Der Frühling bringt mehr Sonne – und damit auch sinkende Börsenstrompreise, weil Solaranlagen wieder mehr Strom produzieren. Die meisten Verbraucher merken das bislang aber nicht in ihrem Geldbeutel. Denn sie haben einen monatlichen oder jährlichen festen Tarif mit ihrem Stromversorger vereinbart, der wiederum mit einem Durchschnittspreis kalkuliert.

Matthias Bauer arbeitet bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, als Energiefachmann.
Matthias Bauer arbeitet bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, als Energiefachmann. | Bild: Wolfram Scheible

Seit Januar sind zwar alle Stromanbieter in Deutschland dazu verpflichtet, wenigstens einen ihrer Tarife auch als so genannten dynamischen Tarif anzubieten, bei dem ein Teil des Strompreises an den sich stündlich ändernden Strompreis an der Börse gekoppelt ist.

Denn die Preise sind je nach Tageszeit unterschiedlich hoch, weil die Spitzen beim Stromangebot und bei der Stromnachfrage zeitlich auseinanderfallen – vor allem seit der Anteil von Strom durch Solar und Wind in Deutschland zugenommen hat, er liegt inzwischen bei deutlich über 40 Prozent. So liefern bei Sonnenschein die Solarmodule mittags sehr viel Strom.

Abends, wenn in vielen Haushalten die Waschmaschine läuft oder das Elektroauto geladen wird, fließt nur noch wenig bis gar kein Solarstrom ins Netz. „Es fehlt derzeit aber an der tatsächlichen Umsetzung durch die Anbieter und an den technischen Ausstattungen dafür“, sagt Energieexperte Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Wer dynamische Tarife nutzen kann, für wen sie sich besonders rechnen – die wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche technischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Wer einen dynamischen Stromtarif nutzen möchte, braucht dafür ein intelligentes Messsystem, einen so genannten Smart Meter. Diese digitalen Stromzähler halten fest, zu welcher Uhrzeit wie viel Strom verbraucht wurde und verknüpfen damit den jeweils aktuellen Preis. Diese Daten senden sie dann direkt an den Versorger.

Woher bekommt man einen Smart Meter und was kostet er?

Matthias Bauer empfiehlt Geräte des zuständigen Messstellenbetreibers. „Nutzt man ein intelligentes Messsystem anderer Dienstleister, können höhere Kosten anfallen, die gesetzlichen Preisobergrenzen gelten dann nicht“, sagt Matthias Bauer.

Möchte ein Kunde einen Smart Meter, muss der grundzuständige Messstellenbetreiber diesen seit Januar 2025 auch einbauen. „Diese freiwillige Installation zahlt man aber selbst und sie kostet auch mehr als ursprünglich vorgesehen“, sagt Matthias Bauer. So sei die gesetzliche Preisobergrenze von 30 auf 100 Euro gestiegen, „viele Messstellenbetreibe möchten deutlich mehr“.

Solaranlagen boomen. Immer wenn die Sonne scheint, ist zu viel Strom da.
Solaranlagen boomen. Immer wenn die Sonne scheint, ist zu viel Strom da. | Bild: Marijan Murat, dpa

Wie viele Haushalte haben bislang einen smart meter?

Der Forschungsstelle für Energiewirtschaft zufolge gehört Deutschland bei der Versorgung mit smart metern noch zu den Schlusslichtern in Europa. In Deutschland waren von den insgesamt über 50 Millionen Messlokationen im Jahr 2021 nur etwa 160.000 mit intelligenten Messsystemen ausgestattet.

In Dänemark und Schweden waren im selben Jahr bereits in 100 Prozent der Haushalte intelligente Messsysteme verbaut, in Estland, Spanien, Finnland, Italien, Luxemburg und Norwegen mindestens 98 Prozent.

Da bislang nur sehr wenige Smart Neter eingebaut wurden, bezeichnet auch Sebastian Dix, Sprecher beim Energieversorger Stadtwerk am See in Friedrichshafen, den potenziellen Kundenkreis für dynamische Stromtarife als „sehr eingeschränkt“, das Interesse der Kunden daran bislang als „sehr verhalten“.

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Für wen rechnen sich dynamische Stromtarife?

„Interessant sind sie für alle, die ihren Stromverbrauch schieben oder verschieben können“, sagt Matthias Bauer. Das trifft beispielsweise auf Verbraucher zu, die eine Wallbox fürs E-Auto haben, eine Photovoltaikanlage, einen Stromspeicher, eine Wärmepumpe – und die diese flexibel einsetzen beziehungsweise laden können.

„Die günstigsten Preise fallen erfahrungsgemäß in den Mittagsstunden an. Interessant ist so ein dynamischer Tarif also für Kunden mit einem flexiblen Verbrauch über den Tag, etwa wenn man sein E-Auto tagsüber lädt, während man im Homeoffice arbeitet“, sagt Sebastian Dix.

Die Stiftung Warentest hat beispielsweise berechnet, dass ein Besitzer eines E-Autos mit 10.000 km Laufleistung durch dynamische Tarife etwa 300 Euro pro Jahr sparen kann, Haushalte mit einem Stromspeicher beispielsweise 75 Euro pro Winter einsparen können.

Windräder, die sich in Schleswig-Holstein hinter einer Solaranlage drehen. Fluktuierende Einspeisung von Strom belastet die Netze.
Windräder, die sich in Schleswig-Holstein hinter einer Solaranlage drehen. Fluktuierende Einspeisung von Strom belastet die Netze. | Bild: Daniel Reinhardt, dpa

Wie wird man über die aktuell geltenden Strompreise informiert?

Viele Anbieter dynamischer Stromtarife bieten ihren Kunden Apps für das Smartphone. „Man erhält dann einen Tag vorher eine Push-Meldung zu den Börsenpreisen des nächsten Tages“, sagt Matthias Bauer. Danach könnten die Kunden ihren Verbrauch dann steuern.

Smart-Home-Technologien vereinfachen es, Geräte mit hohem Energieverbrauch wie etwa die Waschmaschine dann automatisch starten zu lassen, wenn die Preise günstig sind. Das ist dann beispielsweise auch während einer stürmischen Nacht möglich, wenn die Windräder viel Strom erzeugen, aber kaum welcher verbraucht wird.

Kann es nicht auch sehr teuer werden, wenn die Börsenpreise hoch sind?

Im Winter, wenn es früh dunkel wird und kaum Wind geht, wird der Strom oft sehr teuer. „Solche hohen Preise in der Dunkelflaute können dynamische Tarife massiv erhöhen. Denn das Preis- beziehungsweise das Beschaffungsrisiko liegt bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern“, sagt Matthias Bauer.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert, dass Unternehmen Tarife anbieten, die eine Absicherung gegen enorme Preissteigerungen enthalten.

Dampf steigt aus dem RWE Braunkohlekraftwerk Neurath II. Die Zeiten von Kohle und Atomkraft sind vorbei.
Dampf steigt aus dem RWE Braunkohlekraftwerk Neurath II. Die Zeiten von Kohle und Atomkraft sind vorbei. | Bild: Oliver Berg, dpa

Wie findet man einen Anbieter?

„Die Tarife sind sehr komplex, sehr unterschiedlich, schwer zu verstehen und schwer zu vergleichen“, fasst es Matthias Bauer zusammen. Zwar kann man, wie bei anderen Stromtarifen auch, sich Angebote verschiedener Stromversorger über Vergleichsportale wie Verivox oder Check24 anzeigen lassen. Dort wird allerdings meist nur der aktuell gültige Strompreis angezeigt, der sich jedoch bei dynamischen Tarifen ständig ändert.

Zusätzlich lohnt es sich deshalb, auf die Seite der Versorger zu gehen und zu schauen, wie genau die Preise berechnet werden und welche zusätzlichen Kosten anfallen. Was sich gut vergleichen lässt: der verbrauchsunabhängige Grundpreis, den es auch bei dynamischen Stromtarifen gibt.

Kurze Vertragslaufzeiten können sich anbieten, um den Tarif gegebenenfalls auch wieder wechseln zu können, wenn die Kosten doch höher ausfallen als gedacht.