ankeraktionär ist ein Piëch-Familienstamm

Der Standort Stockach ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Mittlerweile arbeiten dort nach Angaben des Sprechers knapp Hundert Beschäftigte. Im ganzen Unternehmen sind es rund 160. Allein in den vergangenen zwei Jahren sind etwa 40 Mitarbeiter hinzugekommen. Durch Zukäufe mehrerer Firmen, etwa des Schweizer Störsender-Bauers Symlab hat sich GCS zudem seit 2023 technologisch breiter aufgestellt.

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Eigner von GCS ist neben Firmenchef von Michaelis und Finanzchef Markus Zurkirchen die Investorenfamilie Piëch-Nordhoff. 2017 steigen die Verwandten des ehemaligen Volkswagen Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch bei GCS ein und halten seit damals einen 25-Prozent-Anteil an dem Unternehmen, der ihnen Mitsprache in wichtigen Unternehmensentscheidungen sichert.