Sie sind klein, aus Holz und versprühen ein Flair von Urlaub – Tiny Houses, also winzige Häuser. Ursprünglich kommen die kleinen Häuschen aus den USA und standen auf Rädern. Damit zogen US-Amerikaner von Platz zu Platz, ohne sich an einen bestimmten Ort binden zu müssen. Sie genossen im Land der unendlichen Möglichkeiten die Freiheit des Nomadentums.

In Deutschland ist dieser Trend längst auch angekommen. Tiny-Häuser werden nachgefragt wie nie. Doch die Beweggründe in ein Tiny House zu ziehen, sind in Deutschland andere als in den USA. Nicht der Freiheitsgedanke steht hier bei vielen im Vordergrund, sondern die Nachhaltigkeit.

Gelebter Minimalismus

So auch bei Michael Busch. Er ist Mitglied der Tiny-House-Gemeinschaft am Bodensee. In einem Tiny House wohnt er zwar noch nicht, aber er hat es fest vor. „Wenn man Kinder hat, braucht man viel Platz, baut ein Haus. Wenn die Kinder dann aber wieder ausziehen, hat man viel unnötigen Platz“, sagt Busch.

Michael Busch
Michael Busch | Bild: Michael Busch

Deswegen wolle er sich künftig auf das Wesentliche beschränken und in ein Tiny House ziehen. 20 bis 30 Quadratmeter, mehr brauche er nicht, sagt er. Im Alter allein sein wolle er aber auch nicht. Deswegen hat er sich der Tiny-House-Gemeinschaft angeschlossen.

Ihre Idee: Sie wollen am Bodensee eine Tiny-House-Siedlung gründen, in der alle gemeinsam leben, sich Dinge teilen und gegenseitig helfen. Mit dem Haus herumziehen zu können sei da nebensächlich. Ob sein künftiges Zuhause auf Rädern stehen soll, wisse er aber noch nicht. Eigentlich sei er aber auf der Suche nach einem festen Zuhause, in der Gemeinschaft.

Baugrund ist schwer zu finden

Es gibt aber ein Problem: Um in Deutschland ein Tiny House aufzustellen, benötigt es eine Baugenehmigung und die gibt es nicht so einfach. Erst recht nicht für eine komplette Siedlung. In Kießlegg im Kreis Ravensburg war im vergangenen Jahr jüngst ein ähnliches Vorhaben am Untergrund gescheitert.

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Anders in Burgrieden im Kreis Biberach. Hier soll bald eine Siedlung mit 30 bis 35 Häusern mit je rund 50 Quadratmetern Fläche entstehen – die bisher größte Tiny-House-Siedlung Deutschlands. Kommt nichts mehr dazwischen, soll schon im Herbst mit dem Bau begonnen werden. Initiiert wurde das Bauprojekt von der Firma Tiny Huchler, die sich schon seit Jahren mit dem Bau der Kleinst-Häuser beschäftigt.

„Wir hatten immer wieder Anfragen von Menschen, die nicht nur ein Tiny House wollten, sondern auch nach einem Platz gesucht haben, wo sie es hinstellen können“, so Mane Huchler, einer der beiden Geschäftsführer von Tiny Huchler.

Mane Huchler
Mane Huchler | Bild: Mane Huchler

Deswegen habe man sich dazu entschlossen, selbst die Initiative zu ergreifen und nach einem Bauplatz für eine Siedlung zu suchen. Bei vielen Kommunen sei man allerdings auf Granit gestoßen – die Skepsis gegenüber dieser Wohnform sei zu groß – bis Tiny Huchler in Burgrieden endlich erfolgreich war.

Huchler ist überzeugt: „Jede Kommune wäre gut bedient, sich für diese Wohnform zu öffnen.“ Denn Wohnraum sei knapp, was reduziertes Wohnen attraktiver mache. Außerdem steige die Nachfrage nach ökologischem Wohnen und längst seien es nicht mehr nur junge Ökos, die in Tiny Häuser ziehen wollen. Die Bandbreite an Kunden, die sich bei Tiny Huchler ein Häuschen kaufen wollen, sei groß. Es kämen vor allem aber viele ältere Leute, die sich in der Rente verkleinern wollen.

Aus Not zum Tiny House

Diesen Grund hat auch Ruth Turner, die sich der Tiny-House-Gemeinschaft im vergangenen Jahr angeschlossen hat. Die Schottin zog vor 42 Jahren nach Deutschland. „Damals hatte ich nur einen Rucksack dabei“, erinnert sie sich. Doch mit den Jahren hätten sich so viele Dinge angesammelt, die sie eigentlich gar nicht braucht, sagt sie.

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Den Umzug in ein Tiny House wolle sie nutzen, um ihr Leben zu entrümpeln. Für sie gibt es aber noch einen weiteren wichtigen Grund, warum sie möglichst bald in ein Tiny House ziehen will: die Kosten. „Wenn ich in einem Jahr in Rente gehe, dann kann ich mir meine derzeitige Wohnung gar nicht mehr leisten“, sagt Turner.

Reduziertes Wohnen = billiges Wohnen?

Doch von billigem Wohnen kann auch bei einem Tiny House nicht die Rede sein. „Bei der Wohnform in Tiny Häusern handelt es sich weder um billiges noch um teures Wohnen“, sagt Mane Huchler. Wie teuer ein solches Kleinhaus wird, komme immer auch auf die Ausstattung an.

Bei Tiny Huchler zahle man für ein einfaches Tiny House in der Siedlung zwischen 40.000 und 50.000 Euro. Für ausgefallenere Modelle könne man aber auch schon einmal bis zu 120.000 Euro ausgeben – und das ohne Grundstück. Die ganz kleinen Modelle gebe es schon ab 25.000 Euro.

Tiny-Houses können inzwischen ganz viele Variationen aufweisen. Ursprünglich wurden nur Häuser auf Rädern als solche bezeichnet.
Tiny-Houses können inzwischen ganz viele Variationen aufweisen. Ursprünglich wurden nur Häuser auf Rädern als solche bezeichnet. | Bild: Tiny Huchler

Obwohl die ursprünglichen Tiny Häuser auf Rädern standen, ist in Deutschland längst nicht mehr jedes Tiny House auf Mobilität ausgelegt. „Wenn das Tiny House als Anhänger konzipiert ist, ist man baulich sehr eingeschränkt“, gibt Mane Huchler zu Bedenken.

Denn damit das Haus auch im Straßenverkehr transportiert werden kann, darf es eine Breite von 2,55 Metern und 4 Metern Höhe nicht überschreiten. Auch ein Gewicht von 3,5 Tonnen muss eingehalten werden. Hinzu komme, dass das Haus für eine Straßenzulassung TÜV benötigt.

So kann ein Tiny House von innen aussehen. Doch die Variation ist inzwischen groß.
So kann ein Tiny House von innen aussehen. Doch die Variation ist inzwischen groß. | Bild: Tiny Huchler

Deswegen stehen in Deutschland viele Tiny Houses auf Pfosten und nicht auf Rädern. Der Vorteil dabei ist, dass Form und Größe beliebig variieren und Einzelpersonen oder gar Familien ihr Haus individuell gestalten können, so Huchler. Daraus entständen dann sogenannte Modulhäuser. Vom ursprünglichen Gedanken des Kleinhauses auf Rändern darf inzwischen also abgewichen werden.

Anke Wulf aus Friedrichshafen will künftig ebenfalls in einem Tiny House wohnen. Sie hat sich bereits reduziert, lebt in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Sie hat sich der Tiny-Haus-Gemeinschaft angeschlossen, weil sie sich nicht nur auf das Wesentliche beschränken, sondern auch das Bedürfnis nach einer Gemeinschaft hat und gleichzeitig der Natur nah sein will.

Anke Wulf
Anke Wulf | Bild: Anke Wulf

Das Ziel sei es, gemeinsam zu leben, zu arbeiten, sich selbst zu versorgen und das ganze möglichst ökologisch und nachhaltig – auf 18 bis 30 Quadratmeter wolle sich jeder beschränken.

Weil ein großer Teil des Vereins aus dem Bodenseeraum komme, wolle man auch dort nach einem Baugrund suchen. „Wir sind derzeit mit einigen Kommunen, wie zum Beispiel Salem im Gespräch“, so Wulf. Sie hofft, dass es dann bald grünes Licht für ihr Bauvorhaben gibt und sie gemeinsam mit Gleichgesinnten den Traum vom nachhaltigen Wohnen verwirklichen kann.