Vor einiger Zeit schien es, als habe der Staat seinen letzten Japser getan. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hatte ihn voll erwischt. Auf dem US-Immobilienmarkt war im Jahr 2007 eine gewaltige Spekulationsblase geplatzt, deren Schockwellen sich weltweit ins Bankensystem hineinfraßen und die Wirtschaft mit in den Abwärts-Strudel rissen. Wenig später kollabierten weltweit Kreditinstitute. Und Haushalte rutschten ins Defizit.
Schnell war damals klar, dass es für den modernen Staat um eine Art Endspiel ging. Zumindest aber um eine harte Bewährungsprobe für Gesetzgeber, Regierungen und Verwaltungen.
In der Finanzkrise gewinnt der Staat neue Bedeutung
In Deutschland nahm die Politik das Heft in die Hand. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr SPD-Finanzminister Peer Steinbrück sicherten den Deutschen im Herbst 2008 die unbegrenzte Haftung für denen Spareinlagen zu. Der zur besten Sendezeit übertragene Schwur war der Auftakt einer beeindruckenden Rückkehr des Staates und seiner Institutionen aus ihrer bisherigen Verzwergung.

Und so ging es weiter. Banken wurden gerettet, Krisenfonds eingerichtet und Kontrollinstanzen eingezogen. Auf europäischer Ebene gipfelte die Entwicklung 2012 in der bedingungslosen Unterstützung des damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi für die Eurorettung (“Koste es, was es wolle“). Gerade noch für scheintot gehalten, war der Staat wieder zurück im Spiel. Und das ist er bis heute, allerdings mit fatalen Nebenwirkungen. Überall einzugreifen und alles zu regeln, ist zum politischen Leitmotiv mutiert. Und zwar auch dann, wenn es gar nicht nötig ist.
Mächtiger Staat
Wie mächtig der Staat heute ist, lässt sich auch an Zahlen ablesen. Die Staatsquote liegt auf Rekordniveau. Sie beschreibt den Anteil staatlicher Ausgaben an der Wirtschaftsleitung, also am Bruttoinlandsprodukt. Und sie steigt auf immer neue Rekordwerte. Nach Daten des Bundesfinanzministeriums liegt sie dieses Jahr bei 49 Prozent. Damit geht fast jeder zweite in diesem Land erwirtschaftete Euro durch die Hand des Staates.

„Gutso“, könnte man jetzt sagen. Immerhin hat sich gegenüber den Nachkriegsjahren, als die Staatsquote um die 30 Prozent betrug, einiges geändert. Die Anpassung an den Klimawandel bedarf heute Milliardenbeträge. Zuwanderung sowie eine alternde Gesellschaft fordern den Sozialstaat zusätzlich heraus. Und angesichts der neuen Sicherheitslage ist Aufrüstung unumgänglich. Wer soll‘s denn richten, außer der Staat?
Immer mehr Beamte kosten den Staat Millionen
Da ist etwas dran, aber auch wieder nicht. Denn natürlich richtet es der Staat nicht für umsonst. Und dass er es am günstigsten macht, darf auch bezweifelt werden. Beispielsweise bedeutet mehr Aufgaben in der Politik ganz selbstverständlich auch mehr Staatsbedienstete. So ist allein die Zahl der Bundesbeamten seit 2015 um rund 50.000 auf knapp 300.000 angestiegen. Ein ähnlicher Trend ist auch in den Bundesländern erkennbar.
Wo ein Unternehmen, Aufgaben anders verteilen würde, stellt der Staat ein. Das wird teuer, und als Folge steigt parallel zur Staatsquote auch die Steuer- und Abgabenlast. Bei den Unternehmenssteuern ist Deutschland längst nicht mehr im Mittelfeld, sondern rangiert weit vorne. Und was die Haushalte betrifft, zahlen mehr als vier Millionen Arbeitnehmer bei der Einkommenssteuer mittlerweile den Spitzensteuersatz.

Das Hauptproblem Deutschlands hat der Liechtensteiner Regierungschef Daniel Risch jüngst einmal so beschrieben. „Bürokratie schafft Bürokratie. Wer Leute hat, die ständig neue Regulierungen erfinden, bekommt wegen dieser neuen Regulierungen immer wieder mehr Arbeit“. Diesen Mechanismus wieder zu durchbrechen, sei „unglaublich schwer“, sagte Risch, in dessen Land die Staatsquote übrigens 23 Prozent beträgt.
Dennoch gibt es für Deutschland keinen anderen Weg. Der Staat muss seinen in diversen Krisen erlernten fein ziselierten Gestaltungsanspruch aufgeben und wieder mehr gesunden Menschenverstand zulassen.
CO2-Preis, nicht Kleinklein im Heizungskeller
Möglich wäre dies. Dafür müsste sich die Politik nicht einmal von ihren übergeordneten Zielen verabschieden. Die Idee, für jede neue Regel eine alte zu streichen, gibt es in Form der sogenannten Bürokratiebremse seit 2015. Man müsste sie allerdings auch mal scharf stellen. Was den Sozialstaat angeht, würde der durch eine Reform, die stärker auf Anreize setzt, Arbeit aufzunehmen, eben nicht ungerechter. Vielmehr würde Engagement und Eigeninitiative belohnt.
Und beim regulatorischen Megaprojekt Klimaneutralität wäre es durchaus möglich, auf Detailvorgaben zu verzichten und stattdessen einen verbindlichen und wirklich umfassender Pfad der CO2-Bepreisung auszuweisen. Der würde bessere Dienste leisten als Kleinklein im Heizungskeller.